Total Compensation. Frank Maschmann
diejenigen Urlaubstage, für die der Arbeitgeber auch keine Urlaubsvergütung zu leisten braucht, insbesondere bei unterjährigem Austritt – geregelt.20 Dadurch wird auch verdeutlicht, dass dem zusätzlichen Urlaubsgeld im Wesentlichen der Charakter der Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung zugebilligt wird. Genauso ist aber zulässig, eine zusätzliche Urlaubsvergütung in Gratifikationsform (auch mit vollständiger Rückgewährungspflicht bei Ausscheiden vor einem bestimmten Termin) zu vereinbaren.21
c) Jahresleistung, Weihnachtsgeld, Sonderzahlung
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Ebenso enthalten die meisten Flächentarifverträge eine zusätzliche Vergütung zum Jahresende; je nach Tarifvertrag sind diese Zahlungen als „tarifliche Sonderzahlung“, „tarifliche Einmalzahlung“, „Jahresleistung“ bezeichnet und stellen letztlich das eher bekannte „Weihnachtsgeld“ dar. Auch hier ist die Höhe der Leistung unterschiedlich. Leistungen von 50 % bis 100 % eines Monatsentgelts sind üblich.22
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Gemeinsam ist diesen Zahlungen meist einmal die Fälligkeit, in der Regel mit der November- oder Dezemberabrechnung,23 häufig ist die Fälligkeit vermittels einer tariflichen Öffnungsklausel betrieblich anderweitig vereinbar. Zum anderen knüpft sie häufig – anders als das Urlaubsgeld – an den Bestand des Arbeitsverhältnisses an,24 und häufig auch an den weiteren Bestand des Arbeitsverhältnisses in Zukunft25; sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, erfolgt keine Auszahlung bzw. besteht ein Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers. Die Rechtsqualität dieser Zahlungen ähnelt damit sehr viel mehr als das Urlaubsgeld einer Gratifikation.26
d) Zuschläge
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Praktisch alle Tarifverträge sehen ein ziseliertes System an Zuschlägen vor. Standard sind Zuschläge für Mehrarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit und Schichtarbeit. Auch üblich sind Zuschläge für Nachtarbeit und Arbeit unter besonderer Belastung sowie Rufbereitschaft – Letzteres häufig als Pauschale. Auch Exoten wie „Spätarbeit“ finden sich vereinzelt.27 Im Übrigen sei zur Ausformung und Gestaltung dieser Vergütungsbestandteile auf die Kapitel 32, Kapitel 33 (Rn. 6) und Kapitel 34 (Rn. 22) verwiesen.
e) Sondervergütungen
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Neben Zuschlägen finden sich auch weitere Sondervergütungsarten, wie etwa Vertretungsvergütungen, Bereitschaftsvergütungen (Bereitschaft s. Kap. 28 Rn. 18 ff.), selten auch Mitarbeitererfolgsbeteiligungen.28 Zu anderen Sondervergütungen – in der Regel außerhalb des Tarifwerkes – an anderer Stelle (Halteprämien s. Kap. 21).
3. Vergütung ohne System
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Unternehmen ohne Tarifbindung sind im Grundsatz auch frei, die Vergütungen ohne Vergütungssystem festzulegen bzw. zu vereinbaren; bei tarifgebundenen Unternehmen gilt dies auch für den Bereich der außertariflichen Beschäftigten.
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Besteht ein Betriebsrat, ist dieser einzubinden (s. Kap. 12). Im Übrigen gilt es auch bei Anwendung einer „frei vereinbarten Vergütung“ einige Regelungen einzuhalten:
– Beachtung des Mindestlohngesetzes (bei Arbeitgebern, die den öffentlichen Sektor beliefern, zudem die einschlägigen Länder-Tariftreuegesetze).
– Vermeidung sittenwidriger Vergütung; eine solche liegt jedenfalls vor, wenn nicht einmal zwei Drittel eines in dem Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Tarifentgelts erreicht wird.29
– Ebenso ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten (s. Kap. 11); selten wird es gelingen, zumindest bei größeren Betrieben, keinerlei Systematik hinter die Vergütung zu legen; in diesem Fall ist zu beachten, dass ohne Sachgrund ein einzelner Beschäftigter nicht schlechter gestellt werden darf, als eine vergleichbare Gruppe von Beschäftigten.30
– Etwaige allgemeinverbindliche Tarifverträge, festgesetzte Entgelte nach dem Mindestarbeitsbedingungsgesetz oder Mindestvergütungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz sind ebenfalls zwingend zu beachten.
1 Vergleiche für viele Scholz, 8.4.2, S. 735 ff. 2 Ernst, S. 175. 3 ErfK-Preis, § 611 BGB Rn. 390. 4 Bauer, NZA-Beil. 2014, 109, 113. 5 BAG 12.4.2016, 6 AZR 731/13, NZA 2016, 833. 6 BAG 28.6.1994, 3 AZR 988/93, APArbPlatzSchG § 6 Nr. 6. 7 Die durchaus zulässig sind, Rieble, NZA-Beil. 2000, 34, 43. 8 Bauer, NZA-Beil. 2014, 109, 113. 9 Riechert/Nimmerjahn, § 2 MiLoG Rn. 13 ff. 10 Für viele: LAG Düsseldorf 5.3.1996, 16 Sa 1532/95, DB 1996, 1285. 11 NFK-Neumann, § 11 BUrlG Rn. 11 ff. 12 BeckOKArbR-Ricken, § 4 EfzG Rn. 7–16; Übersicht bei Müller-Glöge, RdA 2006, 105; ErfK-Reinhard, § 4 EfzG Rn. 11–12. 13 Mit Ausnahme von Einmalzahlungen, die eine Entgelterhöhung pauschaliert abgelten, etwa BAG 21.9.2011, 5 AZR 265/10, NZA 2012, 471 zu einer tariflichen Einmalzahlung im Zusammenhang mit einer erst später erfolgenden tariflichen Erhöhung der Entgelttabelle. 14 APS-Biebl, § 10 KSchG Rn. 13-19. 15 Moll-Hexel, § 20 Rn. 43. 16 NFK-Neumann, BUrlG § 5 Rn. 72. 17 § 10 TV über Einmalzahlungen und Altersvorsorge. 18 Z.B. gem. § 4.3 Urlaubsabkommen Beschäftigte NW/NB. 19 Etwa § 11 TV über Einmalzahlungen und Altersvorsorge in der Chemischen Industrie; § 4.5 Abs. 4 Urlaubsabkommen Beschäftigte M+E-Industrie NW/NB. 20 Etwa § 13 TV über Einmalzahlungen und Altersvorsorge in der Chemischen Industrie. 21 BAG 15.3.1973, 5 AZR 252/72, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 78. 22 Z.B. Tarifvertrag über Einmalzahlungen und Altersvorsorge der chemischen Industrie, § 5: 95 %; Tarifvertrag über die Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen M+E Nordwürttemberg/Nordbaden, § 2: 55 %. 23 Z.B. Tarifvertrag über Einmalzahlungen und Altersvorsorge der chemischen Industrie, § 6: 30.11.; Tarifvertrag über die Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen M+E Nordwürttemberg/Nordbaden, § 3: 1.12. 24 Z.B. Tarifvertrag über die Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen M+E Nordwürttemberg/Nordbaden, § 2.1: Betriebszugehörigkeit im Auszahlungspunkt mindestens 6 Monate. 25 Z.B. Tarifvertrag