Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
Existenz an.
In gegenwärtiger Zeit stehen die Sachen so, daß die Entziehung eines bürgerlichen Rechtes noch keine Erniedrigung, noch kein Armutszeugnis ist – aber zu beklagen ist es immer.
Wenn das sächsische Preßgesetz den Frauen verbietet, Redaktionen zu führen und sich überhaupt dabei näher zu beteiligen, so wird mit diesem Rechte, das sie bisher besaßen, ihnen auch – wie fast mit jedem Rechte – noch ein »Recht auf Arbeit« mehr entzogen, womit es bei ihnen im Vergleich mit den Männern ohnehin schlecht genug steht – und wenn alle jene, welche in ihren Erwerbsinteressen durch das neue Preßgesetz gestört und gehemmt werden, sich darüber beklagen, wie z.B. die Kommissionsbuchhändler, die Buchdrucker, die Verleger von Provinzial-Blättern usw. getan, so haben wahrscheinlich die Frauen nicht viel weniger Grund dazu.
Jene Bestimmung des § 12., die »männlichen Personen« betreffend, ist allen so unerwartet gekommen, daß sie darüber fast von den meisten Lesern des Preßgesetz-Entwurfes ganz übersehen worden ist – man hat schnell darüber hinweggelesen und gar nicht gefühlt, welche Beleidigung und Zurücksetzung eines ganzen Geschlechts in dieser Bestimmung liegt. Erst den Betroffenen wird sie fühlbar werden. Die Betroffenen werden aber nicht nur die wenigen Frauen sein, die eine Redaktion führen oder führen möchten, sondern die vielen, Männer und Frauen, welche eine Zeitschrift lasen, die von keiner »männlichen Person« redigiert ward, und welche für die Rechte der Frauen mitkämpfend oder sie wenigstens selbst anerkennend nur erst plötzlich gewahr werden – wie sehr hinter ihren Träumen, Wünschen und Hoffnungen von allgemeinen Menschenrechten man in einem Staate zurück ist, in dem man solchen Tatsachen begegnet.
L.O.
Abschiedswort
Vor ziemlich zwei Jahren war es, als ich diese Zeitung gründete und im Programm derselben schrieb: »Die Geschichte aller Zeiten und die heutige ganz besonders lehrt: daß diejenigen auch vergessen wurden, welche an sich selbst zu denken vergaßen.«
»Wohlauf, meine Schwestern, vereinigt euch mit mir, damit wir nicht zurückbleiben, wo alle und alles um uns und neben uns vorwärts drängt und kämpft. Wir wollen auch unser Teil fordern und verdienen an der großen Welt-Erlösung, welche der ganzen Menschheit, deren eine Hälfte wir sind, endlich werden muß.«
»Wir wollen unser Teil fordern: das Recht, das Rein-Menschliche, in uns in freier Entwickelung aller unserer Kräfte auszubilden und das Recht der Mündigkeit und Selbständigkeit im Staat.«
»Wir wollen unser Teil verdienen: wir wollen unsere Kräfte aufbieten, das Werk der Welt-Erlösung zu fördern, zunächst dadurch, daß wir den großen Gedanken der Zukunft: Freiheit und Humanität (was im Grunde zwei gleichbedeutende Worte sind) auszubreiten suchen in allen Kreisen, welche uns zugänglich sind, in den weitern des größern Lebens durch die Presse, in den engern der Familie durch Beispiel, Belehrung und Erziehung. Wir wollen unser Teil aber auch dadurch verdienen, daß wir nicht vereinzelt streben, nur jede für sich, sondern vielmehr jede für alle; und daß wir vor allem derer zumeist uns annehmen, welche in Armut, Elend und Unwissenheit vergessen und vernachlässigt schmachten.«
Zwei Jahrgänge dieser Zeitung liegen dem Publikum zur Beurteilung vor. Es wird ihr das Zeugnis geben müssen, treu an diesem Programm festgehalten zu haben, und die stets wachsende Teilnahme, welche dieselbe durch Abonnenten und Mitarbeiter-Kräfte fand, und zwar fand unter den ungünstigsten Verhältnissen, welche eine demokratische Zeitschrift nur haben konnte (- das sächsische Blatt begann im April 1849, die dritte Nr. erschien unterm Belagerungszustand), wird es selbstredend bestätigen, daß dies Programm nicht vergebens geschrieben ward.
Es ist nicht Eitelkeit und Selbstlob: es ist die Freudigkeit der Erfahrung zweier Jahre, mit der ich heute sagen darf: Die Frauen-Zeitung hat gehalten, was sie versprochen; was sie beabsichtigt und gewollt, hat sie erreicht und bezweckt. Sie hat »dem Reich der Freiheit Bürgerinnen geworben«, sie hat unzählige Frauen aufgeweckt aus ihrem Halbschlummer und angeregt, »ihr Teil zu fordern«, und noch mehr, »ihr Teil zu verdienen«, sie hat vor allem es dahin gebracht, daß nicht mehr nur »jede für sich« strebte, sondern vielmehr »jede für alle« – sie hat es auch dahin gebracht, »daß diejenigen, die nicht vergaßen, an sich selbst zu denken, auch nicht vergessen worden sind«. Die Erfahrungen der letzten Zeit und das neue Preßgesetz selbst bestätigen dies.
