Die großen Western Staffel 4. Diverse Autoren
um Canyon City nach ihnen suchten. Das Malmen des Kieses unter den Hufen und Wagenrädern erschien ihm verräterisch laut. Tief eingeschnitten schlängelte sich das Bett des Bluebird Creeks nach Westen, dem Gebirge zu, dessen gezackter Wall drohend vor dem Nachthimmel stand.
Der breitschultrige Frachtwagenboss zügelte sein Pferd im nur kniehohen Wasser. Mit dem Stiel der zusammengerollten Peitsche deutete er auf eine leicht überhängende Felswand.
»Da hinüber, beeilt euch, Leute!«
Ein Netz glitzernder Schweißperlen bedeckte sein Gesicht. Es war das breitflächige, von scharfen Linien durchfurchte Gesicht eines Fünfzigjährigen. Ein hartes und herrisches Leben hatte ihm seinen Stempel aufgedrückt. Die derbe Kleidung unterschied Joe Langtry zwar nicht von den Männern, die verkrampft und mit angespannten Mienen auf den Planwagen saßen, jeder die Zügel in der einen, die Peitsche in der anderen Hand. Doch Big Joes Haltung, sein Blick und seine Stimme verrieten, wie selbstverständlich er es fand, dass sie jedem seiner Befehle schweigend gehorchten.
Auch jetzt, als die schwerbeladenen Fahrzeuge im Wasser dicht an der Steilwand hielten, sprach niemand. Tiefer Schatten umhüllte sie. Zuletzt kam Langtry heran. Sie lauschten. Kein Hufschlag mehr. Nur das sanfte Murmeln des Creeks, in dem sie ihre Fährte zu verwischen versuchten, seit sie vor zwei Stunden heimlich wie Diebe Canyon City verlassen hatten.
Plötzlich wehte das Knattern ferner Schüsse über die Höhen. Ein Geräusch, als würden Steine auf ein Blechdach prasseln. Auf dem vorderen Wagen richtete sich Luke Enfield ruckartig aus seiner zusammengesunkenen Haltung auf.
»Großer Himmel, sie haben Bob Healy und seine Jungs erwischt!«, keuchte der stämmige Mann.
Big Joe presste die Lippen zusammen, als sich das Hämmern der Detonationen zu einem wilden Stackato steigerte. Plötzlich setzte es aus. Als alle glaubten, dass nichts mehr zu hören sein würde, begannen wieder heftige Feuerstöße.
Tate Slocum, der Oldtimer mit dem zerknitterten Ledergesicht, kletterte entschlossen vom Fahrersitz, schlang die Zügel um die Seitenlehne und stapfte zu dem am Wagen festgeleinten Sattelpferd.
»Ich wette, das war drüben am Cheyennehill, höchstens vier Meilen von hier. Weiß der Kuckuck, was Healy mit seinen Wagen so weit im Süden zu suchen hat. Aber wenn wir uns beeilen …«
Er brach ab, als Langtry seinen Wallach zu ihm lenkte. Seine dürre Gestalt verstellte sich. Düster blickte der Frachtunternehmer auf den ältesten Mann seiner Crew.
»Healy, Preston und Griffin haben nichts davon, wenn wir gemeinsam mit ihnen ins Gras beißen! Das weißt du so gut wie ich, Tate. Auf nichts anderes würde es hinauslaufen, wenn wir jetzt wie die Wilden losjagten. Nein, zum Teufel! Als wir die Stadt verließen, um in zwei Gruppen aus Morristers verdammter Sperrzone herauszukommen, kannte jeder das Risiko. Genauso hätten diese Teufel auch uns schnappen können. Glaub nur nicht, Old Man, dass wir es schon geschafft haben. Ich kenne Dean Morrister. Der hat bestimmt nicht nur längst eine Prämie für jeden vernichteten Wagen der Langtry-Cargo-Company ausgesetzt, sondern auch auf den Skalp von jedem von uns!«
Old Tates brennende Augen hielten dem durchdringenden Blick stand. Nur die Enden seines dünnen weißen Sichelbartes zitterten ein wenig. Er spürte wieder die Kälte, die von dem großen Reiter ausging. Eine Kälte, die Big Joe Langtry zum vielleicht einsamsten Mann in diesem Land machte.
