In Liebe und Hass - Fioria Band 3. Maron Fuchs
verzweifelt.
„Warte mal.“ Da er mich mit nur einem Arm festhielt, hatte er eine freie Hand, um sich die Schläfen zu massieren. „Du willst unser Leben in Renia aufgeben?“
„Nein, das ... ich weiß nicht.“ Ich biss die Zähne zusammen. „Eigentlich will ich in Sicherheit bleiben. Aber ich will auch nicht, dass so viele Animalia und Menschen leiden. Wir müssen ja nicht für immer von hier weggehen. Machen wir uns erst mal ein eigenes Bild von der Lage.“
„Hast du dir das gut überlegt?“, fragte er viel ruhiger, als ich erwartet hätte.
Zaghaft nickte ich. „Mir fällt keine andere Lösung ein.“
„Und was sollst du bewirken können?“, erkundigte er sich. „Was haben die Fiorita dazu gesagt?“
„Pemorat wollte nichts Genaueres verraten“, seufzte ich. „Er sagt niemandem, was er auf seinen Zeitreisen sieht. Er hat nur bestätigt, dass unsere Rückkehr etwas bewirken würde. Helfen würde.“
Lloyd atmete tief durch. „Dann sollten wir wohl packen.“
Erstaunt starrte ich ihn an. „Wirklich?“
Er nickte. „Ich glaube den Fiorita, dass wir was bewirken können. Immerhin bist du Eriks Tochter. Und ehrlich gesagt habe ich genug davon, mich zu verstecken.“ Ich schniefte vor Rührung, umarmte ihn fest und küsste ihn auf die Wange.
„Danke! Ohne dich würde ich mich das nie trauen.“
Er strich mir zärtlich durchs Haar. „Wir schaffen das“, flüsterte er. „Zusammen. Und sogar mit Takuto.“
Entschlossen nickte ich. „Holen wir die Koffer!“
Prüfend betrachtete ich mich im Spiegel. Meine dunkelbraunen Kontaktlinsen verbargen meine wahre Augenfarbe, meine blonde Perücke ließ meine orange-braunen Haare nicht mehr erkennen. Damit war meine Tarnung perfekt. So erkannten mich die Ranger hoffentlich nicht sofort als die gesuchte Mia Sato.
„Kommst du?“, rief Lloyd von unten. „Die Koffer sind im Auto!“
„Schon unterwegs“, antwortete ich und verließ das Badezimmer. Ich blickte mich genau um, während ich nach unten ins Erdgeschoss ging. Diese Wohnung würde ich eine Weile nicht mehr sehen. „Hast du auch den Kinderwagen eingepackt?“, fragte ich, als ich bei Lloyd im Eingangsflur ankam.
Er trug den Kleinen in einer Kindertrage auf dem Rücken, seinen blauen Mantel hielt er in einer Hand. „Kinderwagen, Gitterbett, Spielsachen, ich hab Takutos ganzes Zeug in den Kofferraum geräumt“, bestätigte er.
„Dann haben wir wohl alles. Unser Gepäck, die Beurlaubung von der Arbeit, Ellys Versprechen, aufs Haus zu achten“, zählte ich auf. Wobei das Ehepaar Hana nicht so begeistert davon war, dass ich mir aus familiären Gründen für zwei Wochen freigenommen hatte.
„Ziemlich gut für nur einen Vormittag“, merkte Lloyd an. „Hat Elly dir eigentlich geglaubt, dass wir spontan in den Urlaub zu Takutos Großeltern fahren?“
Ich nickte. „Ja, sie wird jeden Tag unsere Post holen und ein Auge aufs Haus haben. Es ist echt perfekt.“
„Du siehst ziemlich müde aus“, stellte er fest und strich mir über die Wange.
„Ich hab ja auch fast nicht geschlafen“, seufzte ich. „Aber auf der Fahrt nicke ich bestimmt ein.“
„Wir sind mindestens acht Stunden unterwegs, mit Pausen noch länger. Aber du musst Takuto nehmen.“ Er schnallte sich die Kindertrage vorsichtig ab und reichte sie mir, sodass ich unseren schlafenden Sohn auf die Arme nehmen konnte. „Schnallst du ihn gleich an?“
„Klar. Der Kindersitz ist auf der Rückbank, oder?“, vergewisserte ich mich und streichelte Takutos Rücken.
