Total Compensation. Frank Maschmann
vereinbarten Fälligkeit, spätestens jedoch am letzten Bankarbeitstag in Frankfurt am Main des auf die Arbeitsleistung folgenden Monats, zu zahlen. Dem entgegenstehende Vereinbarungen sind unwirksam, § 3 Satz 1 MiLoG.233 Fehlt es an einer vereinbarten Fälligkeit, gilt § 614 BGB, nach welchem der Arbeitnehmer vorleistungspflichtig ist. Kommt der Arbeitgeber diesen Pflichten nicht nach, droht ihm ein Bußgeld in Höhe von bis zu 30.000 EUR, § 21 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 3 MiLoG. Da der Mindestlohn in jedem Lohn als Sockelbetrag steckt (s. Rn. 1), gilt § 2 MiLoG für diesen Mindestlohnanteil auch dann, wenn der Arbeitnehmer ein weit über dem Mindestlohnniveau liegendes Gehalt erhält.234 Branchenspezifische Fälligkeitsregelungen nach den §§ 7, 7a, 11 AEntG sowie § 3a AÜG gehen dem Mindestlohngesetz vor, soweit die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 MiLoG erfüllt sind.235
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§ 2 Abs. 2 MiLoG enthält nicht-tarifdispositive Vorgaben236 zu vergütungsrechtlichen Arbeitszeitkonten. Ob diese zusätzlich auch als Gleitzeit- oder Überstundenkonto verwendet werden, hat für das MiLoG keine Bedeutung.237 Arbeitszeitkonten müssen schriftlich vereinbart werden, wobei neben Regelungen im Arbeitsvertrag auch solche in einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung sowie in einem normativ bzw. infolge schriftlicher Inbezugnahme geltenden Tarifvertrag als ausreichend anzusehen sind.238 Dort eingestellte Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen, § 2 Abs. 2 Satz 3 MiLoG.239 Außerdem sind sie spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen, § 2 Abs. 2 Satz 1 MiLoG.240 Endet das Arbeitsverhältnis, ist das Arbeitszeitkonto spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnis folgenden Kalendermonat zu saldieren, § 2 Abs. 2 Satz 2 MiLoG.
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Diese Vorgaben gelten nicht, soweit der Mindestlohnanspruch bereits durch Zahlung eines verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist, § 2 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 MiLoG.241 Dazu ist im jeweiligen Referenzzeitraum unabhängig von der tatsächlich erbrachten Arbeit zumindest der Mindestlohn je erbrachter Zeitstunde zu gewähren.242 Für Wertguthabenvereinbarungen i.S.d. § 7b SGB IV – wie z.B. Vereinbarungen über Altersteilzeit –, gelten die Regelungen über Fälligkeit und Arbeitszeitkonten nicht, § 2 Abs. 3 Satz 1 MiLoG.
2. Unabdingbarkeit
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Indem § 3 MiLoG es erschwert, den Mindestlohn durch missbräuchliche Konstruktionen zu umgehen, soll dessen Effektivität gewährleistet werden.243 Da dieser in jeder Vergütung als Sockelbetrag enthalten ist, greifen die Schutzmechanismen bezüglich des jeweiligen Mindestlohnanteils auch für Gehälter weit oberhalb des Niedriglohnsektors.244 Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken bzw. ausschließen, sind insoweit unwirksam, § 3 Satz 1 MiLoG. Entscheidend ist deren materieller Inhalt. Ihre Bezeichnung – bspw. als Vergleich gemäß § 779 Abs. 1 BGB oder Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB – ist höchstens ein Indiz.245 An die Stelle der nichtigen Vereinbarung tritt nicht der Mindestlohn, sondern die übliche Vergütung nach § 612 BGB,246 die nicht selten über dem gesetzlichen Mindestlohnstundensatz liegen dürfte.247 Entgeltumwandlungen nach § 1a BetrAVG werden von § 3 Satz 1 MiLoG nicht tangiert.248
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Fristen, innerhalb derer ein Anspruch geltend gemacht werden muss, damit er nicht untergeht (sog. Ausschlussfristen), unterfallen ebenfalls § 3 Satz 1 MiLoG, wenn sie den Mindestlohn betreffen. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob sie einzel- oder kollektivvertraglich geregelt sind.249 Gewährt der Arbeitgeber eine den Mindestlohn überschreitende Vergütung, greift die Unabdingbarkeit zunächst nur hinsichtlich des in jeder Vergütung enthaltenen mindestlohnrechtlichen Sockelbetrages, nicht jedoch bezüglich des darüber hinausgehenden Lohnanteils. Ob diese Differenzierung auch für generelle Ausschlussfristen gelten kann, die den Mindestlohn nicht ausdrücklich ausklammern, ist umstritten.250 So erklärt der Wortlaut des § 3 Satz 1 MiLoG den Mindestlohn beschränkende Klauseln nur „insoweit“ für unwirksam, was teilweise als gesetzliche Anordnung einer geltungserhaltenden Reduktion angesehen wird.251 Allerdings verstoßen derartig undurchsichtige Regelungen gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, da sie den ab dem 1.1.2015 zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehmen, insofern ergo nicht klar und verständlich sind und den Arbeitnehmer in der Geltendmachung seines Mindestlohnanspruches einschränken.252 Aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheit ist eine Teilung entsprechender Klauseln anzuraten.
