Marie Grubbe. Jens Peter Jacobsen

Marie Grubbe - Jens Peter Jacobsen


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Jahre her, ich vergess ihm das nie von wegen dem Schabernack ... Indigofarbe, seht, die macht schwarz, und die macht dunkelblau, und die macht hellblau, einzig und allein je nachdem die Beize ist; auf die Beizung aber kommt es an. Brühen und Farbkessel herrichten, das kann jedweder Bursch, indes kommts nur auf den Handgriff an, aber beizen! – richtig beizen – das ist eine Kunst. Beizt man zu stark, so verbrennt man das Garn oder das Zeug, oder was es nun sein mag, so daß es in allen Stücken mürbe wird; und beizt man zu schwach, so kann die Farbe niemals halten und färbte man mit dem allerkostbarsten Blauholz. Seht, darum ist die Beizerei auch ein verschlossen Geheimnis, das man nicht weiterlehrt – seinen Sohn wohl, aber niemals den Gesellen. Nein ...«

      »Jawohl, Meister Gert,« sagte der Kaufmann, »wohl, sehr wohl!«

      »Nun,« fuhr der Färber fort, »wie ich erzählen wollte, so hatt ich vor ein Stücker zehn Jahren einen Burschen, der hatt ein schwedisches Weibsbild zur Mutter, und der hatt sich nun vorgesetzt, er wolle herauskriegen, was für eine Beize es war, die ich zum Zimmetbraun gebrauchte. Aber dieweil ich immer die Beize bei verschlossenen Türen abwäge, war das Ding ja nicht so bequem anzugreifen. Auf was, glaubt Ihr wohl, daß der Teufelsbube verfällt? Hört nur! Es ist so schlimm mit den großen Tieren da auf der Wasserkunst, die zernagen uns Wolle und auch Twist, und derohalb hängen wir immer das, was uns zum Färben gebracht wird, in großen Segeltuchsäcken unter der Decke auf. Bringt er da nicht, dies Satanspack, einen von den Lehrjungen dazu, ihn in einen von den Säcken da hinaufzuhissen und – ich komme herein, und ich wäge und mische und richte zu und bin schon halb zu Ende damit, da schicket es sich so künstlich, daß der Krampf eines seiner Beine da oben im Sack packt, und er fängt an zu zappeln und zu schreien: ich möcht ihm herunterhelfen ... und ob ich ihm half! – Tod und Teufel! aber es war auch ein rechter Canaillenstreich, den er mir da gespielt hat, ja, ja, ja! Und so sind sie allesamt, die Schweden, man kann ihnen nie über die Schwelle trauen!«

      »Nein, darin habt Ihr ganz recht; sie sind gar arge Leute, die Schweden,« sagte Erik Lauritzen; »zu Hause haben sie nichts zu beißen und zu brechen, und kommen sie dann einmal hinaus, so hören sie gar nicht wieder auf zu schlemmen und zu prassen; sie sind geradeso wie die Armenhauskinder: sie essen sowohl für den gegenwärtigen Hunger wie auch für den zukünftigen und den vergangenen dazu. Stehlen und an sich raffen; das können sie besser als Rabengezücht und Lumpengesindel; – und so mordgierig sind sie! nicht umsonst sagt man: ihm sitzt das Messer so lose wie dem schwedischen Lasse.«

      »Und so leichtfertig!« fiel der Färber ein, »es soll ja nie vorkommen, daß der Schinder ein Weibsbild zur Stadt hinauspeitscht und man da fragt, was das wohl für eine Kreatur ist, daß man nicht die Antwort bringt: es sei eine schwedische Dirne.«

      »Ja, das Blut der Menschen ist so verschieden, und das der Tiere auch. Der Schwede ist nun unter den Menschen, was die Meerkatz unter den unvernünftigeren Biestern ist; da ist so viel unzüchtig Vernunft und hastig Glut in seinen Lebenssäften, daß die natürliche Vernünftigkeit, mit der Gott ja alle Menschen beschenket hat, seine argen Triebe und sündigen Begierden nicht zu zügeln vermag.«

      Der Färber nickte ein paarmal zu dem, was der Kaufmann vorbrachte, und sagte dann: »Richtig, Erik Lauritzen, richtig; der Schwede ist von einer eigenen und absonderlichen Natur, andersartig als wir anderen Menschen. Ich kann allemal riechen, wenn eine fremdländische Person zu mir in meinen Laden tritt, ob er ein Schwede ist oder aus anderlei Volk. Der Schwede hat einen so scharfen Geruch an sich wie Ziegenböcke oder Fischlake. Ich hab so oft meine eigenen Gedanken bei der Sach gehabt, aber es ist so, wie Ihr es ausleget, es sind Dünste von seinen hitzigen und bestialischen Säften, so ist es.«

      »Es ist doch kein Wunderzeichen,« warf ein altes Weib hin, das danebenstand, »wenn Schweden und Türken anders riechen als wie Christenmenschen tun.«

      »Ach, was die da schwatzt, Mette Senfkökerin!« unterbrach sie der Färber, »glaubt Sie, daß der Schwede kein Christenmensch ist?«

