In Liebe und Hass - Fioria Band 3. Maron Fuchs
reichte Fiona ihn an mich weiter. „Wie schade. Er fremdelt ganz ordentlich, was?“
Ich nahm Takuto in die Arme und strich über seinen Rücken. „Seit ein paar Tagen ist es besonders schlimm“, erzählte ich.
Zum Glück beruhigte er sich schnell. Er döste ein, sodass ich ihn vorsichtig in den Kinderwagen legen und einen Schluck trinken konnte.
„Hoffentlich vergeht das bald.“ Lloyd grinste schief. „Das macht es nämlich unmöglich, hin und wieder einen Babysitter zu engagieren.“
„Du hast das zum Glück kaum gemacht“, lachte seine Mutter und löffelte etwas Milchschaum aus ihrer Tasse.
„Keine Babygeschichten über mich“, brummte er.
Ich kicherte. „Doch, bitte.“
Beleidigt sah er mich an. „Hey, auf wessen Seite stehst du?“
Ich nahm über die Tischplatte hinweg seine Hand. „Immer da, wo ich lustige Geschichten über dich höre.“
„Pfff“, schnaubte er beleidigt, strich mir aber mit dem Daumen über meinen Handrücken. „Ach, ich muss dir noch was erzählen, Mia“, fiel Fiona ein. Sie klang plötzlich ernst, es wirkte beinahe, als fühlte sie sich unwohl. „Das wollte ich dir persönlich sagen, nicht per Post.“
„Was denn?“, fragte ich alarmiert.
Sie atmete tief durch. „Wo fange ich an ... genau. Vor zwei Wochen hat sich Cassandra bei uns gemeldet.“
„Mama?“ Meine Augen weiteten sich. Ich spürte, dass Lloyd meine Hand etwas fester drückte. „Wie ... wie geht es ihr?“
„Wir haben nur telefoniert, aber sie klang okay“, erinnerte sie sich. „Sie hat viel geredet, sie hat auch geweint, weil ...“ Sie zögerte, wahrscheinlich suchte sie nach den richtigen Worten.
„Weil sie immer noch so wütend auf meinen Vater und mich ist?“, riet ich, wobei ich hörte, wie heiser ich klang.
Fiona schüttelte heftig den Kopf, sodass ihr Zopf hin und her flog. „Nein, im Gegenteil. Sie hat mir erst erzählt, was passiert ist. Dann hat sie gefragt, ob ich wüsste, wo du bist. Oder ob Lloyd es vielleicht wüsste.“ Fragend sah ich sie an. „Sie möchte mit dir reden. Sie sucht dich, weil du spurlos verschwunden bist.“
„Was?“, keuchte ich. Das haute mich um. Das hätte ich nach ihrem Ausraster vor einem Jahr nicht erwartet.
Die rothaarige Frau nahm meine freie Hand in ihre beiden. Eindringlich sah sie mich an. „Cassandra will sich für ihre Reaktion entschuldigen. Ich hab ihr nichts gesagt, nur dass Lloyd auch verschwunden ist und ihr vermutlich zusammen weggelaufen seid. Aber ich dachte, das solltest du wissen.“
„Warum?“, flüsterte ich. „Warum will sie plötzlich wieder Kontakt? Sie hat mir gesagt, ich wäre nicht mehr ihre Tochter. Sie hat mich angeschrien und meine alte Handynummer gesperrt!“
„Weil sie schockiert war“, meldete sich Nico zu Wort. „Inzwischen hatte sie Zeit, um sich zu beruhigen und die ganze Sache klarer zu sehen.“
„Deshalb hat sie sich wohl auch wieder mit Erik versöhnt“, merkte seine Frau an. „Obwohl es schrecklich ist, was er tut.“
Mir klappte der Mund auf. „Sie hat Papa verziehen?!“
„Im Ernst?“, hakte Lloyd nach. „Sie war doch so wütend. Dann haben die Ranger sie auch wieder im Visier.“
„Ja, sie wird von den Rangern überwacht, aber sie hat sich nichts zuschulden kommen lassen“, erklärte Fiona. „Darum können sie ihr wohl nichts tun. Soweit ich weiß, hat sie nur telefonischen Kontakt zu Erik.“
„Die Ranger werden sie sowieso nicht festnehmen“, murmelte ich. „Sie ist ein zu guter Köder. Sie warten, bis sich mein Vater mit ihr trifft.“
„Kann ich mir gut vorstellen“, stimmte mein Freund zu. „Außerdem hat Erik mit Sicherheit ein paar Schattenbringer zu ihrem Schutz abgestellt.“
Ich starrte in meine beinahe leere Tasse. „Ich hätte nie erwartet, dass Mama ihm verzeiht.“
