Dr. Daniel Staffel 2 – Arztroman. Marie Francoise
verlassen hatte, konnte sich der Oberarzt so richtig über das Lob freuen.
»Bringen Sie die Patientin auf Intensiv«, ordnete er noch an, dann ging auch er hinaus.
*
Als Patricia erwachte, saß ein schlanker Arzt mit etwas hagerem, aber sehr sympathischem Gesicht neben ihr.
»Nun, junge Frau, wie fühlen Sie sich?« wollte er wissen.
»Kalt«, brachte Patricia ein wenig mühsam hervor.
Der Arzt stand auf und breitete fürsorglich eine zweite Decke über sie.
»Besser?« fragte er, doch das hörte Patricia schon nicht mehr. Sie war wieder eingeschlafen.
Erst am nächsten Tag war sie richtig ansprechbar.
»Guten Morgen, Frau Gerhardt«, grüßte Dr. Heller, als er die Intensivstation betrat. »Nun, wie fühlen Sie sich heute?«
»Es geht«, antwortete Patricia mit rauher Stimme. Sie räusperte sich, doch das brachte nur wenig Besserung.
Der rauhe Hals kommt von der Narkose, aber das gibt sich in zwei bis drei Tagen wieder«, erklärte Dr. Heller, dann schlug er die Bettdecke zurück, löste den Verband und betrachtete die Operationsnarbe. »Na, das sieht ja gar nicht schlecht aus.« Er lächelte Patricia an. »In ein paar Wochen wird man fast nichts mehr davon sehen.«
Doch Patricias Gedanken waren noch woanders. »Ich habe Sie schon mal gesehen.«
Dr. Heller nickte. »Als sie nach der Operations erwachten, aber da haben Sie noch nicht viel mitbekommen. Ich bin übrigens der Oberarzt hier an der Klinik – Dr. Rolf Heller.«
Allmählich konnte sich Patricia wieder an die Ereignisse der vergangenen Tage erinnern.
»Haben Sie mich operiert?« wollte sie wissen.
Wieder nickte Dr. Heller. »Es war ein ziemlich schwieriger Eingriff.«
Patricia dachte angestrengt nach. Sie versuchte sich zu erinnern, wie sie in die Klinik gekommen war.
»Ich weiß nur noch, daß ich im Krankenwagen gelegen habe«, murmelte sie. »Dann kamen die schrecklichen Schmerzen…« Sie brachte den Satz nicht zu Ende.
»Sie waren ohne Bewußtsein, als Sie hier ankamen«, erklärte Dr. Heller. »Es war gut, daß Dr. Daniel die Einlieferung in die Klinik so sehr vorangetrieben hatte. Jegliches Hinauszögern hätte Sie das Leben kosten können.«
Patricia erschrak sichtlich. »So… schlimm ist es gewesen?«
»Ja, Frau Gerhardt, das befruchtete Ei hatte den Eileiter bereits gesprengt«, entgegnete Dr. Heller mit ernster Miene. »Und… so leid es mir tut, aber… mir blieb nichts anderes übrig, als den Eileiter zu entfernen.«
Mit weit aufgerissenen Augen starrte Patricia den Arzt an. »Heißt das… ich kann nie mehr… ein Baby…« Dieser Gedanke war für sie zu ungeheuerlich, als daß sie ihn hätte aussprechen können.
»Um Himmels willen, nein«, wehrte Dr. Heller sofort ab, dann warf er einen Blick auf den Monitor, der Patricias Werte anzeigte. »Ich glaube, Ihr Zustand ist stabil genug, daß wir Sie auf die normale Station verlegen können. Und dort werde ich mir für Sie Zeit nehmen und Ihnen alles erklären. Einverstanden, Frau Gerhardt?«
Patricia nickte schwach. Die Worte des Oberarztes hatten sie zutiefst erschreckt.
Doch Dr. Heller hielt Wort. Patricia war noch keine fünf Minuten in ihrem Zimmer, als er auch schon hereinkam und sich ohne weitere Umstände auf die Bettkante setzte.
»Also, Frau Gerhardt«, begann er. »Ich will ganz offen zu Ihnen sein. Es wird sicher keine einfache Sache sein, mit nur einem Eileiter schwanger zu werden, aber es ist durchaus möglich. Ich kenne einige Mütter, die mit nur einem Eileiter zwei oder drei Kinder bekommen haben. Also haben Sie keine Angst. Ich bin sicher, daß…« Er stockte, als Patricia plötzlich in Tränen ausbrach.