„Ist er“, bestätigte mein Freund. „Es kann losgehen. Erstes Ziel: Windfeld. Richtig?“
„Ja, in der Zweigstelle bei meinen Freunden werden wir am meisten erfahren und vielleicht was unternehmen können“, murmelte ich. „Ich bin gespannt, wie sie reagieren, wenn sie mich sehen.“
„Bestimmt freuen sie sich“, beruhigte er mich.
Ich verzog das Gesicht. „Da bin ich mir nicht so sicher. Die meisten von ihnen kannten mich nur als Takuto. Sie sind wahrscheinlich sauer, weil ich sie so lange wegen meiner Identität belogen habe.“
Er legte mir einen Arm um die Schulter. „Wart’s ab. Es wird sicher halb so schlimm. Außerdem müssen wir erst mal ohne Verhaftung nach Windfeld kommen, bevor du dir darüber Sorgen machen kannst.“
„Stimmt“, lachte ich und ging gemeinsam mit ihm aus dem Haus.
Lloyd verschloss die Tür und verstaute die Kindertrage sowie seinen Mantel im Kofferraum. Ich setzte Takuto vorsichtig in seinen Kindersitz und schnallte ihn gut an. Dann stiegen wir beide ein. Mein Freund startete den Motor, ich blickte durch das Fenster auf unser Reihenhaus. Es wurde in der Ferne immer kleiner, bis ich es gar nicht mehr sah. Schon bald hatten wir unser neues Heimatdorf verlassen.
„Haben wir genug zu essen dabei?“, fiel mir ein.
„Bis zur ersten Pause auf jeden Fall. Außerdem bin ich zu aufgeregt, um jetzt zu essen.“ Lloyd grinste schief. „Ist ein komisches Gefühl, wieder in den Bezirk der Ranger zu fahren.“
Ich lächelte schwach. „Ich weiß, was du meinst. Mir ist ganz flau im Magen.“
„Dabei kommen wir vor heute Abend sowieso nicht an. Allein wegen Takuto werden wir Dutzende Pausen machen müssen“, meinte er.
„Na ja, vielleicht schläft er die meiste Zeit, immerhin sind wir in Bewegung, wie er es am liebsten hat“, gab ich zu bedenken.
„Stimmt. Nur brauche ich bei so einer langen Fahrt schon ein paar Auszeiten. Und viel Kaffee, ich hab auch nicht allzu lange geschlafen.“
„Kannst du alles haben. Im Notfall übernachten wir unterwegs in irgendeinem Hotel.“ Ich drehte mich nach hinten um, damit ich Takuto auf der Rückbank sehen konnte. „Hoffentlich geht alles gut.“
„Was meinst du?“, fragte Lloyd, als er nach links abbog. „Die Rückkehr nach Windfeld?“
„Nicht nur. Einfach alles“, flüsterte ich. „Ich mach mir Sorgen um Takuto. Wenn er ein paar Tage nicht in seinem gewohnten Umfeld ist und dafür in einer so gefährlichen Umgebung ...“
„Wir passen auf ihn auf, ihm wird nichts passieren“, versicherte Lloyd mir.
Nervös rieb ich meine Hände aneinander, zupfte am Ärmel meines grünen Pullovers. „Ihm darf nichts passieren.“
„Selbst wenn wir Schattenbringern begegnen sollten, wird Erik wohl kaum zulassen, dass jemand seinem Enkel etwas antut“, entgegnete er.
Ich runzelte die Stirn. „Aber Papa weiß nichts davon, dass er einen Enkel hat.“
„Das wird er so oder so bald erfahren.“
„Warum sollte er?“, schnaubte ich.
Lloyd blickte aus den Augenwinkeln zu mir. „Du wirst es deinen Eltern wohl kaum verheimlichen können, oder?“
Ich verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Doch, wenn ich sie nicht treffe, werden sie nichts erfahren.“
„Selbst wenn du Cassandra aus dem Weg gehst, wie willst du ein Treffen mit deinem Vater verhindern?“, fragte er zweifelnd. „Du wirst ihm begegnen, wenn du was gegen den Krieg unternehmen willst.“
Und bei dem Gedanken drehte sich mir immer noch der Magen um. Ich wusste nicht, wie ich Erik oder Cassandra gegenübertreten sollte. Das brachte ich nicht über mich, nicht, nachdem mich die beiden so sehr verletzt hatten. „Am liebsten würde ich meine Eltern gar nicht sehen.“
„Irgendwie glaube ich dir das nicht“,