Dir zu Füßen | Erotischer Fetisch-Roman. Katy Kerry
Händen steckt sie das Schmuckkästchen hinein und holt das Handy heraus. Dann wählt sie Noras Nummer. Auf der anderen Seite ertönt eine helle Frauenstimme, die bald wieder verstummt, als sie ihr davon erzählt, dass Joey tot ist. Nora versucht sich zusammenzureißen, bietet Sally an, sie sofort an Ort und Stelle abzuholen, worüber Sally auch froh ist. Sie kann es noch immer nicht glauben und am liebsten würde sie aus diesem schrecklichen Alptraum aufwachen, um Joey in die Arme nehmen zu können. Doch es kommt der Zeitpunkt, an dem man der bitteren Wahrheit ins Auge sehen muss, auch wenn man sich noch so sehr wünscht, es wäre nie geschehen. Sie sitzt in Noras Wagen und es ist ihr klar, dass sie Joey wohl nie vergessen wird können. Es ist wahnsinnig schwierig, mit dieser Erkenntnis umgehen zu lernen. Zu Hause versucht sie zu schlafen, was ihr nur sehr schwer bis gar nicht gelingt und so vergehen die Wochen, in denen sie sich im gemeinsamen Apartment verkriecht. Von ihrem Vertrauensarzt bekommt sie Beruhigungspillen. Ihre Tränen sind somit versiegt, aber die Seele schmerzt trotzdem. Sie will nichts essen, nicht in die Firma fahren, mit niemanden sprechen und sie hat auch zu sonst nichts Lust. Debby übernimmt für sie den Coup ihres Lebens und unterschreibt den Kaufvertrag bei Roger. An jenem Morgen, während sie noch im Doppelbett von Joeys luxuriöser Terrassenwohnung in Manhattan liegt, die sie ihm seinerzeit verkauft hat und die der Beginn einer unstillbaren Liebe war, klopft es plötzlich an die Tür. Widerwillig kriecht sie aus dem Bett, streift sich einen Morgenmantel über und läuft die Treppe abwärts, um zu öffnen. Vor ihr steht jener Polizist, der sie schon am Tag des Unfalls befragt hat. In der Hand hält er einen Plastiksack mit Joeys persönlichen Kleidungsstücken. Ohne Worte überreicht er ihr die Habseligkeiten und sie seufzt. Sie weiß, was sich darin befindet.
»Haben Sie den Fahrer des Wagens schon gefunden?«, fragt sie monoton und der Polizist schüttelt den Kopf.
»Leider nein. Wir tappen immer noch im Dunkeln. Ich hatte gehofft, Sie könnten uns noch Anhaltspunkte geben«, weicht nun auch der letzte Hoffnungsschimmer aus seinem Gesicht. Doch Sally muss verneinen.
»Ich wünschte, ich könnte es. Aber es ging alles so schnell. Dabei habe ich einfach nicht auf das Kennzeichen geachtet.«
Der Polizist wirkt nachdenklich.
»Hatte Ihr Verlobter Feinde oder Geschäftspartner, die ihm nicht gut gesinnt waren?«, und mit dieser Aussage vermittelt er ihr, dass er den Verdacht schöpft, es handle sich um eine vorsätzliche Tat. Sally legt ihre Stirn in Falten. Die Äußerung des Officers lässt sie grübeln, dabei muss sie an den Mann im Anzug denken, dessen Gesicht sie nicht gesehen hat, weil er mit dem Rücken zu ihr stand, wobei Joey aber seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen nicht sehr erfreut war, ihn dort anzutreffen. Außerdem hatten sich die beiden, nachdem das Gespräch beendet war, zum Gruß nicht einmal die Hand gereicht. Die ganze Situation kam ihr merkwürdig vor und Sally wünschte, sie hätte das Gespräch der beiden mitanhören können, denn dann wüsste sie jetzt vielleicht, was passiert ist.
»Er hat nie über seine Geschäftspartner gesprochen. Ich weiß nichts über derartige Komplotte. Aber vielleicht lässt sich in seinen Geschäftspapieren etwas finden. Meinen Sie nicht?«, und der Polizist nickt.
