Fjorgaar - Der rote Vogel. Dorothea Bruszies

Fjorgaar - Der rote Vogel - Dorothea Bruszies


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verdammt schwer, darüber zu reden«, sagte er und ignorierte, wie nahe er damit der Wahrheit tatsächlich kam.

      Und zu seiner tiefgehenden Erleichterung gab Liz sich tatsächlich geschlagen. Vorerst, wie sie betonte. Damit konnte Ben leben, bot es doch ausreichend Zeit, sie auf andere Gedanken zu bringen. Solange er nicht noch einmal den Fehler beging, sich allzu verletzlich zu zeigen, würde dieses Thema schon bald vom Tisch sein.

      Der Rest des Tages verlief erstaunlich angenehm. Inzwischen hatte Liz mit ihrer Tante gesprochen und deren Einladung angenommen. So verbrachten Ben und Liz einen Großteil der Zeit damit, Pläne zu schmieden und im Internet über ihr Reiseziel zu recherchieren. Die Stimmung war inzwischen wieder locker und ungezwungen.

      Als es draußen langsam dunkel wurde, saßen sie noch immer zusammen. Liz schlug Ben vor, die Nacht bei ihr zu verbringen. Das hatte er bereits häufiger getan, und ihre Couch war nicht nur zum Sitzen bequem.

      Liz begann sogar freiwillig, das Gäste-Kopfkissen zu beziehen – mit rosafarbener Herzchenbettwäsche. Natürlich konnte Ben sich eine entsprechende Bemerkung nicht verkneifen und durfte augenblicklich das Muster des Kissens aus nächster Nähe bewundern. Liz’ Wurf kam sehr gezielt und Bens Ausweichversuch scheiterte. Trotzdem griff er gelassen nach dem Kissen und deutete eine Verbeugung an.

      »Vielen Dank, die Dame. Könnte ich wohl auch noch die Bettdecke bekommen?«

      Liz schnaubte wütend. »Bezieh dir die Decke gefälligst selber.«

      »Willst du mich damit in dein gemachtes Bett locken?«, grinste Ben sie an.

      »Na sicher, genau das hatte ich vor.« Liz griff nun doch nach Decke und Bezug. Dabei kehrte sie Ben den Rücken zu.

      »Soll ich dir helfen?«, fragte Ben und trat von hinten an sie heran.

      »Nein, nein, lass mal. Das kann ich von einem Mann nicht verlangen.« Liz bewegte sich zwei Schritte von Ben weg und nestelte dabei noch immer an den geschlossenen Knöpfen des Bezugs.

      »Und das aus dem Mund einer jungen, emanzipierten Frau, die einen Mann lieber an den Füßen über eine Grube voll giftiger Schlangen hängen würde, als für ihn das Hausmütterchen zu spielen.«

      »Ich bin eben gnädig gelaunt heute.«

      »Na ,wenn das so ist; bei mir zu Hause sollte dringend mal wieder Staub gewischt werden und auch die Fenster könnten einen feuchten Lappen vertragen.«

      »Träum weiter!«, fauchte Liz und nun flog auch die Bettdecke in seine Richtung, erreichte ihn allerdings nicht einmal annähernd. Dafür aber den Wohnzimmertisch und die darauf stehende Obstschale. Mit der freundlichen Bitte an Ben, das wieder in Ordnung zu bringen, verschwand Liz im Schlafzimmer. Die Tür fiel mit einem lauten Knall hinter ihr zu.

      ****

      Das erste, das Ben wieder bewusst wahrnahm, war Liz’ erschrockenes Gesicht direkt vor dem seinen und ihre Hände auf seinen Schultern. Als er ihren Blick erwiderte, setzte sie sich neben ihn auf die Couch.

      »Du hast im Schlaf geschrien«, teilte sie Ben mit.

      »Oh, habe ich dich etwa geweckt? Das tut mir leid.«

      Liz ging nicht auf seine Frage ein. Etwas anderes schien sie brennend zu interessieren. »Hattest du wieder den Traum?«

      Ben konnte ein Schaudern nicht unterdrücken und ehe er sich versah, gestand er: »Ja.«

      »Willst du darüber reden?«

      »Nein!«

      »Möchtest du wieder schlafen oder lieber nicht?«

      »Leg dich ruhig wieder hin.«

      »Das war keine Antwort auf meine Frage.«

      »Liz, geh wieder ins Bett. Ich komme schon zurecht.« Wenn er ehrlich zu sich selbst war, fühlte er sich weitaus weniger sicher, als er nach außen hin den Anschein erwecken wollte.

