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sage, so weiß ich nicht, ob es dir gefallen wird.«
»Nur los«, drang er in sie. »Du kannst nichts sagen, was mir nicht gefiele.«
»Nun ja, drüben an der Hecke steht Mohn, den ich gern pflücken möchte.«
»Ich lasse dich gleich los«, lachte er. »Aber ich will dir etwas sagen – du musst ›Wenn die Tage des Herbstes vorbei‹ singen und mich dabei den anderen deiner kühlen Arme halten lassen, und dann fahren wir.«
Als sie das Lied gesungen hatte, befreite sie ihren Arm und erhob sich.
Die Sonne ging schon unter, als sie in einem großen Bogen nach Osten und Süden die Wasserscheide der Contra-Costa-Berge erreichten und den langen Hügel, der an Redwood Peak vorbei nach Fruitvale führte, hinabzufahren begannen. Unter ihnen glitt die flache Küste in die Bucht hinaus, wie ein Schachbrett in Felder und Städte eingeteilt – Elmhurst, San Leandro und Haywards. Der Rauch von Oakland verschleierte den westlichen Horizont wie ein dunkler Nebel, und auf der anderen Seite der Bucht sahen sie San Franzisko.
Die Dunkelheit senkte sich auf sie herab, und Billy war so merkwürdig schweigsam. In der letzten halben Stunde hatte er anscheinend ihre Existenz ganz vergessen, nur dass er einmal sie und sich zum Schutz gegen den kalten Abendwind fester in die Decke wickelte. Saxon saß eng neben ihm. Die Wärme ihrer Körper vermischte sich, und ein inniges Gefühl von Ruhe und Freude überkam sie.
»Hör mal, Saxon«, begann er plötzlich. »Es hat keinen Zweck, dass ich länger schweige. Ich hab es den ganzen Tag auf den Lippen gehabt – seit dem Frühstück. Was meinst du dazu, mich zu heiraten?«
Sie wusste – und es war Sicherheit und Freude in dem Gefühl –, dass es sein Ernst war. Instinktiv aber fühlte sie den Drang, ihn zurückzuhalten, ihn ein wenig zu quälen, sich kostbar und dadurch noch begehrenswerter zu machen, ehe sie nachgab. Außerdem waren ihr Feingefühl und ihr weiblicher Stolz ein wenig verletzt. Billys Draufgängertum war beinahe abstoßend. Aber doch sehnte sie sich wieder schrecklich nach ihm – wie sehr, wusste sie erst jetzt.
»Nun, so sag doch etwas, Saxon. Lass es mich wissen, gut oder böse. Aber lass es mich wissen. Und noch eins. Denk daran, dass ich dich liebe. Bei Gott, ich liebe dich ganz wahnsinnig, Saxon. Natürlich, das muss ich ja, wenn ich dich frage, ob du mich heiraten willst; denn das habe ich noch nie ein Mädchen gefragt.«
Wieder trat Schweigen ein, und Saxon fühlte, wie ihre Gedanken um den warmen, zitternden Körper unter der Decke zu kreisen begannen. Als sie merkte, wo diese Gedanken sie hinführen wollten, wurde sie in der Dunkelheit glühend rot.
»Wie alt bist du, Billy?« fragte sie so unerwartet, dass er jetzt ebenso verblüfft war, wie sie bei seinen ersten Worten gewesen.
»Zweiundzwanzig«, antwortete er.
