Gesammelte Biografien bekannter historischer Persönlichkeiten. Stefan Zweig

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27. November 1850.

      Mach Dir eine genaue Vorstellung von der bitteren Verstimmung, in der sich mein Mann befindet. Die Demütigung der verächtlichen Ruhe, zu der er in seiner Kraft verdammt ist, verzehrt in dem Bedürfnis nach Arbeit, das ist, ich versichere Dir, nicht zu beschreiben. Wenn er nicht mehr den Mut hat, auszugehen oder zu lesen, sitze ich nähend bei ihm, denn ich halte von diesem verstörten Dasein, das niemanden rührt, alles ab, was ich nur kann… Ja Gott und Du, ich weiß schon, und das ist Trost genug, daß ich herzhaft weiternähe. Aber das Schreiben ist mir unmöglich. Meine Gedanken sind zu ernst, zu sehr beschwert, ich konnte die verlangten Erzählungen nicht machen. Ich schreibe ja wirklich mit meinem Herzen, und es blutet zu sehr für Kleinkindergeschichten.

      An Melanie Waldor

       [Paris,] den 21. Februar 1851.

      Sie meinen es immer gut und grausam, daß Sie mir von einer Soirée sprechen, liebe Freundin. Was wäre wohl in mir gewandelt, um nicht ebensolche Angst vor dem Wort »Soirée« zu haben? Ich kann mich nicht in die Musik stürzen, die alles in uns aufrührt, nicht in fremde Gesichter vertiefen, deren Wohlwollen sogar – mich beben macht. Haben Sie unsere Kämpfe in dieser Hinsicht, meine wilde Flucht, vergessen? Und gibt es irgend jemanden in Paris, der Ihnen sagen könnte, mich da oder dort gesehen zu haben, seit ich den Mut gefunden habe, Ihren liebenswürdigen Aufforderungen zu widerstehen? Ich bin seitdem wohl für immer niedergeschlagen geblieben, Melanie, denn ein Stück von meinem Leben ist damals dahingegangen. – Gewiß, das wirkliche Glück Ondines gießt auch auf mich einige Sonnenstrahlen; doch die Sonne kann mir nicht von einer Soirée kommen, liebe Dame. Für mich liegt sie in einer nahen Aussprache mit einem Herzen, so gütig wie das Ihre, das mich stets geliebt hat und dessen Gefühle ich ganz erwidere. Ich werde Ihnen, fast ebenso rasch wie dies Billett, diese Dinge mündlich sagen, die Sie schon mehr als einmal entwaffnet haben. Sie wissen längst, daß mein lieber Valmore,

      »Bruder, Gatte und Herr«,

      der Mann danach ist, um meine Flucht in die Einsamkeit noch zu überbieten. Wenn es noch keine Kartäuserklöster gäbe, so würde er sich ein solches erfunden haben. Auch macht er sich überall eins zurecht, wo es vier Mauern gibt und einen Haufen Bücher.

      Die Jungen – das ist etwas anderes; sie haben ihre leichten Schwingen, und Einladungen interessieren sie. Mögen sie hinflattern, wo es ihnen gefällt. Die Freude anderer tut mir immer wohl.

      Mögen Sie viel Freuden haben! Und weil ich das glaube, so meine ich auch, daß Ihre Güte aus derselben Quelle fließt.

      »Ach! Frohen Herzens wird die Tugend leicht!«

      Vergessen Sie auch nicht, daß Herzen, die viel gelitten, Freundschaft unentbehrlich ist.

      An Herrn Dubois

      Verwalter des Hospizes in Douai, der mit rührender Sorge über die letzten Jahre des alten Felix Desbordes wachte, die dieser im Hospiz seiner Vaterstadt zubrachte.

      

       [Paris,] 28. Mai 1851, 10 Uhr morgens.

      Lieber Herr,

      inmitten des tiefsten Herzeleids – eines Herzens, das zu dieser Stunde ganz bei Ihnen ist – gebe ich Ihnen Antwort. Ich beschwöre Sie, bleiben Sie gütig wie immer; handeln Sie für mich, erraten Sie meine Gefühle. Sie wissen, mit welch unendlicher Liebe ich meinem armen Bruder zugetan war… nein, bin! Denn darin ändert sich nichts… Tun Sie, was getan werden muß, um meinen lieben und unglückseligen Kämpfer zu ehren… Ich stehe für alle Kosten ein und zolle Ihnen überdies meinen innigsten Dank. Mein Vater, unser herrlicher Vater, ruht in Sain (oder Sin)… Ich möchte gern, daß Felix auch dort läge; ich fühle, daß er mich darum bittet. Ich werde alles bezahlen. Haben Sie bitte ein Auge auf meine armen, so traurigen und herzgegebenen Briefe, auf seine Papiere, die Sie mir aufheben wollen; Sie wissen ja, mein Herr, was ich leide – für mich und für andere. Ich habe dieses Sterben Tropfen um Tropfen mitgetrunken; ich fühlte, was er litt, trotzdem man mich nicht benachrichtigt hatte. Seine letzten Briefe haben mich schwer bedrückt. Sie schienen noch verzweifelter, und meine eigene Not band mich hier fest. Sie können sich unsere augenblickliche mißliche Lage nicht vorstellen… Er hat das nur allzu sehr erraten, da er meine gewohnte schwesterliche Hilfe vermissen mußte, und dieser Kummer wird ihn getötet haben!…

