Gesammelte Werke. Джек Лондон
»Weil ihr Vagabunden seid. Na, ein bisschen schnell! Ich habe keine Lust, hier die ganze Nacht zu stehen!«
»Ach, dann können Sie ja selber machen, dass Sie wegkommen!« sagte Billy. »Ich bin kein Vagabund. Ich bin Arbeiter.«
»Vielleicht – vielleicht auch nicht«, sagte der Polizist.
»Aber das können Sie morgen früh Richter Neusbaumer erzählen.«
»Was, zum Teufel – bildest du dreckiger, stinkender Köter dir ein, dass du mich festnehmen kannst?« fing Billy an. »Dreh das Licht zu dir selber um. Ich will sehen, was für eine hässliche, dreckige Fratze du hast. Mich festnehmen, wie bitte? Mich festnehmen? Ich hätte Lust, herauszukommen und dich kurz und klein zu schlagen.«
»Nein, nein, Billy«, bat Saxon. »Mach keinen Krach, du kommst nur ins Gefängnis.«
»Sehr richtig!« sagte der Schutzmann beifällig. »Hören Sie darauf, was das Mädel sagt!«
»Das ist meine Frau, und ich muss bitten, dass du ordentlich von ihr redest«, sagte Billy drohend. »Aber jetzt mach lieber, dass du wegkommst, sonst hast du es zu bereuen.«
»Ich bin früher schon mit Leuten deines Schlages fertig geworden«, antwortete der Schutzmann. »Und ich habe meinen kleinen Assistenten bei mir. Kannst du sehen?«
Der Lichtstrahl bewegte sich, und sie sahen eine Hand mit einem Revolver, unheimlich stark beleuchtet, aus der Dunkelheit herausragen. Diese Hand war gleichsam etwas für sich, etwas, das kraft seiner selbst existierte und nicht zu einem bestimmten Körper gehörte, und sie tauchte auf und verschwand wieder wie ein Geist, als der Daumen den Knopf losließ. Einen Augenblick starrten sie auf die Hand mit dem Revolver, im nächsten Augenblick herrschte undurchdringliches Dunkel, und dann sahen sie wieder die Hand und den Revolver.
»Nun, ich denke, ihr macht diesmal keine Schwierigkeiten mehr«, sagte der Schutzmann triumphierend.
»Da denkst du falsch«, begann Billy.
Im nächsten Augenblick ging das Licht aus. Sie hörten den Schutzmann eine schnelle Bewegung machen und dann die elektrische Lampe dumpf zu Boden fallen. Sowohl Billy wie der Schutzmann suchten nach ihr, aber Billy war es, der sie fand, und den Lichtstrahl auf den anderen richtete. Sie sahen einen graubärtigen, in triefend nasses Ölzeug gekleideten Mann. Es war ein alter Mann, der Saxon an die alten Männer erinnerte, die sie am dreißigsten Mai in den Veteranenprozessionen gesehen hatte.
»Gib mir meine Lampe!« befahl er.
Billy lachte höhnisch.
»Ja, dann muss ich dir eine Kugel in den Leib schießen, weiß Gott, ich muss!«
Er richtete den Revolver auf Billy, dessen Daumen nicht einen Augenblick den Knopf losließ, und sie konnten im Schein der Laterne in den Revolverlauf hineinsehen.
»Du altes bärtiges Gestell, du hast ja nicht einmal so viel Mut, einen sauern Apfel zu schießen!« antwortete Billy. »Ich kenne Leute deines Schlages – tapfer wie Löwen, wenn ihr elenden Feiglingen und Vagabunden gegenübersteht, aber vorsichtig wie Schakale, wenn ihr einen Mann trefft. Auf mich schießen! Du elendes feiges Stück Dreck, du nimmst den Schwanz zwischen die Beine, wenn ich nur Buh sage!«
Billy ließ die Tat dem Worte folgen und stieß ein Buh aus, und Saxon musste unwillkürlich lachen, als sie den Schutzmann zusammenfahren sah.