„Sie liebt ihn eben“, flüsterte Fiona. „Genau wie dich.“
Ich löste meine Hände aus ihrem und Lloyds Griff, um sie gegen meine Schläfen zu pressen. Das Murmeln der anderen Gäste im Café erschien mir schlagartig lauter als zuvor. Mein Kopf tat weh. „Mir egal“, zischte ich. „Ich hab keinen Nerv für dieses Theater! Ich wollte mich mit ihr vertragen, sie hat mich weggestoßen. Da gehe ich bestimmt nicht wieder auf sie zu.“
„Willst du es wirklich nicht?“, erkundigte sich Lloyd und stand auf. Er ging um den Tisch herum zu mir. „Du könntest mit ihr reden.“
„Nein!“, rief ich. Ich ertrug nicht mal den Gedanken, wieder mit meiner Mutter oder gar meinem Vater zu sprechen. Er setzte mich unter Druck, überforderte mich ebenso wie meine verwirrenden Gefühle meinen Eltern gegenüber. „Sie hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich für sie gestorben bin.“
Nico und Fiona musterten mich besorgt, doch sie sagten nichts. Lloyd griff nach meinen Händen und zog mich sanft vom Stuhl, sodass ich ihm gegenüberstand. Er schloss mich in seine Arme. „Aber Cassandra ist deine Mutter. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass dir deine Familie völlig egal ist.“
Nur mühsam kämpfte ich gegen die Tränen an. „Meine Familie sind nur die Menschen an diesem Tisch und die Fiorita!“ Da schluchzte ich auf. „Es reicht! Ich will von dem Thema nichts mehr hören!“ Innerlich machte ich den Fiorita größte Vorwürfe, dass sie mir nichts davon erzählt hatten, obwohl sie meine Mutter für mich im Auge behielten. Sie sollten mich informieren, sobald sich die Lage änderte, aber das hatten sie nicht.
„Genau darum haben wir nichts gesagt“, ertönte Shadows Stimme in meinem Kopf. „Wir wussten, dass es dich schockieren würde.“
Ich verstand es und ich war ihnen dankbar für ihre Rücksicht, aber das hätten sie mir erzählen müssen. Shadow entschuldigte sich. Ich zögerte, nahm die Entschuldigung aber an. Ich konnte den Fiorita sowieso nicht lange böse sein. Lloyd drückte mich fest an sich. „Ist ja gut“, redete er auf mich ein, während er mir über die Perücke strich. „Es ist deine Entscheidung. Du musst nicht, wenn du nicht willst. Und du musst auch nicht sofort mit ihr reden. Lass dir Zeit. Wir genießen erst mal diesen Tag, okay?“
Ich schniefte leise, nickte aber und erwiderte seine Umarmung. „Okay.“
Allerdings wollte ich meine Entscheidung nicht ändern. Ich hatte nichts mehr mit meinen Eltern oder meinem alten Beruf zu tun. Was auch immer im Bezirk der Ranger geschah, ich wollte es gar nicht hören. Es betraf mich nicht mehr. Mein Leben spielte sich ausschließlich in Renia ab.
Kapitel 4
Kein Entkommen
Das Leben in Renia war schön und friedlich. Lloyds und mein Alltag drehte sich um Takuto, unsere Arbeit und die Fiorita. Wir blieben in ständigem Kontakt mit seinen Eltern sowie meinen Freunden. Es ging uns gut. Wir waren in Sicherheit.
Doch nur drei Monate nach unserem Treffen mit Fiona und Nico wurde mir klar, dass die räumliche Distanz zum Krieg in unserer Heimat nicht so viel brachte, wie ich mir gewünscht hatte. Wir waren zwar weit davon entfernt, steckten aber doch mittendrin.
„Sieh mal, Lloyd, sieh mal!“, lachte ich. „Takuto rutscht schon wieder auf dem Hintern durch die Küche.“
Mein Freund lief aus dem Wohnzimmer zu mir und brach ebenfalls in Gelächter aus. „Das ist einfach zu niedlich! Vor allem wenn er nur Windeln trägt! Das muss ich fotografieren.“
„Holst du dann auch seinen Strampelanzug?“, bat ich und rührte die köchelnde Tomatensoße um. „Es ist inzwischen abgekühlt.“ Tagsüber brachte uns der Frühling zwar angenehme Temperaturen, doch abends