      Liz’ Blick nach zu urteilen, glaubte sie ihm kein Wort. Trotzdem drang sie überraschenderweise nicht weiter auf ihn ein, sondern verschwand wortlos in ihrem Schlafzimmer. Dieses Mal ließ sie die Tür offen.

      ****

      »Liz, da stirbt gerade irgendwas«, stellte Ben fest.

      »Ja, ja. Mach du dich nur darüber lustig. Dann stehst du schneller am Straßenrand als du dich umsehen kannst.«

      Lachend ließ er sich in den Sitz zurückfallen und sah aus dem Fenster.

      Ben, Liz und Arne saßen in Liz’ kleinem Auto, das tatsächlich klang, als läge es in den letzten Zügen. Liz und Arne saßen vorne, Ben hatte es sich auf der Rückbank bequem gemacht. Die drei steuerten auf ein Ziel zu, das nur Liz kannte. »Lasst euch überraschen«, hatte sie gesagt, als sie am Morgen mit dem spontanen Vorschlag aufgetaucht war.

      Inzwischen hatten sie die Stadt hinter sich gelassen und fuhren über eine schmale Landstraße. Bäume säumten die eine Seite und auf der anderen reihte sich Feld an Feld. Frischer Landduft lag in der Luft. Auf einem Feld hoppelte ein Hase und verschwand, als sich das Auto näherte, hakenschlagend in die andere Richtung.

      Einige Minuten lang blickte Ben schweigend aus dem Fenster. Dann beugte er sich wieder nach vorne, die Arme auf die Vordersitze gestützt. »Willst du uns nicht doch sagen, wohin wir unterwegs sind?«

      »Nein.«

      »Komm schon.«

      »Nein.«

      »Liz.«

      »Nein.«

      »Lizzylein.«

      »Denk nicht mal dran.«

      Seufzend wand Ben sich an Arne. »Diese Frau ist …«

      »Unglaublich?«, schlug Arne vor.

      »Ja, das auch.«

      Wenig später bogen sie in einen holprigen Feldweg ein und fuhren noch einige Meter, bevor Liz das Auto in einer kleinen Ausbuchtung parkte.

      »Aussteigen«, wies sie ihre Mitfahrer an und schwang sich ins Freie. Arne folgte ihr etwas langsamer und klappte für Ben den Sitz nach vorne, damit auch er aussteigen konnte.

      Liz ließ den beiden kaum Zeit, sich umzusehen, sondern steuerte sogleich zielsicher in Richtung des Waldes, der sich von links an den Feldweg drängte und den Anschein erweckte, als wolle er ihn bald schon vollkommen in Beschlag nehmen. In der anderen Richtung erkannte Ben die Konturen eines Bauernhofes, die im Schein der Sonne fremdartig leuchteten. Klein, aber deutlich zu erkennen. Doch ihm blieb kaum Zeit, dieses Phänomen zu bewundern, da Liz keine Anstalten machte, auf ihn zu warten und Arne ihr mit schnellen Schritten folgte. Bis die beiden auf einmal vom Wald verschluckt wurden. Nach ein paar Schritten erkannte Ben einen schmalen Weg, der sich durch das Dickicht des Waldes schlängelte. Nicht gerade seine Vorstellung eines schönen Ausflugs.

      Nur widerwillig folgte Ben seinen Freunden.

      Äste versperrten ihm den Weg, Brennnesseln und blutgierige Dornen versuchten an seine nackte Haut zu gelangen. Ben hätte schwören können, dass sich eine Ranke absichtlich um sein Fußgelenk geschlungen hatte, um ihn zu Fall zu bringen. Fluchend riss er sich frei und rief Liz und Arne zu, dass sie auf ihn warten sollten. Verlaufen wollte er sich hier auf keinen Fall. Und die Gefahr bestand bei diesem unmöglichen Pfad, der teilweise fast vollständig im Unterholz verschwand.

      »Hat Hänsel Angst, den Weg nicht zu finden?«, rief Liz spöttisch zurück, während sie und Arne stehen blieben. Ein plötzlicher Schmerz an seinem Kopf ließ Ben die zynische Antwort vergessen. Ein Ast hatte sich in seinen Haaren verfangen und mit Sicherheit mindestens die Hälfte seines Schopfes freigelegt. Seine Flüche hätten den hartgesottensten Seemann erröten lassen.

      »Brauchst du jetzt eine Perücke?«, empfing ihn Liz voller Mitgefühl.

      Und frische Nahrung, neues Blut

      Saug ich aus freier Welt.

      Wie ist Natur so hold und gut,


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