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und sah scheinbar teilnahmlos Jacob Welse an. Aber sein Fuß regte sich nicht. Es entstand zwischen diesem eisenharten, unbeweglichen Männerbein und Fronas wütenden Händen eine Art stillen Ringens, und Jacob Welse, der nicht begriff, warum Gregory noch immer dort saß, verlor auf eine Sekunde die Aufmerksamkeit. Einen Blick wandte er von der Menge ab, die er schon minutenlang wie ein Tierbändiger im Zaum hielt, nur einen Atemzug lang war sein Revolver nicht mehr im Anschlag, und dieser Augenblick entschied alles.
Aus hochgehobener Hand sauste der Hammer des Vorsitzenden gegen Welses Schädel, mit sicherstem Schwung geworfen. Der alte Welse reckte sich, Frona stieß einen gellenden Schrei aus, Jacob Welse brach zusammen und lag jetzt zu Füßen der Masse, die er gezähmt hatte. Im Fall ging sein Revolver los, der Schwede John stieß ein Gebrüll aus: »Mein Bein! Mein Knie!«, und in diesem Augenblick versagten auch Courbertins Nerven. Im Handumdrehen war er übermannt. Es waren Del Bishops Tatzen, die ihn gepackt hatten, und aus denen gab es kein Entrinnen. La Flitche griff nach Frona, sein Griff war nicht hart, aber unwiderstehlich. Er nahm sie in seine Indianerarme wie ein Liebender, in diese geschmeidigen, sehnigen Arme, und damit war ihr letzter Mut gebrochen.
Der Vorsitzende donnerte mit der Faust auf den Tisch und beendete den unterbrochenen Satz: »Wer ihn für schuldig hält, der hebe die rechte Hand!« Gleich darauf verkündete er: »Schuldig mit allen Stimmen!«
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Am nächsten Morgen sollte das Urteil vollstreckt werden. In dieser Nacht war das letzte Eis getaut. Jetzt lag die Fläche des Yukon sonnenüberspült da, wie die ebene Fläche eines großen, friedlichen Sees, die kleinen Kanälchen zwischen den »Split-up-Island« blinkten grün und plätscherten mit ihren Wellen gegen die von Blumen übersäten Gestade. Nahe dem Strand war ein Baum zum Galgen hergerichtet; an einem zwei Meter hohen Ast baumelte die Schlinge, und darunter stand ein leeres Fass. Mehr war nicht nötig, um einen Mann, der sich gegen die Landesgesetze der Kameradschaft vergangen hatte, vom Leben zum Tode zu befördern.
Ein Goldgräber, der vor langen Jahren als Indianermissionar ins Land gekommen war und nebenamtlich als Seelsorger diente, wenn eine Hochzeit oder eine Taufe zu vollziehen war, hatte die Nacht mit St. Vincent verbracht. Frona hatte nur die eine Hoffnung, Gregory würde tapferer sterben, als er gelebt hatte. Dann wollte sie verzeihen, dass er sie so tief enttäuscht hatte, wie ein Geliebter das Herz einer Liebenden nur enttäuschen kann. Dann, glaubte sie, würden die Male seiner Küsse nicht mehr wie Schandmale auf ihren Lippen brennen, und sie würde sich einst nicht schämen, wenn man sie nach der einen, großen, brennenden Liebe ihrer Jugend fragte.
Vincent enttäuschte sie auch diesmal.
Wie er die Nacht verbracht hatte, danach zu fragen, wagte sie nicht. Aber was da an der Richtstätte erschien, nicht am Arm des Missionars schreitend, sondern von vier handfesten Männern gezerrt und geschleppt, war nicht der Mann, dem sie vor wenigen Tagen noch durch Himmel und Hölle gefolgt wäre. Es war ein schlotterndes, knochenloses Etwas, wimmernd und willenlos.
Um den Galgen hatte sich in weitem Kreis die ganze Goldgräbergemeinschaft versammelt, alle vierzig Männer, die gestern als Geschworene amtiert hatten, der Richter, der Ankläger, Jacob Welse, dessen verbundenes Haupt tiefer als tags zuvor ergraut schien.
