Das Glück ist immer da! Heitere Geschichten und Plaudereien. Otto Ernst Schmidt

Das Glück ist immer da! Heitere Geschichten und Plaudereien - Otto Ernst Schmidt


Скачать книгу
pty-line/>

       Otto Ernst Schmidt

      Das Glück ist immer da! Heitere Geschichten und Plaudereien

      Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020

       [email protected]

      EAN 4064066113445

       Die Marienbader Kur

       Die Ziege

       Die späte Hochzeitsreise

       Die Hosentaschen des Erasmus

       Flieh, auf, hinaus ins weite Land!

       Der süße Willy

       Ernsthafte Predigt vom Kommersieren

       Der große Irrgarten

       Im Seebade

       Inhaltsverzeichnis

      Meine Freunde haben es verschuldet. Sie haben mich so lange gereizt. »Eduard, du wirst zu stark, Eduard!« sagten sie täglich zu mir; die Gefühlloseren sagten: »zu dick«, die Gemütsrohen: »zu fett«. Ich leugnete das energisch; aber sie mußten sich heimlich verschworen haben; denn sie sagten es alle. »Ein gewisses Embonpoint ist bei mir hereditär, habituell, gehört sozusagen zu meiner Konstitution,« bemerkte ich. Dergleichen drückt sich immer am besten in Fremdwörtern aus. Ein rüdes Gelächter antwortete mir. »Deshalb«, fuhr ich fort, »verschlagen auch Entfettungskuren bei mir nicht das geringste.« »Ja, weil du sie nicht konsequent durchführst!« johlte die Masse in vulgärer Einstimmigkeit. »Ich – nicht durchführen?« versetzte ich mit meiner überlegenen Ironie, »nun – das werde ich euch beweisen!« Und so ging ich nach Marienbad.

      »Sie gehen nach Marienbad?« fragte mich ein wohlbeleibter Eisenbahngefährte. »Ei, da sind Sie zu beneiden! Marienbad ist entzückend! Und schlemmen kann man da, schlemmen –!«

      Ich bemerkte dem Manne mit einem sittlichen Ernste, der – ich fühlte es – mir gut stehen mußte, daß ich nicht zu schlemmen gedächte, sondern mich einer sehr ernsten Magerkur zu unterziehen beabsichtigte.

      »Ach so, Sie wollen fasten!« rief er überrascht. »Na ja – kann man da auch,« fügte er nachlässig hinzu. »Dazu gehört allerdings ein starker Wille.«

      »An dem soll es nicht fehlen,« preßte ich durch die aufeinandergebissenen Zähne.

      Er maß mich von oben bis unten und dann von links nach rechts und sagte nichts, der unhöfliche Mensch.

      Vor dem Diner im Speisewagen sagte ich mir logischerweise, daß es erst dann einen Sinn habe, mit der Kur zu beginnen, wenn alle Bedingungen dieser Kur gegeben seien, daß systemlose Halbheiten in solchem Falle sogar recht gefährlich werden können. Andrerseits war mir wohlbekannt, daß bei solchen Kuren ein möglichst großer Gegensatz zwischen heut und morgen nur zu empfehlen ist, weil nämlich der Körper auf solche schroffen Uebergänge mit einer beträchtlichen Gewichtsabnahme reagiert. Das Diner setzte sich für dieses Prinzip sehr günstig zusammen; es bestand aus Bouillon mit Klößen, Lachs mit Mayonnaise, Mastochsenbraten mit Makkaroni, Plumpudding und Butter und Käse. Um den Choc, den der Körper morgen erhalten sollte, zu verstärken, nahm ich dazu eine Flasche Bier, eine halbe Flasche Clicquot und zum Kaffee einen Benediktiner. Danach legte ich mich in meinem Abteil schlafen.

      In Marienbad angelangt, begann ich meine Kur auf dem Bahnhofe. Zwar meinen Hauptkoffer überwies ich einem Träger; als dieser aber auch den nicht unbeträchtlichen Nebenkoffer an sich nehmen wollte, sagte ich triumphierend: »Nein, lieber Freund, jetzt wird selbst getragen,« nahm meinen Koffer und schritt hinaus. Die Fiaker vor dem Bahnhof machten mir ihre komfortabelsten Gesichter, nannten mich »Herr Baron« und, als mir das nicht zu genügen schien, »Herr Graf«; ich aber versetzte ohne allen Adelsstolz: »Nein, meine Herren, jetzt wird gegangen!«

      Wenn ich einmal eine Sache angreife, so tu' ich's mit Energie.

