Gesammelte Werke. Джек Лондон
nie erzählt, aber ich habe einmal nach meiner Entlassung mit ihm darüber gesprochen, als meine Arme heilten. Ich ging in den Lokomotivschuppen, lauerte ihm auf und bat ihn dann um Entschuldigung. Warum ich ihn um Entschuldigung bat? Das weiß ich nicht – wohl aus demselben Grunde, aus dem ich ihn verprügelte – ich konnte es nicht lassen.«
Und so erklärte Billy auf seine eigene, realistische Art das Gesetz von Ursache und Wirkung am Ufer des Umpquas, während Possum es auf ähnliche Art mit gierigen Zähnen an seinem Knochen darlegte.
*
Possum neben sich auf dem Bock, fuhr Saxon in die Stadt Roseburg ein. Sie fuhr im Schritt, und hinten am Wagen waren zwei schwere junge Arbeitspferde angebunden. Dahinter gingen sechs andere, jedoch frei, ohne angebunden zu sein, und den Nachtrab bildete Billy, der ein neuntes Pferd ritt. All diese Tiere schickte er von Roseburg nach den Ställen in West-Oakland.
Im Umpquatal hörten sie das Gleichnis von dem weißen Sperling. Der Bauer, der es ihnen erzählte, war ein älterer, wohlhabender Mann. Sein Hof war ein Muster an Ordnung und System. Später hörte Billy von den Nachbarn, dass man sein Vermögen auf eine Viertelmillion veranschlagte.
»Haben Sie die Geschichte von dem Bauern und dem weißen Sperling gehört?« fragte er Billy beim Mittagessen.
»Nein, ich habe nicht einmal je von einem weißen Sperling gehört«, antwortete Billy.
»Ja, die sind natürlich auch ziemlich selten«, gab der Bauer zu. »Aber hören Sie die Geschichte: Es war einmal ein Bauer, der kein rechtes Glück hatte. Nichts ging, wie es sollte, bis er schließlich eines Tages von dem wunderbaren weißen Sperling hörte. Es scheint, dass der weiße Sperling sich nur bei Tagesanbruch zeigt, und dass er dem Bauern, der ihn zu fangen vermag, großes Glück bringt. Am Tage darauf war unser Freund, der Bauer, bei Tagesanbruch, ja, noch etwas früher auf, um sich nach ihm umzusehen. Und wissen Sie – viele Monate suchte er nach ihm, aber nie sah er eine Spur.« Der alte Bauer schüttelte den Kopf. »Nein, er fand ihn nie, aber er fand vieles rings auf dem Hofe, das getan werden musste, und er tat alles vor dem Frühstück, und ehe er sich umsah, war der Hof gut im Gange, und es dauerte nicht lange, so hatte er die Hypothek ausbezahlt und besaß ein Bankkonto.«
An diesem Nachmittag fuhr Billy in tiefe Gedanken versunken weiter.
»Ich habe den Wink wohl verstanden«, sagte er schließlich, »aber es befriedigt mich doch nicht ganz. Natürlich gab es keinen weißen Sperling, aber weil er frühmorgens aufstand, konnte er eine Menge Dinge verrichten, die er vernachlässigt hatte – ja, das verstehe ich schon. Und doch, Saxon, wenn das das Leben ist, das ein Bauer leben muss, dann mache ich mir nichts daraus, das Mondtal zu finden. Das Leben ist nicht lauter schwere Arbeit. Von morgens bis abends nur Mühe und Arbeit, dann könnte man ja ebenso gut in der Stadt bleiben. Was ist der Unterschied? Alle Zeit, die man zur Verfügung hat, muss man zum Schlafen gebrauchen, und wenn man schläft, hat man doch kein Vergnügen davon. Und wo man schläft, ist schließlich einerlei – man ist einfach tot. Man könnte ebenso gut ganz tot sein, wie sich auf die Art totarbeiten. Lieber wandere ich weiter, schieße einen Hirsch oder fange eine Forelle, wie es sich trifft, und liege auf dem Rücken im Schatten eines Baumes, lache und spaße mit dir und – gehe schwimmen. Nicht, dass ich nichts tun wollte. Aber es ist ein verdammter Unterschied, ob man ein vernünftiges Maß von Arbeit leistet oder sich zu Tode rackert.«
Saxon war vollkommen einig mit ihm. Sie sah auf ihre vielen Jahre voll Mühe und Arbeit zurück und verglich sie mit dem frohen Leben, das sie seit Beginn ihrer Wanderung geführt hatten.