»Möglich, dass du recht hast, Boss!«, krächzte der Alte. »Aber mir dreht sich der Magen um, wenn ich mir vorstelle, dass sie drüben am Cheyennehill um ihr Leben kämpfen, während wir hier Daumen drehen! Ich bin zu alt, Boss, als dass du viel verlierst, wenn du mich verschwinden lässt und an meiner Stelle diese Karre nach Salida raufkutschierst! Vielleicht kann ich für Healy und seine Jungs doch noch was tun.«
»Nein, Tate!« Big Joes Rechte senkte sich auf den Revolver, den er mit dem Kolben nach vorn an der linken Hüfte trug. »Zu viel hängt davon ab, dass wir wenigstens diese drei letzten Wagen durchbringen! Ich kann keinen Mann entbehren, vor allem keinen, der deine Erfahrung besitzt. Wenn wir’s diesmal nicht schaffen, bin ich ruiniert. Dann seid ihr eure Jobs los. Dann wird Morrister, dieser Teufel, die Stores und Saloons in den Siedlungen am Poncha-Pass mit meinen Wagen beliefern, ohne dass er dafür einen lumpigen Dollar locker zu machen braucht. Es …«
Er verstummte und horchte gespannt. Kein Schuss mehr. Die Stille und Dunkelheit umschnürten die Männer wie mit eisigem Griff. Jack Randlett, der dritte und jüngste Fahrer, zerrte keuchend seinen Hemdkragen auf. Panik war in seiner Stimme: »Zu spät! Diese verfluchten Mörder …«
Slocums magere Schultern sanken ein. Aber er straffte sich gleich wieder, als dumpfer Hufschlag von Norden her auf den Bluebird Creek zukam. Langtry hängte die Peitsche über den Sattel und zog die Winchester aus dem Scabbard. Die anderen tasteten ebenfalls nach ihren Gewehren.
»Kämpft, wenn sie uns finden!«, befahl Big Joe heiser. »Rechnet nicht damit, dass sie euch Pardon gewähren! Denkt an Bob Healy und seine Freunde!«
Er spürte die Angst und Unsicherheit seiner Begleiter. Vielleicht war Old Tate, der anderswo ja doch keinen Job mehr gefunden hätte, der Einzige, der sich jetzt nicht dafür verwünschte, mit ihm auf den Trail gegangen zu sein. Sie alle hatten noch das Krachen der Schüsse von vorhin als tödliche Drohung in den Ohren.
Big Joe stieg ab und hielt seinem Wallach die Nüstern zu. Nur dreihundert Yards entfernt erreichte das Hufgetrappel den Creek. Sofort schwärmten die Reiter nach verschiedenen Richtungen aus. Einige durchfurteten hinter einer Biegung den Wasserlauf. Endlose Minuten verstrichen, bis die Geräusche verebbt und Langtrys Frachtfahrer wieder richtig durchzuatmen wagten.
Doch immer noch spürten sie die Gefahr, die in den Hügeln ringsum lauerte. Alle zuckten zusammen, als sie plötzlich die Stimme hörten. Ein schwacher Ruf aus dem Labyrinth der Buschgruppen, Felsen und Geländerinnen jenseits des Creeks. Randlett fuhr herum. Sein flackernder Blick suchte Big Joes massige Gestalt.
»Mein Gott, das ist ja Healy! Er sucht uns!«
Ein Pferd stampfte hinter den Sträuchern am schräg gegenüberliegenden Ufer. Zweige knackten. Dann wieder die Stimme, die undeutlich, wie von heftigem Schmerz gedämpft, ihre Namen rief.
Big Joe trat rasch hinter seinem Pferd hervor. Die Mündung seiner Winchester stoppte Jack Randlett, der an ihm vorbei wollte. »Bleib, wo du bist!«, zischte er.
Der junge, untersetzte Frachtfahrer starrte ihn fassungslos an. Enfield schob sich neben ihn. Seine Fäuste umkrampften hart das Gewehr. »Du gehst zu weit, Boss!«
»Still, verdammt!«
»Dazu hast du kein Recht!«, keuchte Enfield halb wütend, halb betroffen. »Sicher ist Bob angeschossen. Verdammt, sie erwischen ihn, wenn wir ihn nicht herüberholen und …«
»Sie werden dich erwischen, du Dummkopf, wenn du dich hier wegrührst! Menschenskind, denk doch mal nach, Luke! Was würdest du denn tun, wenn du verwundet bist, aber wüsstest, dass es in den Hügeln von Morristers zweibeinigen Bluthunden wimmelt? Etwa um Hilfe rufen? Nein, verdammt, du würdest dich irgendwo verkriechen und warten, bis sie weg sind! Der Teufel soll mich holen, wenn da nicht was faul ist!«
»Boss, du denkst doch nicht etwa, dass …«
»Still!«, wiederholte Langtry scharf.
Ihre Augen weiteten sich, als ein Reiter auf einer mondbeschienen Hügelkuppe jenseits des Bluebird Creek auftauchte. Obwohl er die im Schatten der Felsmauer verborgenen Männer nicht sehen konnte, duckten sie sich. Er hielt das Gewehr schussbereit über den Schenkeln. Eine hagere, lauernd im Sattel vorgeneigte Gestalt.
»Healy!« Jack Randletts Flüstern klang, als würde ihm die Kehle zugedrückt.
Eine Weile musterte Healy die im Mondlicht glänzenden Felsränder über den versteckten Planwagen. Dann drehte er sich halb auf dem Pferd und stützte eine Hand hinterm Sattel auf.
»He, Morrister!«, rief er. »Weiß der Teufel, sie sind längst über alle Berge! Hab’s mir ja gleich gedacht, dass Langtry, dieser sture Büffel, nicht auf unser Feuerwerk reinfällt! Wenn du mich