»Bitte, Frau Gerhardt, beruhigen Sie sich doch«, bat er mit sanfter Stimme. »Es ist wirklich nicht so schlimm, wie Sie es sich vielleicht vorstellen.«
»Sie haben ja keine Ahnung!« stieß Patricia unter Tränen hervor. »Oliver und ich bemühen uns seit über zwei Jahren um ein Baby. Ich war so glücklich, als ich jetzt bemerkte…« Sie konnte nicht weitersprechen, weil sie erneut zu schluchzen begann. Erst nach Minuten fand sie wieder Worte. »Wenn ich schon mit zwei Eileitern solche Probleme hatte, schwanger zu werden, wie soll es dann erst mit nur einem gehen?«
Dr. Heller senkte den Kopf. Er hatte natürlich nichts von ihren generellen Schwierigkeiten gewußt, aber jetzt war ihm klar, daß die junge Frau recht hatte. Es würde wirklich sehr schwierig werden, daß sie jemals wieder schwanger würde – wenn es nicht sogar tatsächlich völlig unmöglich war. Und selbst wenn es doch klappen würde – niemand konnte vorhersagen, daß es nicht wieder eine Eileiterschwangerschaft sein würde.
»Sie sollten jetzt nicht allzu schwarz sehen«, meinte Dr. Heller trotzdem. »Lasse Sie sich ein bißchen Zeit, Frau Gerhardt. Sie sind noch so jung.«
Doch das war für Patricia kein Trost. Noch immer leise schluchzend wandte sie den Kopf zur Seite. Dr. Heller zögerte einen Moment, dann berührte er sanft ihre Schulter, bevor er das Zimmer verließ.
Draußen traf er den Stationsarzt, Dr. Gerrit Scheibler.
»Kümmern Sie sich ein bißchen um die Patientin von 110«, bat er. »Sie hat eine Eileiterschwangerschaft hinter sich und ist jetzt ziemlich niedergeschlagen.«
Dr. Scheibler nickte. »Natürlich, Herr Oberarzt.« Er wartete, bis Dr. Heller im Lift verschwunden war, dann wandte er sich dem genannten Zimmer zu und trat ein.
Patricia wandte den Kopf nach hinten, sah den fremden Arzt und wischte sich verlegen über die Augen.
»Sie müssen sich Ihrer Tränen nicht schämen«, meinte Dr. Scheibler, dann reichte er Patricia die Hand. »Ich bin der Stationsarzt. Gerrit Scheibler ist mein Name.«
Mechanisch erwiderte Patricia seinen Gruß.
Dr. Scheibler zögerte einen Moment, dann zog er sich einen Stuhl an das Bett der Patientin und setzte sich.
»Der Oberarzt hat mir erzählt, daß Sie eine Eileiterschwangerschaft hatten«, begann er. »Das ist immer eine schlimme Sache. Wenn man miterleben muß, wie eine Schwangerschaft, nach der man sich gesehnt hat, verkümmert, dann tut das sehr weh.«
Patricia kämpfte schon wieder gegen die aufsteigenden Tränen an.
»Ich wurde operiert«, brachte sie mühsam hervor. »Und jetzt… jetzt kann ich bestimmt kein Baby mehr bekommen.«
Dr. Scheibler wurde hellhörig. Von einer Operation hatte Dr. Heller gar nichts gesagt, und da Dr. Scheibler bis gestern Urlaub gehabt hatte, war er noch nicht über alles informiert worden, was auf seiner Station vorgefallen war.
»Es kommt gelegentlich vor, daß eine Eileiterschwangerschaft operativ abgebrochen werden muß, bevor das befruchtete Ei den Eileiter sprengt«, erklärte er in seiner ruhigen Art.
Mit schmerzvollem Blick sah Patricia den jungen Arzt an. »Muß der Eileiter dann in jedem Fall entfernt werden?«
»Das kommt darauf an«, meinte Dr. Scheibler. »Wenn der Eileiter gesprengt wurde, kann er meistens nicht mehr gerettet werden.«
»Meistens«, wiederholte Patricia. »Heißt das, es gibt auch Fälle, in denen man den Eileiter trotzdem retten kann?«
»Theoretisch schon«, antwortete Dr. Scheibler, verschwieg dabei aber, daß er einen solchen Fall bisher noch nie erlebt hatte.
»Dann könnte es also sein, daß der Oberarzt bei mir einen Fehler gemacht hat«, folgerte Patricia.
Dr. Scheibler erschrak sichtlich. »Wie kommen Sie auf einen solchen Gedanken? Dr. Heller ist ein erstklassiger Arzt.«
Diesen Eindruck hatte auch Patricia, doch in ihrer momentanen Verzweiflung