Die großen Western Staffel 4. Diverse Autoren
Gesicht. »Sie reden ja, als würden Sie sich auch noch darüber freuen.«
Larry stand auf. Kein Funken Spott oder Alkoholglanz war mehr in seinen dunklen Augen, als er dicht vor sie trat und sie durchdringend anblickte.
»Ich rede von einem Mann, dessen oberstes Ziel es sein Leben lang war, reicher und mächtiger als alle andern um sich her zu sein. Dafür war er bereit, alles zu opfern, auch seine Familie. Sein verfluchter Ehrgeiz und seine Härte haben meine Mutter so früh ins Grab gebracht. Er hat nie begriffen, dass es Menschen gibt, denen Freiheit mehr als Geld und Unabhängigkeit, mehr als Besitz bedeuten. Er war immer einer, der sich darauf verließ, mit seinem Geld und seiner Macht rücksichtslos seinen Willen durchzusetzen. Wenn’s sein musste, auch gegen den eigenen Sohn.«
Mit den Fingerspitzen fuhr er die dünne Narbe nach, die sich von seiner rechten Schläfe zum Kinn hinabzog. Sein Lächeln glich dem Zähnefletschen eines Tigers.
»Das habe ich damals, als ich den ganzen Krempel hinwarf und ihm klarmachte, wie satt ich es hatte, seinen Knecht zu spielen, als Andenken mit auf den Weg bekommen. Es war eine ganz gewöhnliche Fuhrmannspeitsche, die er in seinem Zorn in die Hand bekam, und ich wundere mich heute noch, wo ich die Ruhe hernahm, nicht mit einer Kugel zu antworten. Wenn ich je für irgendetwas in seiner Schuld stand, dann habe ich diese Schuld damals beglichen. Nichts und niemand könnte mich dazu bringen, für seine Pläne auch nur noch einen Finger zu rühren.«
»Es geht um mehr als um eine Frachtroute, es geht um sein Leben.«
»Dann sicher nur, weil er in seinem verdammten Stolz und Ehrgeiz nicht zugeben kann, dass er nun doch einmal der Unterlegene ist. Ja, ich trau’s ihm glatt zu, dass er eher sein Leben riskiert als einem Gegner das Feld räumt.«
»Und wenn’s so wäre!« Lindas Stimme klang wie zerspringendes Glas. »Trotz allem ist er immer noch Ihr Vater!«
»Was wollen Sie eigentlich?« Larry kniff die Augen halb zu. »Seinen Skalp retten – oder das Geld, das Sie bei Dean Morrister gewiss besser angelegt hätten?«
Als die Frau sich mit einem Ruck zur Tür wandte, griff er auflachend rasch nach ihrem Arm.
»Warten Sie! Gehen Sie nicht ohne einen Versöhnungsdrink!«
Sie funkelte ihn zornig an. »Sie sind ja betrunken, Langtry. Ich werde Ihre kleine Saloonnutte heraufschicken. Vergessen Sie, dass ich hier war. Big Joe wusste sicherlich, was er tat, als er Sie damals seine Peitsche spüren ließ.«
Sie war nun doch erschrocken über die Wildheit, die ihr aus seinen Augen entgegenglühte. Er packte auch mit der zweiten Hand zu, ohne darauf zu achten, dass sie vor Schmerz ihr Gesicht verzog.
»Sagen Sie so was nie wieder!«
»Was fällt Ihnen ein!«, keuchte Linda. »Lassen Sie mich los, Sie verrückter Kerl, sonst …«
Er schwang sie herum. Sie stieß einen Schrei aus, als sie aufs Bett stürzte. Da war er schon mit dem Revolver in der Hand bei der Tür. Er riss sie auf. Auf dem Korridor war es mittlerweile so finster, dass er die Männer am oberen Treppenabsatz nur als verwischte Schatten sah. Jennys Warnschrei aus dem Saloon fiel mit dem Aufdonnern mehrerer Schüsse zusammen, die die Bretterwände zu sprengen drohten.
Feuerlanzen zerfetzten die Dunkelheit. Knapp neben Larrys Kopf hieben drei Kugeln in den Türrahmen. Er verzog keine Miene, zielte kurz und drückte zweimal ab. Ein Schrei antwortete, Flüche schallten, Stiefel polterten.
Wieder blitzte und donnerte es. Larry sprang ins Zimmer zurück, schlug die Tür zu und schob den Riegel vor. Achselzuckend drehte er sich zu Linda um, die bleich und wie versteinert auf dem Bett saß.