      »Ihr könnt sie ja Christen nennen, Färber Gert, wenns Euch so gefällt, aber Finnen und Heiden und Zauberer, das sind nach meinem Postillenbuch nie Christenmenschen gewesen; und das ist doch so wahr wie Gold, daß es zu Lebzeiten des hochseligen König Christian, damals als der Schwede in Jütland lag, also zuging, daß ein ganzes Regiment in einer Neumondnacht, als sie im besten Marschieren waren und es gerade Mitternacht wurde, auseinanderrannte wie die Werwölfe und anderes Teufelspack und heulend umherlief durch alle Wälder und Moore und Unheil anrichtete unter Menschen und Vieh.«

      »Aber sie besuchen doch Sonntags die Kirche, weiß ich, und haben Pfarrer und Küster so wie wir.«

      »Jawohl! könnt Ihr mir das bloß weismachen! Die Kirche besucht das Teufelspack wohl desselbigengleichen wie die Hexen zum Vespergottesdienst fahren, wenn der Böse Johannismette auf dem Blocksberg hält. Nein, und sie sind verhext und kugelfest; bei ihnen beißt nicht Kugel noch Blei, und sie haben einen bösen Blick, die Hälfte von ihnen; oder für was, glaubet Ihr, haben die Pocken jedesmal grassiert, sobald die Höllenkumpane ihre vermaledeiten Füße hier in das Land gesetzt haben? Antwortet mir auf das, Meister Färber! antwortet mir auf das, wenn Ihr könnt!«

      Der Färber wollte just antworten, als Erik Lauritzen, der eine Weile dagestanden und sich unruhig umgesehen hatte, ausrief: »Still, still, Gert Pyper, was ist das wohl für eine Person, die dort so wie predigend redet und so dicht von den Leuten umdränget wird?«

      Sie eilten zu dem Schwarm hin, und währenddes berichtete Färber Gert, daß es ihn bedünke, es sei ein gewisser Jesper Kiim, der die Predigt in der Heiligengeistkirche gehalten habe, der aber, wie er gelahrte Leute haben sagen hören, nicht so ganz richtig in seinem Glauben sei, wie es seiner Seligkeit und geistlichen Karriere dienlich wäre.

      Es war ein doggenähnlicher, kleiner Mann von etwa dreißig Jahren mit langem, glattem und schwarzem Haar, breitem Gesicht, dicker, kleiner Nase, lebhaften, braunen Augen und roten Lippen. Er stand oben auf einer Haustürtreppe, gestikulierte stark und sprach schnell und feurig, aber ziemlich rauh und lispelnd.

      ... »Im sechsundzwanzigsten Kapitel«, sagte er, »schreibt der Evangelist Matthäus 51–54 also: ›Und siehe, einer von denen, die mit Jesu waren, reckte die Hand aus und zog sein Schwert und schlug des Hohenpriesters Knecht und hieb ihm ein Ohr ab. Da sprach Jesus zu ihm: ›Stecke das Schwert an seinen Ort; denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen. Oder meinest du, daß ich nicht könnte meinen Vater bitten, daß er mir zuschickte mehr denn zwölf Legionen Engel? Wie würde aber die Schrift erfüllet? Es muß also gehen.‹

      »Ja, lieben Landsleute! es muß also gehen. – Nun lieget vor den niedrigen Wällen und der schwachen Befestigung dieser Stadt ein allmächtiger Haufe von wohlgerüsteten Kriegsleuten, und ihr König und Kriegsoberster hat seinen Mund aufgetan und Order und Befehl an sie ergehen lassen, daß sie mit Feuer und Schwert, mit Brennen und Belagerung sich diese Stadt und alles, so darinnen ist, Untertan und gänzlich zu eigen machen.

      »Und die, so in der Stadt sind und sehen ihre Wohlfahrt bedräuet und ihren Ruin unmenschlich beschlossen, die legen Waffen an, die bringen Feuermörser und anderes schädliches Kriegsgerät auf die Wälle, und sie reden sich selber zu und sagen: Geziemet es uns nicht, mit brennender Lohe und blankem Schwert den Friedensstörern aufs Fell zu rücken, so uns platterdings wollen zugrunde richten? Wozu hat wohl Gott im Himmel Kuraschigkeit und Furchtlosigkeit in des Menschen Brust erwecket, wenn nicht, um solch einem Feind zu widerstehen und ihn zu verderben? Und wie der Apostel Petrus ziehen sie ihr Schlachtschwert und wollen plötzlich Malcho sein Ohr abhauen. Aber Jesus sagt: ›Stecke das Schwert an seinen Ort; denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen.‹ Wohl mag das für die Unvernunft der Zornigen wie eine wunderliche Rede klingen und scheinen wie eine Torheit für die unsehende Blindheit des Haßerfüllten. Aber das Wort ist nicht wie der Schall einer Trompete, bloß zu hören; – gleichwie ein Schiffsraum, der mit vielen nützlichen Dingen beladen ist, also ist das Wort geladen mit Vernünftigkeit und Bedenken, denn das Wort ist ein Sinn zum Auffassen und Verstehen. Derohalben lasset uns das Wort erforschen und sukzessive herausfinden, wie es richtig ausgeleget werden muß. – Aus welcher Ursache soll das Schwert


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