»Ich sage es jetzt zum letztenmal«, fauchte der mit zusammengebissenen Zähnen. »Gib mir die Lampe und kommt mit, ohne weitere Schwierigkeiten zu machen – sonst knalle ich dich nieder.«
Saxon fürchtete für Billy, aber doch nur halb. Sie glaubte fest, dass der Mann nicht zu schießen wagte, und wie so oft zuvor wurde sie beim Anblick von Billys Mut von Bewunderung durchbebt. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, wusste aber so sicher, wie wenn sie es gesehen hätte, dass es denselben leidenschaftslosen, erschreckenden Ausdruck hatte, den es gehabt hatte, als er sich mit den drei Irländern schlug.
»Es ist nicht das erstemal, dass ich einen Menschen töte«, sagte der Schutzmann drohend. »Ich bin ein alter Soldat, und ich kann sehr gut Blut sehen –«
»Und Sie sollten sich schämen«, fiel Saxon ihm ins Wort, »herzukommen und mit friedlichen Leuten anzubinden, die Ihnen nichts getan haben.«
»Ihr dürft hier nicht schlafen«, verteidigte er sich. »Das gehört euch hier nicht. Es ist ungesetzlich. Und Leute, die gegen das Gesetz verstoßen, kommen ins Gefängnis, und das werdet ihr beiden auch. Ich habe schon vielen Vagabunden einen ganzen Monat Gefängnis verschafft, nur weil sie in diesem Schuppen geschlafen haben. Ja, es ist eine richtige Falle! Ich habe eure Gesichter gesehen und weiß, dass ihr gefährliche Individuen seid.« Er wandte sich zu Billy. »So, jetzt genug mit den Dummheiten. Wollt ihr euch ergeben und ohne Lärm mitkommen?«
»Jetzt will ich dir etwas sagen, du alter Affe«, antwortete Billy. »Erstens kriegst du uns nicht. Zweitens werden wir heute Nacht hier schlafen.«
»Gib mir die Lampe!« befahl der Schutzmann.
»Halt das Maul, alter Graubart! Und mach jetzt, dass du wegkommst – nimm dir ein Billet. Deine Lampe kannst du dir draußen im Dreck suchen.«
Billy bewegte den Lichtstrahl, bis er auf die Türöffnung fiel, dann schleuderte er die Lampe hinaus. Jetzt war es vollkommen dunkel, und sie konnten ihren zudringlichen Gast vor Wut mit den Zähnen knirschen hören.
»Ja, jetzt kannst du versuchen zu schießen – dann sollst du etwas erleben«, sagte Billy drohend.
Saxon tastete nach Billys Hand, erwischte sie und drückte sie stolz. Der Schutzmann murmelte eine Drohung.
»Was?« fragte Billy scharf. »Bist du noch nicht weg? Jetzt hör mich an, alter Graubart! Jetzt hab ich mir so viel von dir gefallen lassen, wie ich gesonnen bin. Jetzt machst du, dass du wegkommst – sonst helf ich dir auf die Beine. Und wenn du uns hier weitere Scherereien machst, dann kriegst du was. Hinaus mit dir!«
Das Brüllen des Sturmes war so ohrenbetäubend, dass sie nichts hören konnten. Billy drehte sich eine Zigarette. Als er sie anzündete, war die Scheune leer. Billy lachte.
»Weißt du, ich wurde so wütend, dass ich meinen schlechten Finger ganz vergaß. Aber jetzt meldet er sich wieder.«
Saxon brachte ihn dazu, sich hinzulegen, und strich ihm wieder über die Stirn, um ihn zu beruhigen.
»Es ist nicht daran zu denken, dass wir vor morgen früh hier wegkommen«, sagte sie. »Aber sobald es hell wird, fahren wir mit der Straßenbahn nach San José, mieten uns ein Zimmer, frühstücken etwas Warmes und gehen