»Sie hätten wirklich nicht herkommen sollen, Ma’am. Aber nun sehen Sie selbst, dass ich Wichtigeres zu tun habe, als mir über Big Joe und Ihre Dollars den Kopf zu zerbrechen. Wollen Sie jetzt immer noch keinen Drink?«
»Langtry!«, schrie eine wilde Stimme am Ende des Korridors. »Es hat keinen Zweck, wenn du dich in deiner Bude verbarrikadierst! Wir erwischen dich ja doch!«
»Bist du’s, Tamblin?«
»Ja, zum Teufel, und ich werd’ nicht ruhen, bis du in der Hölle schmorst, du verdammter Kartenhai, nachdem du Russ umgelegt hast!«
Larry stärkte sich mit einem Schluck aus der Flasche.
»So kann man sich täuschen«, lächelte er sauer. »Ich wäre jede Wette eingegangen, dass mir Zeit bis morgen früh bleibt, bevor diese Kerle in die Stadt kommen. Nun sieht es so aus, als wären sie mit dem Hombre, der mir vorhin im Saloon vor die Kanone sprang, an diesem Abend hier verabredet gewesen. Pech! Für wen, muss sich allerdings noch herausstellen.«
Laut rief er: »He, Tamblin, ich bin nicht allein. Die Lady bei mir hat mit der ganzen Geschichte nichts zu tun. Gib ihr ’ne Chance.«
Das Krachen des Colts füllte wieder den Korridor. Mehrere Kugellöcher klafften plötzlich in der Tür. Larry hielt auf einmal nur mehr den gezackten Flaschenhals in der Hand. Sein Gesicht wirkte eine Spur bleicher, vielleicht war auch nur die Dämmerung daran schuld. Seine Augen funkelten.
»Diese Burschen haben tatsächlich noch schlechtere Manieren als ich.«
Ohne sich vom Fleck zu rühren, jagte er die restlichen Kugeln aus seinem Remington durch die geschlossene Tür. Pulverdampf hing unter der Zimmerdecke. Draußen trappelten Stiefel.
Dann schrie dieselbe Stimme wie zuvor: »Wenn du nicht willst, dass der Lady was passiert, Kartenhai, dann komm raus!«
»Ideen hat dieser Mensch!«, knurrte Larry. »Aber es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben.«
Linda Coleman fuhr hoch. »Tun Sie’s nicht! Sie werden Sie töten!«
»Sie werden es versuchen«, berichtigte Larry sie gelassen. Sie wusste nicht, ob seine Ruhe echt oder gespielt war.
»Eine Minute, Langtry, dann machen wir Kleinholz aus dem Bau!«, dröhnte Scott Tamblin entschlossen.
Coltpoker-Larry lud seinen Revolver nach. Die letzten Sonnenstrahlen auf den Dächern von Redcliff verblassten. Seit der erste Schuss gefallen war, lag die kleine Stadt wie ausgestorben. Es war nicht neu für Larry, dass hier kein Mensch daran dachte, für einen in der Klemme steckenden fremden Spieler eine Hand zu rühren. Da drang ein leiser Pfiff vom Hinterhof herauf.
Schnell trat Larry ans Fenster. Drunten stand Mac, der Keeper, die Zügel von Larrys gesatteltem Pferd in der Hand. Er winkte verschwörerisch. Dann huschte er davon. Larry lächelte.
»Es gibt doch noch wahre Freunde.« Er nahm alles Geld, das er in der Tasche hatte, legte es auf den Tisch und stellte die zweite, heilgebliebene Whiskyflasche darauf. Ruhig blickte er die Frau an. »Keine Sorge, Ihnen wird nichts passieren, wenn ich weg bin. Sagen Sie Mac meinen besten Dank, und wenn Sie sich überwinden können, dann grüßen Sie auch Jenny von mir.«
»Noch dreißig Sekunden, Langtry!«, trieb Scott Tamblins zornige Stimme herein. »Glaub ja nicht, ich bluffe nur!«
Larry öffnete das Fenster. Stirnrunzelnd schätzte er die Tiefe. Linda lief zu ihm.
»Um Himmels willen, Sie werden sich das Genick brechen!«
Er lächelte schon wieder, als er sich umdrehte und auf ihre schmale Hand schaute, die auf seinem Arm lag. »Nicht, wenn Sie mir zum Abschied einen Kuss verehren, Ma’am.«
»Ach, gehen Sie zum Teufel, Sie eingebildeter Kerl!«, fauchte die Frau und wich rasch zurück. Leise lachend schwang Coltpoker-Larry sich aufs Fensterbrett.
»Bin schon unterwegs.«
*
Als der Mond über die Kimm stieg, leuchteten die Planendächer der drei schwerfällig rumpelnden Frachtwagen wie Schiffssegel in dem Gewirr der Felsen und Hügel südlich von Canyon City. Big Joe Langtry, der neben dem vordersten Gespann ritt, fluchte leise. Er warf einen wilden Blick auf die grasbewachsenen Höhenrücken zurück, von dem sie in den seichten Creek herabgekommen waren. Aber darüber hingen nur weiße