Gesammelte Werke. Джек Лондон

Gesammelte Werke - Джек Лондон


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Ge­fahr, so­viel Kampf, so­viel Verzweif­lung an ei­nem Tag!«

      »Das war ein herr­li­cher Tag!« ant­wor­te­te Fro­na. »Aber mor­gen … Erst mor­gen wer­den wir un­se­re Kraft wirk­lich brau­chen. Mor­gen früh be­ginnt der Schick­sals­tag.«

      »Ich ste­he zu euch«, ver­sprach Cor­liss. »Ich wün­sche die­sem Bur­schen, der mir Ihr Herz ge­stoh­len hat, nichts Gu­tes. Aber bis er von die­sem Ver­dacht ge­rei­nigt ist, bis er frei ist, so lan­ge will ich al­les ver­ges­sen. Und ich bin auch stark ge­nug, wirk­lich al­les zu ver­ges­sen. Wenn ich nicht Angst vor großen Wor­ten hät­te, wür­de ich sa­gen: ich ste­he zu euch bis zum Tod! Und dar­auf könn­ten Sie sich ver­las­sen.«

      »Wie Sie sind, Van­ce! Ich kann es Ih­nen nie ver­gel­ten!«

      »Ver­gel­ten? Lie­be kann man nicht ver­gel­ten. Lie­ben heißt: die­nen. So ver­ste­he ich es.«

      Bei die­sen Wor­ten schoss Fro­na al­les durch den Kopf, was sie mit Van­ce er­lebt, was sie von ihm er­fah­ren, und je­des Wort, das sie von ihm ge­hört hat­te.

      »Wir müs­sen so ech­te, so gute Freun­de sein und im­mer blei­ben, Van­ce, dass nie wie­der ein falscher Ge­dan­ke zwi­schen uns tre­ten kann. Es gibt dum­me Men­schen, die nicht glau­ben wol­len, dass es Freund­schaft zwi­schen Mann und Frau gibt. Aber wie ich Sie lie­be, wie ich Sie ver­eh­re, als Ka­me­ra­den, als Mann, als Freund, da­von wis­sen die­se Men­schen nichts!«

      »Ka­me­rad­schaft?« frag­te er. »Jetzt sind Sie grau­sam, Fro­na. Denn Sie wis­sen doch, – dass ich Sie – lie­be?«

      »Ja«, sag­te sie lei­se.

      *

      Sie wa­ren ei­gent­lich zum Ster­ben müde, Fro­na und Cor­liss; sie hat­ten an ei­nem Tag er­lebt, was den In­halt ei­nes Jah­res bil­den konn­te. Mit ih­ren Mus­keln wie mit ih­rem Hirn, mit ih­ren Ar­men wie mit ih­rem Her­zen hat­te die jun­ge Fro­na bis zur Verzweif­lung ge­run­gen und ge­kämpft, fast ohne Pau­se, mit we­nig Schlaf, mit we­nig Nah­rung. Aber in tiefer Nacht rief sie noch die Ver­trau­ten zu­sam­men, ent­warf ih­ren Kriegs­plan für den nächs­ten Tag und wies je­dem sei­ne Rol­le zu. Wenn der Ge­richts­hof ein ge­rech­tes Ur­teil sprach, war al­les gut. Fäll­te er einen Fehl­spruch, dann galt Ge­walt ge­gen Jus­tiz­mord und Flucht ge­gen un­ge­rech­te Ver­fol­gung.

      »Es ist aben­teu­er­lich, mein Kind, viel­leicht ist es Wahn­sinn«, ur­teil­te Ja­cob Wel­se. »Aber für den Au­gen­blick schaf­fen wir dem ar­men Bur­schen Luft. Ich glau­be auch, dass es ge­lin­gen wird. Wir wer­den da­für sor­gen, dass er dann vor ein wirk­li­ches Ge­richt kommt, denn die Ge­rech­tig­keit darf nicht be­tro­gen wer­den. Die Leu­te hier im Wald sol­len nicht glau­ben, dass sie au­ßer­halb des Ge­set­zes ste­hen.«

      »Eine ’err­li­cke Staats­coup«, frohlock­te der Baron, »’err­lick! ’err­lick! ’Än­de och! Ick wer­den ru­fen – Sk­recker­lick streng! Und fürk­ter­lick.«

      »Aber wenn sie die Hän­de nicht hoch he­ben –?« frag­te Ja­cob Wel­se.

      »Dann schie­ßen Sie, Cour­ber­tin!« rief Fro­na, hun­dert­pro­zen­tig ent­schlos­sen. »Man darf nicht bluf­fen, wenn man ein Le­ben zu ret­ten hat.«

      »Ick ssie­ßen, Ma­de­moi­sel­le! Ick ssie­ßen und tref­fen!«

      »Und Sie ste­hen mit dem Boot be­reit, Van­ce! Sie war­ten den gan­zen Tag, wir wer­den Ih­nen kei­ne Bot­schaft ge­ben kön­nen. Wenn Gre­go­ry an­ge­stürzt kommt, springt er zu Ih­nen ins Boot, und dann fort mit ihm, nach Daw­son!«

      Dann sack­te sie ab, sie fiel vom Stuhl und blieb, ohne De­cken, ohne Kis­sen, steif auf dem Bo­den lie­gen. Die Mü­dig­keit hat­te sie plötz­lich über­fal­len wie ein feind­li­cher Rie­se, sie konn­te sich nicht weh­ren.

