Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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Werner und Inge Auerbach richtig unheimlich.

      »Ein komisches Gefühl ist das«, meinte Inge. »Mir schmeckt es gar nicht so richtig.«

      »Ein kleiner Vorgeschmack darauf, was uns später mal blüht, Ingelein«, brummte er. »Das Los aller Eltern. Man kann noch so viele Kinder haben, eines Tages ist man doch allein.«

      »Ein grässlicher Gedanke«, seufzte sie. »Ich schaue lieber mal nach Ricky.«

      Aber Ricky kam schon, in ihrem hellblauen Frotteemantel zwar noch durchscheinend blass, aber doch wieder sicher auf den Beinen.

      »Nanu, so allein?«, fragte sie erstaunt. »Das ist ja ganz was Neues.«

      »Die Folge guter Nachbarschaft«, brummte der Hausherr. »Hannes und Bambi speisen auswärts.«

      »Nebenan«, fügte Inge rasch hinzu.

      »Und deshalb schmeckt es euch auch nicht?«, fragte Ricky, die noch volle Aufschnittplatte betrachtend.

      »Bei uns ist kalter Mittwoch, und drüben gibt es Cordon bleu«, lächelte Inge.

      »Nicht übel«, meinte Ricky, »aber ob Bambi und Hannes etwas damit anzufangen wissen? Bei uns ziehen sie doch ein gewöhnliches Wiener Schnitzel vor.«

      Geschmeckt hätte es schon sehr gut, erklärten die beiden, die bald darauf kamen, aber es wäre halt ein bisschen viel gewesen.

      »Und ich habe immer an euch denken müssen«, wisperte Bambi, die kleine Schmeichelkatze.

      »Jeden Abend gibt es da auch nicht so ein feines Essen«, erklärte Hannes. »Das hat Nonna nur gemacht, weil sie froh war, dass der Hessler wieder weg ist.«

      Es blieb seinen Eltern überlassen, sich ihren Teil zu denken. Als dann noch Arnold Ullrich anrief und sich nur höflich erkundigte, wie es seiner Familie ginge, ohne den Wunsch zu äußern, mit seiner Frau zu sprechen, glaubten sie ihre Ahnungen bestätigt zu wissen.

      »Noch ist nicht aller Tage Abend«, kommentierte Werner Auerbach, als Inge sich bekümmert äußerte, wie traurig es doch wäre, wenn Eheleute sich nichts mehr zu sagen hätten. »Hier herrscht ein heilsames Klima.«

      *

      Endlich durfte Henrike Ulla besuchen. Still und blass lag das Mädchen in den Kissen und sah Ricky mit todtraurigen Augen an.

      »Es tut mir leid, dass ich euch so viel Kummer bereite«, flüsterte sie. »Ich habe gar nicht mehr denken können.«

      »Es ist ja gut, Ulla. Jetzt geht es wieder aufwärts«, murmelte Ricky. »Denk nicht mehr daran.«

      »Und Dr. Rückert ist meinetwegen auch noch krank geworden«, schluchzte Ulla auf.

      »Es geht ihm schon besser, und du bleibst bei uns«, tröstete Ricky. »Papi hat noch mal mit deinem Vater gesprochen. Er hat nichts mehr dagegen.«

      »Aber nun werden sie alle über mich reden. Ich weiß wirklich nicht, warum ich es doch tun wollte. Ich hatte so viel Angst, aber dann …« Ricky legte ihren Finger auf Ullas Mund. »Wenn du dich aufregst, muss ich gleich wieder gehen. Es wird ja niemand erfahren, dafür ist schon gesorgt. Schau, Ulla, ein paar Zimmer weiter liegt Herr Münsters Cousin, den Conny von Rosch mit meinem Wagen zusammengefahren hat. Es wird sehr lange dauern, bis er wieder gesund ist. Sein Leben hing auch an einem seidenen Faden, aber er will leben, und du musst es auch wollen. Wir werden dir dabei helfen. Sandra und Felix Münster heiraten, dann ist Frau von Rieding froh, doppelt froh, wenn sie dich hat. Nun hab doch ein bisschen Mut.«

      »Ich bin euch ja so dankbar, dass ihr mich nicht verachtet«, flüsterte Ulla.

      »Du bist ein ganz dummes Ding, wenn du auch nur einen Augenblick so was denken konntest. Nun wirst du ein prächtiges Abitur bauen, versprichst du mir das?«

      »Ich will es versuchen.«

      »Wir werden büffeln, dass uns die Köpfe rauchen, auch wenn Fabian unsere Klasse nicht mehr unterrichten darf«, sagte Ricky mit einem tapferen Lächeln.