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Eine Ausnahme zu § 3 Satz 1 MiLoG besteht für die gemäß § 7 AEntG allgemeinverbindlich erklärten Branchenmindestlöhne, soweit die Vorrangregelung des § 1 Abs. 3 MiLoG greift (s. Rn. 11).253 In derartigen Kollektivregelungen können Ausschlussfristen abweichend von § 3 Satz 1 MiLoG normiert werden, § 9 Satz 3 AEntG.
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Ein Verzicht auf den entstandenen Mindestlohnanspruch ist nur durch gerichtlichen Vergleich möglich, § 3 Satz 2 MiLoG.254 Der Norm unterfallen auch zweiseitige Rechtsgeschäfte wie die Ausgleichsquittung, der Erlassvertrag oder das negative Schuldanerkenntnis. Gleiches gilt für einige prozessrechtliche Erklärungen wie bspw. das Anerkenntnis.255 Auf erst künftig entstehende Mindestlohnansprüche kann nicht verzichtet werden. Dies gilt nicht für die Stundung, da diese nur die Fälligkeit hinausschiebt. Nach § 3 Satz 3 MiLoG ist eine Verwirkung ausgeschlossen.256 Die allgemeinen Verjährungsvorschriften nach den §§ 194 ff. BGB bleiben uneingeschränkt anwendbar.
233 Dies gilt auch für aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer, vgl. Viethen, NZA-Beil. 2014, 143, 144 f. 234 Riechert/Nimmerjahn, § 2 MiLoG Rn. 11; a.A. Spielberger/Schilling, NZA 2014, 414, 416. 235 Eine Übersicht zu den branchenspezifischen Fälligkeitsregelungen findet sich bei Riechert/Nimmerjahn, § 2 MiLoG Rn. 7. 236 Jöris/von Steinau-Steinbrück, BB 2014, 2101, 2104. 237 Zu den Begrifflichkeiten: HWK-Gäntgen, § 7 ArbZG Rn. 24 f. 238 Vgl. BT-Drs. 18/1558, S. 35. 239 Zu „Minusstunden“: SJD, Rn. 113 ff. 240 Zu „Altsalden“: Riechert/Nimmerjahn, § 2 MiLoG Rn. 43. 241 Vgl. BT-Drs. 18/2010 (neu), S. 22. 242 MASIG-Maschmann, 432 Rn. 52 ff. mit detaillierten Berechnungsbeispielen. 243 Vgl. BT-Drs. 18/1558, S. 35. 244 Thüsing, § 3 MiLoG Rn. 5. 245 Lakies, § 3 MiLoG Rn. 4. 246 Zur Ermittlung der üblichen Vergütung: Palandt-Weidenkaff, § 612 BGB Rn. 8 ff. 247 Vgl. Bayreuther, NZA 2014, 865, 866; Lakies, § 3 MiLoG Rn. 5 ff.; kritisch: Sittard, RdA 2015, 99, 106. 248 BT-Drs. 18/1558, S. 35. 249 Kritisch: MASIG-Maschmann, 432 Rn. 58; zweifelnd: Bepler/Hanau, in Ausschuss-Drs. 18(11)148, S. 142; beschwichtigend: Düwell/Schubert, § 3 MiLoG Rn. 59 f. 250