Meine Zeit im geteilten Deutschland bei voller Beleuchtung. Joachim Sdunek
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Das Fischkombinat brauchte immer qualifizierten Nachwuchs, denn die Flotte wuchs ständig mit neuen Schiffen an.
Ich sollte Elektroingenieur werden. Ich rechnete mir aus, dass Elektromeister auch ausreichend wäre. Der Elektromeister verdiente nur geringfügig weniger als ein Elektroingenieur und hatte eine wesentlich kürzere Studienzeit.
Der Kaderleiter (Personalchef) Albert Ganz, redete mit Engelszungen auf mich ein. Ich blieb bei meinem Entschluss und wurde Elektromeister.
Ich fuhr dann nur noch kurze Zeit zur See, denn die Einberufung zur Armee kam auf mich zu.
Bevor ich einberufen wurde, sprach ein Mitarbeiter der Staatssicherheit mit mir. Er eröffnete mir, dass ich an die Grenze käme und wollte mich als IM anwerben. Das Gespräch bereitete mir Unbehagen. Ich arbeitete vor meiner Einberufung ganz kurze Zeit an Land in einem relativ kleinen Kollegenkreis.
Ich sprach offen über das Gespräch und machte mich über das Ansinnen meines Gesprächspartners lustig.
In meiner Stasiakte konnte ich später lesen: »Anwerbung in der Aktion ›Grün‹ abgebrochen. Grund: Schwatzhaftigkeit.«
1Dietrich Striebel, Wulf-Heinrich Hahlbeck; Hiev up – So war die Hochseefischerei der DDR, Koehlers Verlagsgesellschaft mbH Hamburg
Die Politik und ich
Mein Vater war Jahrgang 1926 und gehörte zu der Generation von jungen Leuten, die nach dem Krieg eine neue Orientierung suchten. Er hatte das Kriegsende zwar noch als Soldat erlebt, war aber nicht traumatisiert wie sein älterer Bruder. Meinem Vater schien es sinnvoll, sich für den sozialistischen Aufbau des Landes zu engagieren. Der Sozialismus mit seinen Zielen war für viele Menschen nach dem Krieg erstrebenswert.
Die große Politik der Siegermächte hatte zwei deutsche Staaten entstehen lassen. Deutschland gehörte nicht mehr sich selbst, es hatte verspielt und wurde fremdbestimmt.
Der naturgemäße Unterschied zwischen meinem Vater und mir war, das er die Jahre nach der Gründung der DDR echt und in Farbe erlebt hatte. Aus meiner Sicht war ich bis Anfang der Siebzigerjahre zwar nicht unpolitisch, aber eher Opposition. Das hat Jugend wohl so an sich. Wenn es einem gut geht, riskiert man gerne mal eine große Klappe.
Ich wurde in meinem Elternhaus nie zu einer angepassten politischen Haltung gezwungen. Im Gegenteil, ich war offen, ehrlich und frei.
Mein Vater kam in meiner Erinnerung nie wie andere Väter zu normalen Feierabendzeiten nach Hause. Er kam spät abends und auch oft mit Kollegen und Freunden, die dann bis spät in die Nacht diskutierten. Für uns Kinder war das nicht so gut, denn wir mussten ja am nächsten Morgen zur Schule.
Diese nächtlichen Politdiskussionen führten bei mir nicht dazu, dass ich Politik gut fand. Eine gewisse Neugier stellte sich aber ein.
Als Kind und heranwachsender Jugendlicher bekam ich nicht wirklich den Aufbau des Staatswesens der DDR mit.
Gesellschaftswissenschaften sind Wissenschaften, die man nicht im Labor erforschen kann. Das bedeutet aber nicht, dass einem die Experimente nicht genauso um die Ohren fliegen können wie im Labor.
Der 17. Juni 1953 war der erste Beweis dafür. Es beteiligten sich 1 Million Menschen an den Demonstrationen und es gab 55 Tote. Die Arbeiterschaft demonstrierte für freie Wahlen, gegen zu hohe Arbeitsnormen bei zu geringem Lohn und Lebensmittelmarken.
Der 17. Juni machte auch klar, dass ausschließlich die Sowjetunion in ihrem besetzten Gebiet das Sagen hatte. Der Aufstand wurde mit sowjetischen Panzern zusammengeschossen. Es gab in der DDR niemals einen Politiker an der Spitze, der je etwas ohne die Genossen in Moskau entscheiden konnte.
Die Vorbereitungen, ein Gebiet nach sowjetischem Vorbild aufzubauen, hatten schon vor Kriegsende begonnen. Aus der Sowjetunion kamen 70 geschulte deutsche Politkader, die Schlüsselpositionen beim Neuaufbau des Landes einnehmen sollten.
