Die großen Western Staffel 4. Diverse Autoren
nach Salida zurückzubiegen.«
Ein Laut wie ein Stöhnen kam über Luke Enfields Lippen. Warnend hob Big Joe eine Hand. Da tauchten drüben gespenstisch lautlos weitere Reiter auf. Die Hufe ihrer Gäule waren mit Tüchern umwickelt. Gewehrläufe funkelten.
Der Mann neben Bob Healy zündete sich eine Zigarette an. Sekundenlang beleuchtete die Streichholzflamme ein scharfgeschnittenes Gesicht mit einem dünnen Oberlippenbart. Dean Morrister. Er war groß und sehnig. Mit seinem dunklen Streifenanzug, dem weißen Hemd und der Kragenschleife sah er wie ein Berufsspieler aus. Dazu trug er schwarze Lederhandschuhe.
Big Joe winkte ab, als Old Tate mit einem Ruck seine schwere, einschüssige Sharps an die Schulter hob. Es war nun so still, dass Langtry und seine Männer jedes Wort verstanden.
»Ob wir sie noch heute, morgen oder erst übermorgen erledigen, spielt keine große Rolle, Healy. Jedenfalls werden sie Salida ebenso wenig erreichen wie Preston und Griffin, die du am Cheyennehill vor unsere Pferde geführt hast. Nur darauf kommt es an.«
Die Hufe stampften wieder, Sattelleder jankte, Gebissketten klirrten. Gleich darauf lag der Hügel jenseits des Creek verlassen unter der Silberkugel des Colorado-Mondes. Big Joe Langtrys Fäuste umklammerten die Winchester wie Schraubstöcke. Die Männer bei ihm schwiegen noch.
»Tut mir leid, Boss«, entschuldigte sich dann Enfield leise und zerknirscht.
»Schon gut«, murmelte der Fuhrunternehmer rau. »Mir will es noch genauso wenig wie dir in den Kopf, dass Bob uns so verkauft hat! Tate, zum Teufel, wo willst du hin?«
Der knochige Oldtimer hatte sich bereits auf sein Pferd geschwungen. Die Sharps lag quer vor ihm. Die breite Stetsonkrempe verdeckte das Glimmen seiner starr auf Big Joe gerichteten Augen. Augen, die noch die Schärfe eines Falken besaßen, wenn es darauf ankam.
»Ein Wort von dir, Boss, und ich hätte Healy, diesen Höllenhund von Verräter, mit meinem Blei erwischt!«, sagte er vorwurfsvoll.
»Die Fracht ist wichtiger!«, entgegnete Langtry schroff.
»Nicht mehr für mich, Boss!«
Einen Moment war Big Joe ebenso überrascht wie Enfield und Randlett. Dann stapfte er drohend auf den sichelbärtigen Reiter zu. »Verflucht, Tate, du vergisst wohl, wer hier die Befehle gibt.«
Langsam drehte Slocum den Kopf zur Seite und spuckte aus, als könnte er so die Bitterkeit loswerden, die sich in ihm angesammelt hatte.
»Vor allem vergesse ich nicht, dass ich es war, der Preston und Griffin dazu überredet hat, nochmals ihre Skalps für deine Dollars zu riskieren! Boss, ich habe immer getan, was du wolltest. Aber jetzt kannst du mich nur noch mit ’ner gut gezielten Kugel daran hindern, mir Healy vor die Flinte zu holen.«
Es dauerte mehrere Sekunden, bis Big Joes Winchester herabsank. Der breitschultrige Mann schüttelte den Kopf.
»Du bist verrückt, Tate!«
»Verrückt genug, diesen Hundesohn mitten aus Morristers Banditenrudel herauszuschießen, wenn’s nicht anders geht!«, lachte der Weißhaarige krächzend. Seine dürre Vogelscheuchengestalt reckte sich. »Das ist das mindeste, was ich Johnny Preston und Mike Griffin schuldig bin. Sollte ich bis zum nächsten Sonnenuntergang nicht zurück sein, Boss, dann weißt du, dass ich so gestorben bin, wie ich’s mir immer gewünscht habe: In den Stiefeln.«
*
Mit zusammengekniffenen Augen spähte Coltpoker-Larry auf seiner Spur zurück. Eine graue Staubfahne hing über den mit Salbei bewachsenen Bodenwellen. Staub, der ihm verriet, wie gefährlich seine Verfolger aufgeholt hatten, obwohl er die halbe Nacht kreuz und quer nach Süden und Westen geritten war, bevor er sich für diese Richtung – Norden entschieden hatte. Wenn die Kerle das nächste Mal in seinem Blickfeld auftauchten, würden sie nahe genug für Bleigrüße aus ihren Gewehren sein. Stirnrunzelnd hängte Larry die lederüberzogene Canteenflasche an den Sattel zurück.