»Wir wollen ja gar nicht reich sein«, sagte sie. »Lass sie auf den Sacramentoinseln und rings in den überrieselten Tälern nach ihrem weißen Sperling jagen. Wenn wir im Mondtal früh aufstehen, dann soll es sein, um die Vögel singen zu hören und mit ihnen zu singen. Und wenn wir manchmal schwer arbeiten, dann wollen wir es nur tun, um mehr Zeit zum Spielen zu haben. Und wenn du schwimmen willst, so gehe ich mit dir. Und wir wollen so viel spielen, dass die Arbeit uns froh macht – wie eine Art Zerstreuung.«
»Ich bin bald so ausgedörrt, dass ich nicht mehr kann«, teilte Billy ihr mit und wischte sich den Schweiß von der sonnenverbrannten Stirn. »Was meinst du dazu, wenn wir nach der Küste fahren?«
So bogen sie denn nach Westen ab und fuhren durch wilde, bergige Schluchten von dem Hochland, das die Talstrecke im Innern bildete, hinab. Der Weg war so schlecht, dass sie auf einer Strecke von sieben englischen Meilen zehn Automobilen begegneten, die festgefahren waren und nicht weiter konnten. Billy wollte die Tiere schonen, und so ließen sie sich denn am Ufer eines rauschenden Wasserlaufes nieder, wo sie zwei Forellen auf einmal fingen. Hier fing Saxon auch ihre erste große Forelle. Das Kreischen der Winde, als der große Fisch anbiss, ließ sie einen erstaunten kleinen Schrei ausstoßen. Billy kam zu ihr, um ihr gute Ratschläge zu erteilen, und einige Minuten darauf zog Saxon mit flammenden Wangen und mit Augen, die vor Eifer leuchteten, vorsichtig den großen Fisch aus dem Wasser auf den trockenen Sand. Hier riss er sich vom Haken los und schlug furchtbar um sich, bis sie sich auf ihn stürzte und ihn mit ihren Händen fing.
»Sechzehn Zoll!« sagte Billy, als sie ihn stolz hochhielt, damit er ihn bewundern konnte. »Hallo, was willst du jetzt tun?«
»Natürlich den Sand abwaschen.«
»Leg sie lieber in den Korb«, riet er, dann aber schwieg er und beobachtete ihre Bewegungen mit tiefem Ernst.
Sie beugte sich über das Wasser und tauchte den prachtvollen Fisch hinein. Er schlug um sich; sie griff krampfhaft nach ihm, und fort war er.
»Ach!« rief Saxon unglücklich.
»Wer findet, halte fest, was er gefunden«, zitierte Billy.
»Mir ist es gleich«, antwortete sie. »Er war jedenfalls größer als alle, die du je gefangen hast.«
»Oh, ich leugne gar nicht, dass du tüchtig im Fischen bist«, sagte er langsam. »Mich hast du ja auch gefischt, nicht wahr?«
»Das weiß ich nun nicht«, antwortete sie schnell. »Vielleicht ist das wie die Geschichte von dem Mann, der verhaftet wurde, weil er in der Schonzeit Forellen fing. Er entschuldigte sich damit, dass es Notwehr gewesen sei.«
Billy dachte lange nach, verstand sie aber noch nicht.
»Die Forelle hatte ihn angegriffen«, erklärte sie.
Billy grinste. Nach einer Viertelstunde sagte er: »Da hast du es mir tüchtig gegeben!«
*
Der Himmel hatte sich bezogen, und als sie am Ufer des Coquilles entlang fuhren, senkte sich plötzlich Nebel auf sie herab.
»Oha!« rief Billy begeistert.