Gesammelte Werke. Джек Лондон

Gesammelte Werke - Джек Лондон


Скачать книгу
und ihre Be­schüt­zer, die völ­lig um­zin­gelt wa­ren und mit dem Rücken ge­gen Sa­x­ons Haus stan­den, kämpf­ten wie ra­send, konn­ten sich aber der fast hun­dert Mann, die sich auf sie stürz­ten, nicht er­weh­ren. Knüp­pel und Axt­schäf­te wur­den ge­schwun­gen, Re­vol­ver knall­ten, und Pflas­ter­stei­ne wur­den her­aus­ge­ris­sen und in das wil­de Hand­ge­men­ge ge­schleu­dert. Sa­xon sah den jun­gen Frank Da­vis, einen Freund Berts, der vor we­ni­gen Mo­na­ten Va­ter ge­wor­den war, die Mün­dung sei­nes Re­vol­vers ei­nem Streik­bre­cher auf den Leib set­zen und ab­drücken. Lau­te Flü­che und er­bit­ter­tes Knur­ren, wil­de Schre­ckens­schreie und Schmer­zens­aus­brü­che er­tön­ten. Mer­ce­des hat­te recht. Das wa­ren kei­ne Men­schen. Es wa­ren wil­de Tie­re, die um den Kno­chen kämpf­ten und ein­an­der ver­nich­te­ten.

      Ihr Kno­chen heißt Ar­beit; ihr Kno­chen heißt Ar­beit. Die­ser Satz klang im­mer wie­der durch Sa­x­ons Be­wusst­sein. Selbst wenn sie ge­wollt hät­te, wür­de sie doch nicht die Kraft ge­habt ha­ben, sich jetzt vom Fens­ter zu­rück­zu­zie­hen. Sie war wie ge­lähmt. Ihr Ge­hirn ar­bei­te­te nicht mehr. Mit star­ren Au­gen, au­ßer­stan­de, sich zu be­we­gen oder ir­gend et­was zu un­ter­neh­men, sah sie auf all den Schre­cken, der wie ein wild­ge­wor­de­nes le­ben­des Bild has­tig an ihr vor­bei­zog. Sie sah die De­tek­ti­ve, die Po­li­zis­ten und Strei­ken­den stür­zen. Ei­nem Streik­bre­cher, der von ei­ner Hand, die ihn an der Keh­le pack­te, ge­gen den Zaun ge­presst wur­de, wur­de das Ge­sicht voll­kom­men von ei­nem Re­vol­ver­kol­ben zer­schmet­tert. Im­mer wie­der, ohne Auf­hö­ren, hob und senk­te sich der Re­vol­ver, und Sa­xon kann­te den Mann, der ihn schwang – Che­s­ter John­son. Sie hat­te ihn in den Ta­gen vor ih­rer Ver­hei­ra­tung auf Bäl­len ge­trof­fen und mit ihm ge­tanzt. Er war im­mer ein net­ter, gut­mü­ti­ger Mensch ge­we­sen. Un­mög­lich konn­te dies der­sel­be Che­s­ter John­son sein. Und wäh­rend sie hier stand und zu­sah, merk­te sie, wie der dick­bäu­chi­ge An­füh­rer, der im­mer noch, mit dem Kopf in ih­rem Gar­ten, in den Zaun ein­ge­keilt war, mit der frei­en Hand einen Re­vol­ver zog und die Mün­dung Che­s­ter in die Sei­te press­te. Sie ver­such­te, einen war­nen­den Ruf aus­zu­sto­ßen. Es wur­de nur ein Angst­schrei, und Che­s­ter sah auf und er­kann­te sie. Im sel­ben Au­gen­blick ging der Re­vol­ver los, und er brach über dem Streik­bre­cher zu­sam­men. Jetzt hin­gen drei Män­ner­kör­per auf ih­rem Zaun.

      Sie war nun auf al­les vor­be­rei­tet, und ohne das ge­rings­te Er­stau­nen sah sie die Strei­ken­den über den Zaun sprin­gen und ihre ar­men Pe­lar­go­ni­en und Stief­müt­ter­chen zer­tram­peln, als sie zwi­schen ih­rem Haus und dem der Mer­ce­des hin­durch­flüch­te­ten. Die Stra­ße her­auf kam von den Ei­sen­bahn­werk­stät­ten un­ter be­stän­di­gem Feu­er ein großes Auf­ge­bot von Bahn­po­li­zei und De­tek­ti­ven. Und von der an­de­ren Sei­te ka­men mit Lär­men, Rat­tern und Klap­pern von Pfer­de­hu­fen drei Pa­trouil­len­wa­gen voll Po­li­zei. Die Strei­ken­den wa­ren in ei­ner Fal­le ge­fan­gen. Sie hat­ten nur die Mög­lich­keit, zwi­schen den Häu­sern hin­durch über die Zäu­ne in die Hinter­hö­fe zu ent­schlüp­fen. Aber es wa­ren ih­rer zu vie­le in der en­gen Gas­se, als dass alle ent­kom­men konn­ten. Ein hal­b­es Dut­zend wur­de in dem Win­kel zwi­schen ih­rer Haus­fassa­de und den Stu­fen ein­ge­klemmt. Und wie sie ge­gen an­de­re ge­han­delt hat­ten, so wur­de jetzt ge­gen sie ge­han­delt. Ver­haf­tun­gen wur­den nicht vor­ge­nom­men. Sie wur­den von die­sen Hand­lan­gern der Ord­nung, die wü­tend über die Be­hand­lung wa­ren, die ih­ren Kol­le­gen zu­teil ge­wor­den war, bis auf den letz­ten Mann nie­der­ge­schos­sen und mit Knüp­peln nie­der­ge­schla­gen.