      Wenn ich gewußt hätte, daß der Bahnhof so weit vom Orte entfernt liege und daß meine Wohnung dann auch noch ganz am entgegengesetzten, nördlichsten Ende der Stadt gelegen sei und daß der Weg dahin nicht allzu sanft ansteige, so hätte ich vielleicht doch meinen Koffer dem Träger übergeben und wäre gefahren. Aber während ich schwitzte, erhob mich doch das Wonnegefühl: »Wenigstens fünf Pfund schaffst du dir durch diesen Leidensweg vom Leibe. Wenn du das drei- bis viermal gemacht hast, bist du dein Uebergewicht los. Allerdings« – dieser Gedanke erleuchtete mich blitzartig – »das hättest du auch zu Hause haben können.«

      Meine Wohnung lag im dritten Stock. Für die Zumutung, den Fahrstuhl zu benutzen, hatte ich nur eine kurze, abweisende Handbewegung. Das Zimmer kostete wöchentlich fünfzig Kronen einschließlich Tag- und Nachtgeschirr. Alles andere mußte extra bezahlt werden.

      Sobald ich mich einigermaßen eingerichtet und umgekleidet hatte, eilte ich, mich wägen zu lassen. Ich fühlte mich so leicht nach meiner Kofferträgerarbeit!

      In Marienbad hat jedes zweite Haus eine allein richtige Wage. Man setzt sich in einen bequemen Stuhl und läßt seine Schwerkraft walten; dann zeigt die Wage nicht nur das Gewicht an, sie druckt es auch gleich auf einen kleinen Zettel. Da stand: 94,8 Kilo.

      »Sie sind wohl –!« rief ich unwillkürlich aus. Das Wort »verrückt« verschluckte ich ebenso unwillkürlich wegen der Gerichtskosten.

      Der Mann beteuerte, daß sein Apparat vollkommen tadellos funktioniere. Ich warf meine zwanzig Heller auf den Ladentisch, ließ den Zettel liegen und ging, Verachtung in den Zügen, hinaus.

      Zwanzig Schritte weiter trat ich in ein anderes Haus mit allein richtiger Wage. Der Zettel erschien und zeigte: 95 Kilo. Diesmal versah eine Dame das Wägeamt; ich konnte also nicht 'mal »Sie sind wohl –!« rufen.

      Langsam und sinnend schob ich den Zettel in die Westentasche und verließ das Lokal. Mir war's, als hätte ich Blei in den Gliedern.

      Draußen kam mir die Erleuchtung. Ah, dacht' ich, die haben dir den Neuling angesehen. Das sind Wagen für Ankömmlinge! Jetzt wirst du schlau sein. Mit elastischen Schritten betrat ich ein drittes Lokal und rief: »So! Zum Abschied möcht' ich nun noch einmal gewogen sein!« Diesmal verzeichnete der Zettel: 95,1 Kilo.

      »Noch mehr! Es hängt Gewicht sich an Gewicht,

       Und ihre Masse zieht mich schwer hinab.«

      Erdrückt von der Wucht meiner Persönlichkeit, schlich ich zum Arzt. Er behauptete, ich müsse morgens sechs Uhr aufstehen, zum Kreuzbrunnen gehen, dort drei Glas Brunnen mit Zusatz eines gewissen Salzes trinken, dann anderthalb Stunden spazieren gehen, danach dürfe ich frühstücken. Der Mann hatte eine merkwürdige Ausdrucksweise; unter »frühstücken« verstand er: eine Tasse Tee, ein Ei und einen Zwieback nehmen. »Ohne Butter!« rief der Herr Doktor begeistert. Mittags dürfe ich dann eine Fleischspeise, ein Gemüse, ein Kompott und eine halbe Flasche Biliner Wasser genießen. Und abends könne ich mir eine Fleischspeise, ein Gemüse oder ein Kompott und, wenn es sein müsse, ein Krügel


Скачать книгу