»Ehe wir dir die Schlinge um den Hals legen und dich an diesem Baume hängen lassen, bis das Leben aus dir gewichen ist, darfst du noch einmal zu uns sprechen, Gregory St. Vincent!« verkündete der Richter.
»Sag nichts! Bettle nicht um dein Leben!« flüsterte Frona dem Delinquenten zu. Er lag unter dem Galgen wie leblos, auf ihren Knien lag sie neben ihm. »Sei tapfer! Das Leben ist nichts, nur Mut gilt!«
Aber bei dem Gedanken, noch einmal sprechen, noch einen Versuch der Verteidigung machen zu dürfen, erkannte der im Innersten Zerbrochene plötzlich, dass das Leben immer noch lockte, dass er unter dieser lachenden Sonne und beim Zwitschern der Rotkehlchen, mitten in diesem Frühlingsgrün nicht sterben konnte. Durch alle Poren drang ihm die Ahnung, dass nichts vorbei war, solange man atmete, und wenn er je in seinem Leben tapfer gewesen, dann wurde er es in dieser Minute.
Er richtete sich auf. In sein schneeweißes Gesicht trat wieder eine Spur von Farbe. Jetzt kauerte er wie ein zu schwer beladenes Lasttier auf allen vieren, jetzt kam er auf die Knie und stützte sich mit beiden Armen auf das Fass, das sein Schafott werden sollte.
Anfangs tat er nur den Mund auf, mit verzerrten Lippen, aber kein Ton wollte sich in seiner Kehle bilden. Dann wurde aus dem unartikulierten Keuchen und Heulen eine menschliche Stimme, er formte Worte, und plötzlich stand er aufrecht, nur noch auf die Schultern des Missionars gestützt, und sprach: Worte, richtige Sätze … So gewaltig war sein Wille zum Leben, dass er, die grausige Angst im Genick, dennoch imstande war, ein Bekenntnis zu formen und eine Rede zu halten.
»Ich will mich nicht schonen, ihr Männer!« sagte er. »Ich will alles bekennen, die ganze Wahrheit. Ich bin ein Feigling gewesen, ich habe gelogen, aber auf Feigheit und Lüge steht auch nach euren Gesetzen nicht der Tod. Es sind nicht zwei Männer in John Borgs Hütte gekommen in jener Nacht, es war nur ein Mann.
Borg hatte ihn immer erwartet.
Jede Nacht band er an seine Tür einen Blecheimer. Den nannte er die Mörderfalle. Wenn ein Fremder von außen in die Hütte eintreten wollte, musste er den Alarm auslösen. Borg schlief immer mit dem Revolver im Gürtel. Aber in seiner letzten Nacht hatte er zu viel Whisky getrunken, denn in seiner steten Angst vor Verfolgern musste er manchmal Betäubung suchen. Ich wachte auf von leisen Schritten, die um die Hütte schlichen, aber er schnarchte tief. Die Lampe war tief herabgeschraubt. Ich sah Bella an der Türe hantieren; sie hatte den Blecheimer geräuschlos heruntergeholt und beiseitegestellt. Ganz leise ging die Türe auf, und ein Mensch schlich herein. Er kam der Lampe nahe, ich sah sein Gesicht. Es war ein Indianer, und ich werde sein Gesicht nie vergessen. Quer über seiner Stirn, in der Höhe der Augenbrauen, trug er eine breite, furchtbare, rote Narbe.
Und wenn ihr mir dreitausend Indianer vorführt, werde ich diesen Mann auf den ersten Blick erkennen!«
»Und was tatest du?«
»Ich tat nichts. Ich lag in meine Decken gewickelt und tat nichts.«
»War der Mann bewaffnet?«
»Er trug ein breites Messer in der Hand und schritt geräuschlos auf Borgs Lager zu. Bella stand da und wies ihm den Weg. Es war kein Zweifel, dass die beiden Mord planten.«
»Und du tatest nichts?«
»Seid doch nicht so sinnlos grausam in euren Fragen!« heulte Gregory.