Diaula und das Dorf am Hang. Maya Grischin

Diaula und das Dorf am Hang - Maya Grischin


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Flipperkönig Kollegger über die Schwelle. Er schob den Zwerg zur Seite. Beleidigt verschwand das bucklige Männlein. Aurel blieb im Gegenlicht stehen. Sein Lockenkranz leuchtete auf wie ein Heiligenschein.

      „Meine Diaula ist wieder hier! Ich habe so lange auf dich gewartet!“

      Ich stürzte in seine ausgebreiteten Arme und schloss die Augen. Ich wurde ruhig, und alle Ängste und Zweifel der letzten Zeit fielen von mir ab. Kolleggers Waldgeruch, der mir seit meiner Kinderzeit so lieb ist, umnebelte mich wieder.

      „War die Tür offen?“, wunderte sich Aurel und fuhr fort:

      „Ich nehme an, dass dir Unsere Liebe Frau geöffnet hat!“ und zeigte auf die leere Nische.

      „Sie ist immer noch hier, auch wenn ihr Standbild verschwunden ist! Wir müssen sie gar nicht suchen! Sie ist überall, nicht nur an diesem abgelegenen Ort! Eigentlich brauchen wir gar kein Bildnis von ihr. Sie ist in uns drin. Wir müssen nur still sein, dann hören wir ihre leise Stimme, ihren Trost und ihren Rat!“, meinte Kollegger. Ich blickte auf zu den Votivgaben, den zahlreichen Silberherzen, Wachsfüßen und Holzhänden an der Wand, die von der Güte der Madonna zeugten.

      „Ich habe ihr glockenhelles Lachen gehört, als ich hereinkam!“, sagte ich dann und Kollegger sah mich an:

      „Das ist sie! Unsere Liebe Frau vom Schnee, der Meerstern, der verschlossene Garten, unsere liebe Regina Coeli … Salve, regina, mater misericordiae, vita, dulcede et spes nostra, salve …“

      Der Jenische kniete nieder und betete still. Dann, aufstehend:

      „Es ist schön, dass du endlich zurückgekommen bist, Diaula! Ich bin so froh. Ich habe lange auf dich gewartet. Du hast mir sehr, sehr gefehlt. Aber ich wusste, dass du irgendwann wiederkommst.“

      Wir schauten uns lange in die Augen, und mir wurde warm von seinem Blick. Ich hatte das Gefühl, endlich, nach langer Reise, zu Hause angekommen zu sein.

      Ich breitete ein weißes Tuch auf dem Steinboden aus. Kollegger öffnete die Weinflasche, indem er sie dreimal sanft an die Wand schlug und den Zapfen herausspringen ließ, schenkte uns vom Wein ein, der rotbraun und klar in die Blechtassen floss und sagte:

      „Der Wein des Bischofs von Chur, dieser Churer Schiller, der tut gut. Zum Wohl, Monsignore! Zum Glück so weit weg und nicht ahnend, was in unserem Dorf im Valsass so alles so vor sich geht!“

      Wir setzten uns in die hinterste Bank und aßen, nicht ohne vorher einen Teller mit etwas Brot, Käse, Wurst und auch einen Schluck Wein in einer Tasse vor die Nische der lieben Frau hinzustellen. Der an die Außenwand gemalte heilige Christophorus – der durch Wände hindurchzuschauen vermag – bewachte die Gabe mit begehrlichen Augen.

      Aurel vergewisserte sich, dass der Zwerg verschwunden war, schloss das Tor und drehte den Schlüssel und setzte sich wieder zu mir. Er erzählte leise, was sich in den Jahren meiner Abwesenheit in Devonn alles zugetragen hat. Er schilderte den illegalen Bau der Privatklinik Huggentobler auf der Allmend – mit Steuergeldern des Kantons und Subventionen des Bundes –, obwohl die Bürger der Region mit großer Mehrheit gegen den Bau waren. (Aber die sind ja sowieso immer erst gegen alles Neue.)

      Ich erkundigte mich nach den Eskapaden des buckligen Männleins. Aurel berichtete, dass der Zwerg, der sich jetzt Frocin N.N. nennt, sich als Anwalt und Alchemist ausgibt, der kurz vor dem Durchbruch stehe, wie Rumpelstilzchen Gold herstellen zu können! Er verbreite es überall, aber bislang sei er nur um Huggentobler geschwänzelt und erledige grobe Arbeiten für ihn, wie etwa das Entsorgen von Klinikabfall.

      Aurel erzählte leise von Huggentoblers großen Erfolgen und von dessen Freund und Mitstreiter, dem Chirurgen Professor Béranger Brechbühl aus Lausanne und dem gerissenem Prokuristen Heini Bindschädler. Er erwähnte die vielen reichen Fremden aus aller Herren Länder, kinderlose Patienten, die mit neuer Hoffnung auf Nachwuchs sich von Huggentobler in der Klinik beraten und behandeln lassen, wo viele Männer und Frauen aus dem Dorf Arbeit gefunden haben.

      Auch der Zerfall des alten Kurhotels – mit der geschnitzten Holzveranda und den halb blinden Spiegeln im Speisesaal – wurde von Kollegger beschrieben. Da das neuerbaute Sporthotel auf der Höhe viel mehr Bequemlichkeit bietet, musste das verträumte Kurhotel nun endgültig die Pforten schließen. Was damit geschehen soll, ist noch ungewiss. (Wahrscheinlich wird die Gemeinde damit spekulieren.) Er berichtete auch von der hässlichen Überbauung des Scaldegn und den illegalen Abwasserleitungen und von den endlosen und heftigen Streitereien über den Müll in den Gemeindeversammlungen.

      Ich erfuhr auch, dass Sep Gadient im Frühjahr immer noch mit seinem klapprigen Pferd den Kartoffelacker pflügt, die Tochter von Venzin einen Griechen geheiratet hat, Gion Barandun junior im letzten Winter das Ski-Abfahrtsrennen in Valbella gewonnen hat und der jüngste Sohn von Calonder bereits in der Rekrutenschule ist.

      Kollegger erwähnte stolz die Steinadler, die sich endlich wieder vermehren. Aber vor allem erzählte er mit glänzenden Augen von unserer Prada persa, wo er neulich drei mit Wolfswelpen spielende Jungbären beobachtet hat, und von einer Wölfin, die ein Gämskitz säugte. Die einst steinige und verfluchte Wiese, jetzt ein Paradies, grünt und blüht.

      Dann saßen wir lange still. Kollegger hatte seinen Arm um mich gelegt und ich schmiegte mich an seine Schulter, genoss die Ruhe seiner Gegenwart und ließ mich in etwas unbeschreiblich Helles und Warmes fallen.

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