»Es gibt nur eine Erklärung, und die lautet: Sie haben Reservegäule dabei«, murmelte er heiser. »Was meinst du, Mr Brown?«
Der braune Hengst warf den Kopf auf und schnaubte, als hätte er ihn verstanden. Larry tätschelte ihm den Hals. Staub stieg aus dem Fell des Tieres. Kein Wunder, denn das sanftwellige, von vereinzelten Hügel- und Felsketten durchbrochene Land ringsum war knochentrocken. Seit Wochen hatte es hier nicht mehr geregnet.
Die Luft flimmerte. Hinter den Hitzeschleiern des Horizonts war die Silhouette der Rocky Mountains nur zu ahnen. Ein Grollen wie von einem heraufziehenden Gewitter erfüllte die Leere. Hufgedonner … Die Staubfahne auf Larry Langtrys Fährte wuchs.
»Da wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als einen Platz zu suchen, wo wir’s auskämpfen können.« Der junge Mann spuckte aus, als wollte er den bitteren Geschmack in seinem Mund loswerden. »Tut mir leid, Mr Brown, du wirst dich nochmals anstrengen müssen. Na los, alter Junge, lauf schon!«
Der Braune wieherte und machte einen erschreckten Satz, als der Reiter ihn mit den Sporen kitzelte. Im selben Moment knallte es, und etwas zischte wie ein Peitschenhieb knapp an Larrys Gesicht vorbei. Sein Kopf flog herum.
Für einen Augenblick lag ein wilder Ausdruck auf seinem Gesicht, als er die Reiter sah, die Bügel an Bügel auf dem Kamm hinter ihm aufgetaucht waren und wieder die Gewehre auf ihn richteten.
Sie waren zu viert, kräftige Gestalten, die nach den langen, heißen Meilen, die seit Redcliff hinter ihnen lagen, wie staubgraue Präriegespenster aussahen. Jeder hatte ein zweites gesatteltes Pferd an seinem Sattel festgeleint.
Der Bullige mit dem schwarzen Bart war Scott Tamblin. Sogar auf diese Entfernung war die Ähnlichkeit mit seinem Bruder Russ, den sie gestern mit den Stiefeln voran aus Macs Saloon getragen hatten, unverkennbar. Doch mit solchen Beobachtungen hielt Coltpoker-Larry sich jetzt nicht auf.
Kugeln umschwirrten ihn, als er tief auf Mr Brown geduckt auf die mit Felstrümmern bedeckten Hügel im Nordwesten zujagte. Schmetternde Einschläge fetzten Staubbälle zwischen den Grasbüscheln und Salbeistauden neben ihm hoch. Larry fluchte erbittert, weil er nur seinen Revolver besaß.
Mit wehenden Jackenschößen, von Staub und Pulverdampf umbrodelt, stoben sie hinter ihm heran. Kerle, deren einziges Gesetz Gewalt und Rache hieß. Männer von der Sorte, die erst schossen und hinterher die Fragen stellten – wenn sie überhaupt welche hatten.
»Lauf, Mr Brown, zeig, was du kannst! Lauf, verdammt noch mal!«, schrie Larry verzweifelt. Doch der Braune stolperte. Dunkle Schweißflecken bedeckten sein Fell. Von seinen Nüstern tropfte Schaum. In einem Anflug jäher Panik war es Larry, als würden die Hügel nicht näherrücken, sondern vor ihm zurückweichen.
Er riss den Remington heraus, drehte sich halb. Sie waren schon so nahe, dass er das wilde Lachen auf ihren rohen Gesichtern erkannte. Drohend schwang Tamblin sein Gewehr. Die anderen schossen. Eine Kugel schlitzte Larrys rechten Ärmel auf. Der Hengst stolperte abermals. Seine Lungen rasselten.
»Okay, ihr Bastarde, dann holt es euch!«, knirschte der schlanke Spieler. Es wirkte grotesk und selbstmörderisch, als er sein Pferd nur mehr fünfzig Yards vom Fuß des nächsten Hügels entfernt vor den blitzenden und qualmenden Karabinern seiner Verfolger herumriss. Die Flanken des Braunen zitterten.
Im ersten Moment waren Tamblin und seine Kumpane so überrascht, dass sie ihre Gäule heftig zurückrissen. Staub hüllte sie ein. Coltpoker-Larry duckte sich. Der Stetson hing an der Windschnur auf seinem Rücken. Schweißnass glänzendes Haar nagelte sich in seine Stirn.
»Komm her, Tamblin, wenn du was von mir willst! Bist du zu feige, es allein mit mir auszutragen?«
Die Wildheit des Verlorenen glühte in seinen Augen. Er sah die Schurken wie hinter einer Wand aus weißlichem Feuer. Der Bärtige hob rasch eine Hand, als seine Begleiter wieder losstürmen wollten. Er raunte ihnen etwas zu. Da ließen sie die Karabiner sinken. Einer von ihnen war Meeker, der hagere Bursche, der mit Tamblins Bruder im Saloon gewesen war. Scott Tamblin trieb seinen Pinto ein paar Schritt nach vorn.
»Ich komme, Langtry! Mein