      Al­les war vor­bei, und Sa­xon ging wie eine Schlaf­wand­le­rin die Stu­fen hin­ab und klam­mer­te sich an den Zaun. Der dick­bäu­chi­ge An­füh­rer schiel­te sie im­mer noch an und wink­te mit der einen Hand, ob­wohl zwei große Po­li­zis­ten sich über ihn beug­ten, um ihn her­aus­zu­zie­hen. Die Pfor­te war aus den An­geln ge­ris­sen, was ihr merk­wür­dig er­schi­en, denn sie hat­te den gan­zen Kampf ver­folgt und es nicht ge­sche­hen se­hen.

      Berts Au­gen wa­ren ge­schlos­sen. Sei­ne Lip­pen wa­ren mit Blut be­fleckt, und aus sei­ner Keh­le kam ein Rö­cheln, als woll­te er et­was sa­gen. Als sie sich über ihn beug­te und ihm mit ih­rem Ta­schen­tuch das Blut von der Ba­cke wisch­te – ir­gend­je­mand hat­te ihn dar­auf­ge­tre­ten –, schlug er die Au­gen auf. Sie leuch­te­ten trot­zig wie in al­ten Ta­gen. Er er­kann­te sie nicht. Die Lip­pen be­weg­ten sich, und mit schwa­cher Stim­me mur­mel­te er, wie eine Lek­ti­on, die er wie­der­hol­te: »Die letz­ten Mo­hi­ka­ner! Die letz­ten Mo­hi­ka­ner!« Dann stöhn­te er, und die Au­gen schlos­sen sich wie­der. Er war nicht tot. Die Brust hob und senk­te sich, und das Rö­cheln kam im­mer noch aus sei­ner Keh­le.

      Sie sah auf. Mer­ce­des stand ne­ben ihr. Die Au­gen der al­ten Frau wa­ren sehr klar, und ihre blas­sen Wan­gen hat­ten Far­be be­kom­men.

      »Wol­len Sie mir hel­fen, ihn hin­ein­zu­tra­gen?« frag­te Sa­xon.

      Mer­ce­des nick­te, wand­te sich dann zu ei­nem Po­li­zis­ten und rich­te­te die­sel­be Fra­ge an ihn. Der Po­li­zist warf einen has­ti­gen Blick auf Bert, und in sei­nen Au­gen war ein er­bit­ter­ter und wü­ten­der Aus­druck, als er ant­wor­te­te:

      »Er kann zum Teu­fel ge­hen! Wir ha­ben ge­nug mit un­sern ei­ge­nen Leu­ten zu tun.«

      »Vi­el­leicht kön­nen wir bei­de es tun«, sag­te Sa­xon.

      »Ma­chen Sie kei­ne Dumm­hei­ten.« Mer­ce­des gab Frau Ol­sen auf der an­de­ren Sei­te der Stra­ße ein Zei­chen. »Ge­hen Sie jetzt wie­der hin­ein, Sie klei­ne, an­ge­hen­de Mut­ter. Wir wer­den ihn schon hin­ein­tra­gen. Dort kommt Frau Ol­sen, und wir kön­nen auch Mag­gie Do­na­hue ho­len.«

      Sa­xon zeig­te ih­nen den Weg in die nach dem Hofe ge­le­ge­ne Schlaf­kam­mer, die Bil­ly durch­aus hat­te mö­blie­ren wol­len. Als sie die Tür öff­ne­te, war es, als flö­ge der Tep­pich hoch und schlü­ge ihr ins Ge­sicht. Denn sie er­in­ner­te sich, dass Bert es ge­we­sen war, der den Tep­pich ge­legt hat­te. Und wäh­rend die Frau­en ihn auf das Bett ho­ben, muss­te sie dar­an den­ken, dass sie und Bert ge­mein­sam an ei­nem Sonn­tag­mor­gen das Bett her­ein­ge­stellt hat­ten.

      Dann aber fühl­te sie einen merk­wür­di­gen Schwin­del und sah mit Er­stau­nen, dass Mer­ce­des sie for­schend be­trach­te­te. Ihr Schwin­del nahm zu, und sie tauch­te nie­der in die Höl­le der Lei­den, die zu ken­nen nur Frau­en ge­ge­ben ist. Sie wur­de in das Bett im an­de­ren Schlaf­zim­mer ge­tra­gen. Vie­le Ge­sich­ter wa­ren um sie her – Mer­ce­des, Frau Ol­sen, Mag­gie Do­na­hue. Sie hat­te das Ge­fühl, dass sie Frau Ol­sen fra­gen muss­te, ob der klei­ne Emil ge­ret­tet war, aber Mer­ce­des schick­te Frau Ol­sen zu Bert hin­ein, und Mag­gie Do­na­hue ging, um zu öff­nen, denn es war an die Haus­tür ge­klopft wor­den. Von der Stra­ße her er­tön­ten Lärm und das Sum­men vie­ler Stim­men, un­ter­bro­chen von Ru­fen und Kom­man­do­wor­ten, und von Zeit zu Zeit konn­ten sie Kran­ken- und Pa­trouil­len­wa­gen hu­pen hö­ren. Dann tauch­te das fet­te, ver­gnüg­te Ge­sicht Mar­tha Skel­tons auf, und kurz dar­auf kam Dok­tor Hent­ley. Ein­mal, in ei­nem ih­rer lich­ten Au­gen­bli­cke, konn­te Sa­xon durch die dün­ne Wand die schril­le Stim­me Ma­rys hys­te­risch schrei­en hö­ren. Und dann wie­der hör­te sie Mary ein über das an­de­re Mal wie­der­ho­len: »Ich gehe nie wie­der in die Plät­te­rei. Nie! Nie!«

      Bil­ly konn­te


Скачать книгу