Tom Jones. Генри Филдинг

Tom Jones - Генри Филдинг


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andern ganz guten auch diese sehr triftige Ursache für ihr Verfahren anführen, daß sie auf diese Art, wenn sie siegen, um so mehr Ehre einernten und um so weniger Unehre, falls sie ja durch einen unglücklichen Zufall einmal den kürzeren ziehen sollten.

      Herr Alwerth hatte nicht so bald sein Haupt emporgehoben und dem Himmel für die gute Hoffnung zu seiner Genesung gedankt, als sein Neffe Blifil mit einem höchst niedergeschlagenen Wesen seinen Stuhl näher zum Bette rückte und, nachdem er sein Taschentuch vor die Augen gebracht hatte, um seine Thränen abzuwischen, oder, wie Ovid sich irgendwo bei einer andern Veranlassung ausdrückt:

       »Si nullus erit, tamen excute nullum,«

      »Ist keine da, so wisch' die weg, die nicht da ist,«

      machte er seinem Onkel bekannt, was der Leser eben erfahren hat.

      Alwerth nahm die Nachricht auf mit Betrübnis, mit Geduld und mit Unterwerfung. Er vergoß eine Thräne der Zärtlichkeit, dann nahm er ein unruhiges Gesicht an und rief endlich aus: »Des Herrn Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden!«

      Er erkundigte sich nunmehr nach dem Ueberbringer dieser Nachricht, aber Blifil sagte ihm, es wäre ihm unmöglich gewesen, den Mann nur einen Augenblick aufzuhalten, denn aus der übergroßen Eile, worin er gewesen, habe es ihm geschienen, daß er ein sehr wichtiges Geschäft in Händen haben müßte: er habe sich beklagt, daß er dergestalt herumgetrieben würde, daß er seines Lebens kaum froh würde, und habe oft wiederholt, daß, wenn er sich in vier Teile teilen könnte, er doch für jeden Teil der Geschäfte die Menge habe.

      Herr Alwerth sagte darauf seinem Neffen, er möchte für das Leichenbegängnis Sorge tragen. Er äußerte dabei, daß seine Schwester in seiner eigenen Kapelle niedergesetzt werden möchte; die übrigen Umstände überließ er seiner eignen Willkür, nur daß er den Geistlichen ernannte, welcher bei der Bestattung sein geistliches Amt vernichten sollte.

      Welches unter andrem auch als ein Kommentar über die Stelle im Aeschines dienen kann, wo er sagt: Trunkenheit zeigt das Gemüt eines Menschen, wie ein Spiegel seine persönliche Gestalt zurückwirft.

      Der Leser mag sich vielleicht wundern, daß er im vorigen Kapitel kein Wort von Jones gehört hat. Die Ursache davon ist: sein Betragen war von dem Betragen der andern darin erwähnten Personen so verschieden, daß wir lieber seinen Namen mit den ihrigen nicht vermengen mochten.

      Nachdem der edle Mann seine Rede abgebrochen hatte, war Jones der letzte, der das Zimmer verließ. Er begab sich von da in sein eigenes, um seiner Betrübnis freien Lauf zu lassen. Allein die Unruhe seines Gemüts erlaubte es ihm nicht, lange daselbst zu verbleiben. Er schlich sich also leise auf den Zehen herunter bis an Herrn Alwerths Stubenthür, vor der er eine ziemliche Zeit lauschte, ohne darin die geringste Bewegung zu vernehmen, ausgenommen ein heftiges Schnarchen, welches ihn endlich seine Furcht für das letzte Todesröcheln halten ließ. Dies beängstigte ihn dergestalt, daß er sich nicht enthalten konnte, in das Zimmer hineinzuschleichen. Hier fand er nun den guten Mann in einem hübschen geruhigen Schlafe und seine Krankenpflegerin auf die obbesagte Art am Fuße des Bettes herzlich schnarchen. Er ergriff augenblicklich das einzige Mittel, diesen Generalbaß ins Pausieren zu setzen, weil er fürchtete, seine Musik möchte den Schlaf des Herrn Alwerth stören; und nachdem er sich bei der Wärterin niedergesetzt hatte, blieb er still, ohne sich zu regen, bis Herr Blifil und der Doktor zusammen hereintraten und den guten Mann aufweckten, damit der eine ihm den Puls befingern und der andre ihm die Zeitung überbringen könne, welche schwerlich unter diesen Umständen ihren Weg zu Herrn Alwerths Ohr gefunden haben möchte, wenn Jones den geringsten Wind davon gehabt hätte.