»Ich bin vierundzwanzig.«
»Als ob ich das nicht wüsste! Wenn ich weiß, wie alt du warst, als du das Waisenhaus verließest, und wie lange du in der Jutefabrik, in der Konservenfabrik, in der Kartonagenfabrik und in der Plätterei arbeitetest, glaubst du, ich könnte das nicht zusammenrechnen? Ich wusste dein Alter bis auf deinen Geburtstag genau.«
»Das ändert nichts an der Tatsache, dass ich zwei Jahre älter bin.«
»Und wenn schon? Wenn das etwas zu bedeuten hätte, so würde ich dich nicht lieben, nicht wahr? Deine Mutter hatte recht. Liebe ist alles. Nur darauf kommt es an. Kannst du das nicht einsehen? Ich liebe dich, und ich muss dich haben. Das ist doch so natürlich, sollte ich meinen. Es gibt keine andere Möglichkeit, Saxon, ich muss dich haben, und Gott weiß, mein innigster Wunsch ist, dass auch du mich haben möchtest. Mag sein, dass meine Hände nicht so weich sind wie die des Buchhalters und die des Kommis, aber sie können für dich arbeiten und sich für dich schlagen wie der Teufel, und, Saxon, sie können dich lieben.«
Der instinktive Trieb, sich zu wehren, den sie bisher stets Männern gegenüber gefühlt hatte, schien diesmal verschwunden zu sein. Dies war kein Kampf. Es war, worauf sie gewartet, wovon sie geträumt hatte. Billy gegenüber war sie wehrlos. Sie konnte ihm nichts abschlagen. Und aus diesem großen Gefühl erwuchs ein anderes, das noch größer war – er war nicht so.
Sie sagte nichts. Aber während ihr eine Flamme durch Leib und Seele schoss, legte sie ihre Hand auf seine Linke und versuchte, sie von den Zügeln fortzuziehen. Er verstand das nicht; als sie aber nicht losließ, legte er die Zügel in die rechte Hand und ließ ihr mit der anderen ihren Willen. Sie beugte sich darüber und küsste die harte Haut in seiner Kutscherfaust.
Einen Augenblick saß er wie vom Himmel gefallen da. »Ist das wahr?« stammelte er.
Statt zu antworten, küsste sie zum zweiten Mal seine Hand und murmelte:
»Ich liebe deine Hände, Billy. In meinen Augen sind es die schönsten Hände der Welt, und ich brauchte viele Stunden, um dir alles zu sagen, was sie mir bedeuten.«
»Prrr!« sagte er zu den Pferden.
Er brachte sie zum Stehen, sprach ihnen beruhigend zu und befestigte die Zügel am Peitschenstiel. Dann wandte er sich zu ihr, umschlang sie mit den Armen und drückte seine Lippen auf die ihren.
»Ach, Billy, ich will dir eine gute Frau sein«, schluchzte sie, als er sie losließ.
Er küsste ihre nassen Augen und fand ihre Lippen wieder.
»Jetzt weißt du, woran ich dachte, und warum ich so schwitzte beim Lunch. Ich konnte es nicht länger aushalten, ich musste es dir sagen. Du weißt ja, dass du mir vom ersten Augenblick an gefielst.«
»Und ich glaube, ich habe dich auch vom ersten Tage an geliebt, Billy. Ich war den ganzen Tag so stolz auf dich, denn du warst so gut, rücksichtsvoll und so stark, und alle Männer hatten solchen Respekt vor dir, und die Mädchen waren in dich verliebt. Einen Mann, auf den ich nicht stolz wäre, könnte ich weder lieben noch heiraten. Und ich bin so stolz auf dich, ach, so stolz.«
»Nicht halb so stolz, wie ich es selber jetzt auf mich bin«, antwortete er, »und zwar, weil ich dich gewonnen habe. Das ist alles zu schön, um wahr zu sein, und in zwei Minuten wird vielleicht der Wecker rasseln und mich wecken. Nun, selbst wenn es so ist, so will ich doch jedenfalls so viel wie möglich von diesen beiden Minuten haben.«
Er schloss sie in seine Arme und presste sie so an sich, dass es fast schmerzte. Nach einer kleinen Weile, die für sie wie eine ewige Seligkeit war, ließ er sie los, und es war, als müsste er sich gewaltsam hierzu aufraffen.
»Und noch hat die Uhr nicht geweckt«, flüsterte er an ihrer Wange. »Und es ist dunkle Nacht, und dort vor uns liegt Fruitvale und stehen King und Prince mitten auf dem Wege. Ich kann dich nicht loslassen, und wir haben noch ein Stück zu fahren. Gift und Galle, aber wir müssen weiter.«