Unter ihnen die Gruppe um Walter Ulbricht für den Raum Berlin, die Gruppe Anton Ackermann in Sachsen und die Gruppe Sobottka für Mecklenburg/Vorpommern.
Die politisch Aktiven mussten immer die absolute Treue zur Sowjetunion garantieren. Innerhalb der SED gab es von Beginn an Überlegungen für einen besonderen deutschen Weg zum Sozialismus.
Anton Ackermann verfasste schon 1948 seine Schrift »Der deutsche Weg zum Sozialismus«. Er wurde gedrängt, diese Schrift schon im September 1948 zu widerrufen.
Der Einzige, der einen nationalen Weg zum Sozialismus gehen konnte war Josip Broz Tito in Jugoslawien. Tito sagte sich 1948 von Stalin los.
Die Gründung der SED wurde auf Drängen Moskaus vorangetrieben. Es sprach viel dafür, aus KPD und SPD eine einheitliche Partei zu schaffen. Die Probleme dieser Vereinigung waren in den Anfangsjahren aber immer wieder Diskussionsstoff in der SED. Mit dem Zauber der Parteidisziplin und dem Kampf für eine gerechte Sache, bekam man das aber in den Griff.
In meinem Bewusstsein gab es funktionierende Strukturen in der DDR. Es gab ein gutes Gesundheitswesen, ein Sozialversicherungswesen, in das jeder einzahlte, ein einheitliches Bildungswesen und Ausbildungswesen. Bemerkenswert ist, dass in meinem Geburtsjahr 1952 Universitäten, Akademien, Hochschulen und Ausbildungsstätten aller Art schon wieder funktionierten.
In meiner Familie haben alle Cousins und Cousinen nach ihrer Facharbeiterausbildung noch eine Zusatzausbildung bzw. ein Studium absolviert. Ein Cousin war Facharbeiter, Ingenieur und Diplomsportlehrer. Er machte eine Karriere als Trainer. Ein anderer war Meister in der Tier- und Pflanzenproduktion. Unter meinen Cousinen gab es eine Lehrerin, eine Medizinerin und studierte Betriebsökonomen.
In meiner Heimatstadt Rostock entstand der Überseehafen als große Gemeinschaftsleistung der DDR-Bevölkerung. Es wurden in der ganzen Republik Steine dafür gesammelt. Es wurde das Ostseestadion mit Hilfe der Rostocker erbaut. Der Schiffbau begann in Serie und in Massen zu produzieren. Die großen Seefahrtsbetriebe des Fischkombinates Rostock und der Deutschen Seereederei erlangten weltweite Bedeutung.
Die Fischer waren vom Nordpol bis zum Südpol unterwegs. Die Deutsche Seereederei hatte das umfassendste Liniennetz in Europa. In der Spitze wurden mit 203 Schiffen Häfen in mehr als 100 Ländern angelaufen. Diese Reederei war in ihrer Struktur und ihrem Charakter einzigartig in der Welt.
Solche und ähnliche Entwicklungen vollzogen sich in der gesamten DDR.
Das gilt für die Stahlindustrie im brandenburgischen Eisenhüttenstadt, die aus dem Boden gestampft wurde, für die Chemieindustrie im Raum Halle und für das größte Braunkohleveredlungswerk der Welt »Schwarze Pumpe«.
Die Wismut AG war eine sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft. Die DDR war der viertgrößte Uranlieferant der Welt. Dieses Uran diente ausschließlich der sowjetischen Atombombe.
Das Gleichgewicht der Atommächte USA und Sowjetunion war in der Zeit von großer Bedeutung.
Der Kohlebergbau und die Erzgewinnung funktionierten in diesem an Rohstoffen armen Land.
Die Abwesenheit von Krieg ist einfach wunderbar. Es gibt wirtschaftliche Erfolge, Fehleinschätzungen und Fehler, die korrigiert werden können. Die Dynamik des Lebens bleibt allgegenwärtig. Ein größeres Geschenk kann man den Menschen nicht machen.
Im Hintergrund dieses friedlichen Aufbaus blieben die beiden deutschen Staaten aber besetzte Gebiete. Vordergründig interessiert die Menschen, dass sie arbeiten können, dass sie satt und zufrieden sind.
In den Staaten, die sowjetisch besetzt waren, gab es immer ein Denken über den Tellerrand hinaus.
Im Jahr 1968 begann der sogenannte »Prager Frühling«. Das war ein neues Denken, das von der Staatsführung der CSSR ausging. Ein nationaler Weg zum Sozialismus. Es dauerte nicht sehr lange, bis die sowjetischen Panzer dagegen vorgingen.
Ich machte