      Jones, als er den Anfang dieser Geschichte hörte, welche Blifil seinem Onkel erzählte, konnte kaum den Zorn zurückhalten, welcher sich in seiner Brust über des andern Unbehutsamkeit entzündete, um so mehr da der Doktor dabei den Kopf schüttelte und seine Unzufriedenheit darüber bezeigte, daß man dem Kranken diese Nachricht sagen wollte. Allein da ihn sein Zorn nicht in dem Grade des Gebrauches seines Verstandes beraubte, daß er nicht die Folgen hätte begreifen sollen, welche heftige Ausdrücke gegen Blifil hätten für den Kranken hervorbringen können, so besänftigte diese Sorgsamkeit für jetzt seinen Aerger, und nachher ward er so vergnügt, als er fand, daß diese Nachricht wirklich kein Uebel gestiftet habe, daß er seinen Unwillen in seiner eigenen Brust ersterben ließ, ohne seiner jemals gegen Herrn Blifil zu erwähnen.

      Der Arzt aß des Mittags in Herrn Alwerths Hause, und als er nach Tische seinen Patienten besucht hatte, sagte er der Tischgesellschaft, da er wieder zurück kam, daß er nunmehr das Vergnügen haben könne, mit Zuverlässigkeit zu sagen: sein Patient sei außer aller Gefahr, sein Fieber habe sich nunmehr völlig gebrochen und er zweifle nicht, er würde mit einer Gabe Chinarinde sicher verhindern, daß es wiederkehre.

      Diese Nachricht gefiel unserm Jones dermaßen und setzte ihn in einen solch hohen Grad der Entzückung, daß man mit Wahrheit von ihm hätte sagen können, er sei freudetrunken. Eine Trunkenheit, welche der Wirkung des Weines sehr zu statten kommt. Und da er bei dieser Gelegenheit gar nicht blöde mit seiner Weinflasche war (denn er trank manchen Bumper auf die Gesundheit des Doktors sowohl als andrer Personen), so ward er bald in buchstäblichem Verstande betrunken.

      Jones hatte von Natur sehr bewegliche und heftige Lebensgeister. Da diese durch den Weinspiritus vermehrt und in Gang gesetzt wurden, so brachte das die allersonderbarsten Wirkungen hervor. Er küßte den Doktor und umarmte ihn unter den heftigsten Liebkosungen, schwur, daß er ihn nächst Herrn Alwerth selbst unter allen lebenden Menschen am liebsten hätte. »Doktor,« setzte er hinzu, »Sie verdienen, daß man Ihnen auf gemeine Kosten ein öffentliches Denkmal setzte, weil Sie einen Mann erhalten haben, der nicht nur der Liebling aller guten Menschen ist die ihn kennen, sondern eine Wohlthat für die Menschheit, eine Ehre seines Vaterlandes und ein Triumph der menschlichen Natur. Gott soll mich strafen, wenn ich ihn nicht lieber habe wie meine eigne Seele!«

      »So mehr Schande für Sie, junger Herr!« rief Schwöger, »ob ich wohl glaube, daß Sie Ursache haben ihn zu lieben, denn er hat sie gar artig bedacht. Und vielleicht wäre es für jemand besser gewesen, wenn er nicht gelebt hätte, um gute Gründe zu finden, sein Vermächtnis wieder zurückzunehmen.«

      Jones, der jetzt auf Schwöger mit unaussprechlicher Verachtung herabsah, antwortete: »Und glaubt Eure jämmerlich kleine Seele, daß irgend eine solche Betrachtung bei mir vom geringsten Gewicht sein könne? Nein, laßt die Erde sich aufthun und ihren eigenen Kot verschlingen (denn so würde ich es nennen, wenn ich eine Million Acker besäße), lieber, als daß sie meinen teuern, glorwürdigsten Freund verschlinge.«

       Quis desiderio sit pudor aut modus

       Tam cari capitis?

      Um solch ein liebes Herz, wer schämte sich

      Der Sehnsucht, oder wüßte je ihr Maß?

      Hier legte sich der Doktor dazwischen und verhinderte die Wirkungen eines Zorns, der sich zwischen Jones und Schwöger entzündet hatte. Hierauf gab der erste seiner Munterkeit Raum, sang ein Paar oder mehr verliebte Lieder und fiel in alle jene Unordnung, welche eine ungezähmte Freude einzuflößen pflegt. Aber so weit war er entfernt von aller Neigung zum Zank, daß er womöglich noch zehnmal friedfertiger und aufgeräumter war, als bei gewöhnlichem nüchternen Mute.

      In Wahrheit, nichts kann irriger sein als die gemeine Sage, daß bösartige, zänkische Menschen beim Trunke die würdigsten Personen bei nüchternem Mute sind, denn wirklich kehrt Trunkenheit die menschliche Natur nicht um, oder erschafft Leidenschaften in ihnen, welche vorher nicht da waren. Sie schafft allerdings die wachende Vernunft beiseite und nötigt uns folglich, uns in der Gestalt zu zeigen, welche manche, so lange sie nüchtern sind, Kunst genug besitzen, zu verbergen. Sie erhöht und entzündet unsre Leidenschaften (freilich am gewöhnlichsten diejenige, welche eben in unsrem Gemüt die Oberhand hat,) solchergestalt, daß die zänkischen Gemüter, die Verliebten, die Großmütigen, die Friedseligen, die Geizigen, kurz alle menschlichen Gemütsarten beim Trunke sich am deutlichsten zu Tage legen.

      Und


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