Weit entfernt von der allgemeinen Ausdrucksweise anderer Gesetze, hebt es § 12. des Preßgesetzes besonders hervor, daß nur »männliche Personen« Redaktionen von Zeitschriften führen dürfen. Es ist also kein Zweifel, daß man an die Frauen diesmal nicht zu denken vergessen hat. Insofern haben wir durch unsere Bestrebungen der letzten Jahre es wirklich dahin gebracht, daß man Rücksichten auf die Frauen nimmt, wie sie früher niemals genommen worden sind. – Als wir vor zwei Jahren unser Programm versendeten, dachten wir freilich bei jener Stelle nur an die Austeilung von Rechten an alle Staatsangehörige, wobei wir nicht vergessen sein wollten – wie jetzt die Sachen stehen, handelt es sich im Gegensatz um Entziehung von Rechten, und von unserm Standpunkt aus ist es jetzt nicht minder ehrenvoll für uns: auch dabei nicht vergessen worden zu sein, als es bei den frühern Verhältnissen, im umgekehrten Fall, das Gleiche gewesen wäre.
Ich bin hier zur Anführung des Grundes gekommen, aus dem ich die Frauen-Zeitung eingehen lassen und heute dies Abschiedswort schreiben muß.
Er ist enthalten in § 12. des Preßgesetz-Entwurfes: »Die verantwortliche Redaktion einer Zeitschrift dürfen nur solche im Königreich Sachsen wohnhafte männliche Personen führen« – usw. Die übrigen Bedingungen der Redaktionsübernahme sind nicht nötig zu wiederholen, diese eine erklärt die Unmöglichkeit des längern Bestehens einer »Frauen-Zeitung«, da auch »bei der Mitredaktion beteiligte Personen dieselben Eigenschaften haben müssen«. – Alle den anderen nachfolgenden Bedingungen zur Fortführung der Redaktion würde ich haben genügen können, auch die Stellung der Kaution würde uns kein Hindernis gewesen sein – aber Frauen sind ein- für allemal nicht mehr zu einer Redaktion zulässig, und so bleibt mir nichts übrig, als samt der Frauen-Zeitung Abschied zu nehmen von ihren Lesern und Leserinnen.
Es fällt mir nicht ein, den Einflüsterungen klügelnder Schmeichler zu glauben, welche mir einreden wollen, man habe – (weil eben noch nirgends und durch kein anderes deutsches Preßgesetz den Frauen die Führung von Redaktionen verboten worden) in dem betreffenden sächsischen Preßgesetz-Entwurf auf mich speziell Rücksicht genommen – allein ich kann nicht umhin, darin eine Anerkennung des Wirkens der »Frauen-Zeitung« zu finden, denn ehe sie bestand und ehe die Frauen selbst sich fühlen lernten als Frauen eines Volkes und sich berufen fühlten, seiner Sache zu dienen mit gleicher Begeisterung wie die Männer, wenn auch in anderer Weise, hätte allerdings so leicht kein Gesetz »zur Zügelung und gegen den Mißbrauch der Presse« es berücksichtigt, daß diese Schutzwehr auch mit gegen die Frauen aufzurichten sei.
Scheinbar nur in die alte Unmündigkeit zurückgeworfen, sind die Frauen nie für mündiger in den Dingen des Staats erklärt worden als durch diesen Gesetzesparagraphen. Sie werden an Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen gewinnen, was man ihnen jetzt durch Entziehung eines Rechts geraubt hat. –
Noch zwar ist jener Preßgesetz-Entwurf nicht als Gesetz publiziert, aber wir haben dies jedenfalls in kürzester Frist zu erwarten, und so hielten wir es für unangemessen, erst ein neues Quartal zu beginnen. – Vielleicht aber kann man fragen: warum, wenn ich auch gezwungen bin, von der Redaktion zurückzutreten, die »Frauen-Zeitung« nicht dennoch forterscheine unter einem zulässigen Redakteur?
Ich bin gewiß, daß wenigstens die Frauen nicht so fragen werden, welche von der Tendenz und den leitenden Prinzipien der »Frauen-Zeitung« durchdrungen sind. Wir wollten und wollen unser Recht uns selbst verschaffen und verdienen – und wir weichen lieber der Gewalt, als daß wir als unmündige Kinder unsere Zuflucht zu einem Schirmherrn nehmen, dessen wir nicht mehr bedürfen. Wir unterwerfen uns freiwillig keinen Oktroyierungen.