      »Warum denn nicht?«, fragte Ulla ungläubig.

      »Weil Harry von Rosch sich noch veranlasst sah, den Direx zu informieren, dass wir etwas miteinander hätten. Die Rache des schlechten Gewissens, aber davon werden wir uns auch nicht unterkriegen lassen. Der Direx war sehr vernünftig. Fabian hat ihm erklärt, dass wir heiraten, wenn dieses Schuljahr zu Ende ist, dass wir sonst aber gar nichts miteinander haben, und nächste Woche werde ich mich einer strengen Prüfung in Englisch und Französisch unterziehen müssen, damit bewiesen wird, dass Fabian mich nicht bevorzugt hat. Na, die werden sich wundern.«

      »Und ihr wollt tatsächlich heiraten?«, staunte Ulla, deren blasse Wangen Farbe bekommen hatten. »Das habe ja nicht mal ich gewusst.«

      »Da siehst du mal, wie brav wir uns zusammengenommen haben, und wie wenig das nutzt, wenn jemand gehässig sein will. Aber was auch immer getratscht wird – uns kann es nicht mehr schrecken. Die Familien halten zusammen, alles andere geht uns nichts an.«

      »Da bleibt mir einfach die Luft weg. Du willst Dr. Rückert heiraten«, meinte Ulla kopfschüttelnd. Sie fand wieder zum leichten Ton zurück.

      »Er will mich heiraten«, berichtigte Ricky nachsichtig, »und darüber bin ich sehr, sehr glücklich. Verstehst du mich, Ulla?«

      Verstehen konnte Ulla die Freundin einerseits schon, wenngleich sie sich auch einige Gedanken machte. Ihr sah Fabian Rückert einfach zu gut aus für einen Lehrer. Verliebt waren eine ganze Menge in ihn, und Henrike war einfach noch zu jung, nach ihrer Ansicht. Nach ihren Erlebnissen kam sich Ulla jetzt uralt vor, und von romantischen Gefühlen war sie weit entfernt. Außerdem hatte sie die Ehe ihrer Eltern vor Augen und schüttelte sich bei diesem Gedanken.

      »Ich schaue jetzt mal zu Herrn Herwig herein«, sagte Henrike, als Ulla nichts mehr sagte. »Man muss sich um ihn ja auch ein bisschen kümmern.«

      »Darf ich mitkommen?«, fragte Ulla zu ihrer Überraschung. »Ich brauche doch eigentlich gar nicht mehr im Bett zu liegen.«

      »Dann komm nur, und wenn es der Arzt erlaubt, holen wir dich bald ab.«

      Von Harald Herwig war nicht viel zu sehen. Sein Kopf war mit dicken Verbänden umwickelt. Nur die Augen und der Mund waren frei davon. Er blinzelte, als die beiden Mädchen an sein Bett traten.

      »He«, stieß er zwischen den schmalen blutleeren Lippen hervor, »träume ich oder erscheinen mir Feen?«

      Sicher war es Galgenhumor, aber Henrike musste ihn bewundern, und Ulla betrachtete ihn staunend. Kaum dem Tod entronnen, war er schon wieder zum Scherzen aufgelegt.

      »Ich bin Henrike Auerbach, und das ist meine Freundin Ulla, die sich zurzeit auch in diesem Krankenhaus befindet. Es war mein Wagen, mit dem Sie zusammengefahren wurden«, fügte sie leise hinzu.

      »Tut mir leid für Ihren Wagen«, murmelte er. »Felix hat mir schon erzählt, dass Sie selbst nicht schuld daran waren.«

      »Mir tut es leid, dass es Sie so schlimm erwischt hat. Hoffentlich geht es Ihnen bald wieder besser.«

      »Ich hätte nichts dagegen«, meinte er und blinzelte darauf zu Ulla hinüber. »Was fehlt Ihnen? Auch einen Unfall gehabt?«

      »So was Ähnliches«, erwiderte Henrike rasch anstelle von Ulla. »Sie ist ins Wasser gefallen und hat sich erkältet.«

      »Eine morsche Brücke?«, fragte er mit rätselhaftem Ausdruck.

      Es klopfte an die Tür. Eine Schwester kam herein. »Fräulein Auerbach – der Herr Professor möchte Sie abholen«, sagte sie.

      »Wir wollen noch einen Krankenbesuch machen«, meinte Henrike errötend. »Ulla kann Ihnen ja noch ein wenig Gesellschaft leisten.«

      »Das wäre nett von Ulla«, murmelte er.

      Sie überwand ihre Scheu und setzte sich an sein Bett. »Soll ich Ihnen etwas vorlesen?«, fragte sie leise.

      »Erzählen Sie doch lieber. Ich kann nicht


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