      *

      Ja­cob Wel­se wur­de von den Gold­grä­bern mit al­ler Hochach­tung emp­fan­gen, an die er ge­wöhnt war, und als er das Wort er­griff, herrsch­te tie­fes Schwei­gen im Saa­le.

      »Mei­ne Her­ren«, ver­kün­de­te er. »Die­se Ver­samm­lung ist wi­der das Ge­setz, und was Sie be­schlie­ßen wol­len, kann nie­mals ein Rich­ter­spruch sein. Es hat Zei­ten ge­ge­ben, in de­nen dies Land ohne Re­gie­rung war und ohne Ge­set­ze, und da­mals hat­ten wir das Recht, ja so­gar die Pf­licht, Übel­tä­ter aus un­se­ren Rei­hen zu sto­ßen oder selbst Ge­richt über sie zu hal­ten. Heu­te aber ha­ben wir eine Re­gie­rung. Die­ser Mann ge­hört vor die Rich­ter, die das Ge­setz ihm zu­weist, und wenn Sie ihn ver­ur­tei­len, wenn Sie ihn hin­rich­ten, be­ge­hen Sie ein Ver­bre­chen, das man als Mord be­zeich­nen wird. Ich – und mir wer­den Sie glau­ben, dass mei­ne Wor­te kein lee­rer Klang sind –, ich selbst wer­de der ers­te sein, der je­den, der sich hier das Amt ei­nes Rich­ters an­maßt oder gar das Amt ei­nes Scharf­rich­ters an­ma­ßen möch­te, der Stra­fe zu­füh­ren wird, die er ver­dient. Der An­ge­schul­dig­te ist in Haft zu neh­men … so weit reicht un­se­re Be­fug­nis. Er ist in Haft zu hal­ten, bis der Staat sich sei­ner be­mäch­tigt. Ich habe ge­spro­chen.«

      »Ich be­an­tra­ge Ab­stim­mung über den An­trag des Herrn Ja­cob Wel­se«, sag­te der Vor­sit­zen­de, ohne selbst Stel­lung zu neh­men.

      »Das war kein An­trag, über den Sie ab­zu­stim­men ha­ben!« un­ter­brach Wel­se mit furcht­ba­rem Ernst. »Sie ha­ben die Ver­hand­lung auf­zu­he­ben und die­ses rechts­bre­che­ri­sche Ver­fah­ren zu schlie­ßen!«

      »Sie ha­ben ge­spro­chen, Herr Wel­se. Jetzt spre­chen wir!«

      Da­mit hat­te der Vor­sit­zen­de sei­ne ei­ge­ne Stel­lung ge­kenn­zeich­net, und im Au­gen­blick wur­de die Fra­ge ent­schie­den. Alle Hän­de flo­gen em­por, als er die Ver­samm­lung frag­te, ob sie sich be­fugt glau­be, ein Ur­teil zu fäl­len. Mit al­len Stim­men war Wel­ses An­trag ab­ge­lehnt.

      »Du siehst, ich bin ver­lo­ren«, flüs­ter­te St. Vin­cent Fro­na zu. »Für mich gibt es kei­ne Hoff­nung …«

      Aber Wel­se riss zum zwei­ten Mal das Wort an sich und don­ner­te den Leu­ten zu, was er auf dem Her­zen hat­te: dass Lyn­ch­ge­richt mit dem Tode be­straft wür­de, dass ein un­ge­heu­rer Pro­zess und maß­lo­se Ka­ta­stro­phen über die Be­tei­lig­ten her­ein­bre­chen wür­den … Schre­cken über Schre­cken, wie Klon­di­ke sie noch nicht er­lebt hat­te. Er fand ei­ni­ge An­hän­ger, aus der Ver­hand­lung wur­de ein Cha­os wild dis­ku­tie­ren­der und dro­hen­der Men­schen, und in die­sem To­hu­wa­bo­hu von Stim­men ge­lang es Fro­na, ih­rem Schütz­ling mit­zu­tei­len, was sie sich am Abend zu­vor zu sei­ner Ret­tung aus­ge­dacht hat­te.

      »Sie wer­den alle ›Hän­de hoch‹ ma­chen, wenn sie auf ein­mal in drei Re­vol­ver­mün­dun­gen se­hen! In die­sem Au­gen­blick kannst du flie­hen. Das Boot liegt be­reit … küm­me­re dich nicht um uns, nicht um mei­nen Va­ter, nicht um mich, Vin­cent! Sie wer­den die Hand nicht an uns le­gen! Und selbst wenn! In die­ser Stun­de bist du dir selbst der Nächs­te …«

      »Das ist Wahn­sinn«, hauch­te er, grau das Ge­sicht und mit ge­sträub­tem Haar.

      »Aber es ist doch kei­ne an­de­re Ret­tung für dich!«

      »Ich kann nicht, Fro­na.«

      »Kämp­fen sollst du, für dein Le­ben kämp­fen!«

      »Lass mich, lass mich.«

      Die nächs­ten Zeu­gen, zwei Schwe­den,


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