      Das ist das zweite Herzensband, das sich innerhalb acht Monaten von mir losreißt. Ich habe ihm den Tod einer lieben Schwester in Rouen verheimlicht. Ich fürchtete, ihn zu erschüttern… Wir sind eine traurige Familie!

      … Ich flehe Sie an, setzen Sie diesem meinem ersten Freund ein würdiges Kreuz und jedes Jahr frisch blühende Blumen. Ich zahle es, sobald ich kann und es Gott gefällt. Ich habe so lange gezögert, meinem Versprechen eines Besuches in Douai nachzukommen, daß er nicht mehr daran glaubte. Ach! Ich werde hinreisen, aber zu spät für ihn, mein Herr! Dennoch wird er es sehen!…

      An Valmore

       Paris, 5. September 1851.

      Oh, welch schöne Unterweisung gibt uns das Unglück! Oh, göttliche Dornen Christi, wie zeigt ihr uns die Stelle, wo unser Herz schlägt!

      An Pauline Duchambge

       1. September 1852.

      Ich kann nicht fort, um Dir persönlich eine Freude mitzuteilen, die ich dennoch schleunigst mit Dir teilen muß, meine vielliebe Pauline! Mein lieber Valmore hat eine Anstellung. Ja! Es ist kein Traum. Die Vorsehung hat es so gewollt. Sie hat alles mühelos gefügt, ohne alle Unterstützung – nur sie selbst und ein junger Freund Hippolytes haben es zuwege gebracht. Stelle Dir vor, wie heilig froh sein armer Vater ist! Die Stellung ist sehr bescheiden, aber ganz seinem Geschmack entsprechend und ehrenvoll dazu. An der National-Bibliothek, rue Richelieu. So bleibe ich also in Deiner Nähe. Ich sende Dir den tiefen Seufzer der Dankbarkeit, der aus meinem Herzen zu Gott emporsteigt. Ich habe Dich lieb.

      An T. V Raspail

      Raspails Frau war gestorben, während er in Haft war.

      

       [Paris,] 17. Februar 1853.

      Es bleibt Ihnen nur noch übrig, die unglückselige Mutter zu segnen, die vor Ihren Gefängnisgittern auf den Knieen liegt. Alles ist zu Ende! Nur nicht der unendliche Kummer, daß Sie nicht da waren, ihr beizustehen in der Not.

      Auf später, ich schreibe noch. Hier kann ich Sie nur um Verzeihung bitten, daß ich Ihnen mein blutendes Herz zutrage, sie aber ist befreit!

      An Louise Babeuf

       [Paris, 1853.]

      … Ich habe meine Kraft erschöpfen müssen in der Suche nach einer Wohnung oder etwas Ähnlichem, denn heutzutage macht man sich die Luft zum Atmen streitig. Wie beklage ich Sie, wenn Sie die nämlichen Schwierigkeiten und Leiden bestehen müssen, wie ich sie durchgemacht habe, um schließlich das Recht zu erwerben, in einer ehrbaren Regentraufe zu wohnen; denn so hoch müssen wir steigen, um uns zu den Bewohnern von Paris zählen zu können. Der Preis für diesen Winkel in einer Höhe von fünfundneunzig Treppenstufen (doch es ist keine Treppe, sondern eine Leiter, die sich »Diensttreppe« nennt) ist unglaublich. Tausend Franken für dies Quartier!…

      An Pauline Duchambge

       [Paris,] den 28. November 1854.

      Höre! Ich bin in der Kirche gewesen und habe dort acht bescheidene Kerzen entzündet, demütig wie ich selbst. Acht Seelen meiner Seele: Vater, Mutter! Bruder, Schwestern… Kinder! Ich habe sie brennen gesehen, und ich vermeinte zu sterben. Dies sei nur Dir verraten; es war ein Besuch bei Gott.

      Wir


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