»Vielleicht. Aber das ist Sache der Kriminalisten. Sein Büro wurde heute Morgen versiegelt, die Akten und der Inhalt des Safes konfisziert. Möglicherweise wurde Ihr Verlobter Opfer eines Mordkomplotts. Das Ölgeschäft ist ein schmutziges Geschäft«, schließt er seinen Monolog, verabschiedet sich und lässt Sally mit tausend Fragezeichen im Kopf zurück. Als sie auf die Uhr sieht, muss sie feststellen, dass es Zeit wird, sich auf den Weg ins Notariat zu machen. Obwohl heute der Termin zur Testamentseröffnung ist, breitet sich in ihren Gedanken nur gähnende Leere aus. Sie überlegt. Nichts. Warum auch? Worüber? Über ihr beider Leben, das mit einem Fingerschnipp beendet wurde? Einfach ausgelöscht, als wenn es niemals existiert hätte? Ziemlich schwerfällig begibt sie sich ins Bad. Ihr Kopf schmerzt, weil sie das Gefühl hat, diese verdammten Pillen unterdrücken ihre Tränen, nehmen sie innerlich gefangen und machen die ganze Sache nur noch schlimmer. Sie steht nun vor dem Spiegel und betrachtet sich. Mist! Wie soll sie das heute bloß überleben? Sie benetzt ihr Gesicht mit kaltem Wasser und hofft, davon die Spuren ihres Schmerzes wegwaschen zu können. Als sie es trocken rubbelt, legt sie Makeup auf und steckt ihr pechschwarzes Haar mit ein paar Handgriffen hoch. Danach geht sie wie benebelt in ihre begehbare Garderobe und holt sich ein schwarzes Spitzenkleid heraus. Eines, das ihr Joey von seiner letzten Dienstreise mitbrachte und das sie bis jetzt noch nie anhatte. Sie schlüpft hinein und es passt wie angegossen. Dazu trägt sie schwarze High Heels, in denen sie beinahe senkrecht steht. Sie wirft einen Blick in den Spiegel, dann dreht sie sich auf dem Absatz um und verlässt das Apartment. Mit dem Fahrstuhl fährt sie nach unten und als dieser im Erdgeschoß ankommt, macht sie einen Schritt nach draußen. Mit klackernden Absätzen stöckelt sie auf die andere Straßenseite, winkt sich ein Taxi heran und lässt sich zu Rogers Kanzlei fahren. Obwohl sie Roger schon seit einer halben Ewigkeit kennt, weil er gleich nach seinem Studium der Rechtswissenschaften in das Notariat ihres Vaters eingestiegen ist und nur um zehn Jahre älter als sie ist, steigt trotzdem Nervosität in ihr auf. Er wird es sein, der die letzten Zeilen im Namen von Joey verlesen wird und es wird ihr bestimmt so vorkommen, als säße Joey persönlich vor ihr, um ihr seinen letzten Willen kund zu tun. Außer ihr wird sonst niemand zur Testamentseröffnung anwesend sein. Das hat ihr Roger bereits am Telefon mitgeteilt. Joey hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er ihr im Falle eines Todes alles vermachen wird. Sie hat ihm dann immer kopfschüttelnd gegenübergestanden. Und jetzt ist der Tag gekommen. Wenn sie daran denkt, wird ihr ganz flau im Magen. Mit den Immobilien selbst hat sie kein Problem. Bis auf die Villa in London hat sie ihm alle Liegenschaften vermittelt und ist vertraut mit den Objekten. Doch sein Ölimperium zu erben, würde ihr Magengeschwüre einbringen. Roger sollte es nach Möglichkeit so schnell wie möglich abstoßen, denn sie hat nicht die geringste Ahnung vom Ölgeschäft. Bestimmt hätte eines seiner Geschäftspartner im Kartell Interesse daran und würde ihr die Ölquellen, samt Firmenimperium zu einem guten Preis abkaufen, denn Joey hielt hundert Prozent der Aktien. Nervös fliegen ihre Gedanken hin und her, als sie am Gebäude ankommt, in dem Roger sein Notariat hat. Sie fährt mit dem Lift nach oben. Bevor sie den roten Teppich der Kanzlei betritt, atmet sie kräftig durch, wobei sie feststellen muss, dass ihr das nicht die geringste Erleichterung bringt. Rogers Bürotür steht offen und seine Vorzimmerdame lächelt ihr knapp entgegen und nickt ihr kurz zu, während sie an ihr vorübergeht. Roger ist Single, einundvierzig Jahre alt, groß, stattlich, attraktiv, ein Mann mit Charisma und Prinzipien, wie Sally findet. Bestimmt liegen ihm die Frauen reihenweise zu Füßen, dazu braucht er sicher nicht einmal viel zu tun. Sie betritt sein Büro und schließt die Tür hinter sich, worauf Roger sofort aufsteht, um sie zu begrüßen.
»Sally«, er seufzt, »es tut mir leid, dass wir uns zu keinem erfreulicheren Anlass wiedersehen«, dabei umarmt er sie freundschaftlich.
»Danke Roger. Lass es uns hinter uns bringen«, und sie löst sich aus seiner Umarmung, setzt sich auf den Stuhl, der sich vor seinem Schreibtisch befindet. Das Testament liegt bereits in einem Aktenumschlag vorbereitet auf dem Tisch. Ohne Umschweife öffnet er es und beginnt es zu verlesen.
»Ich, Joey Winter, geboren am sechsten Juli neunzehnhundertachtzig in Washington D. C., setze hiermit meine Verlobte Sally Summer, geboren am fünften Mai neunzehnhundertsiebenundachtzig in New York, als Alleinerbin ein. Für meine Mutter Sarah Winter habe ich einen Treuhandfond eingerichtet, wovon jeden Monat die nötigen Ausgaben an das Pflegeheim entrichtet werden sollen. Sollte eine in diesem Testament enthaltene Anordnung unwirksam werden, so behalten trotzdem alle anderen Anordnungen ihre Wirksamkeit.«
Roger macht eine kurze Pause, bevor er fortfährt und sich in der nächsten Sekunde Sallys Unmut zuziehen wird, wie er schon befürchtet.
»An das Erbe ist folgende Anweisung angebunden: Sally Summer hat binnen eines Jahres in den Stand der Ehe zu treten, allenfalls verliert die Alleinerbschaft ihre Gültigkeit und mein gesamtes Vermögen geht an den Tierschutzverein.«
Rogers Atem stockt kurzfristig und Sallys Augen weiten sich. Sie sieht Roger ungläubig an, als hätte sie die Worte nicht richtig verstanden.
»Was? Ich glaube, ich höre nicht recht. Ich soll heiraten? Wen bitte? Und vor allem, warum? Was ist denn das für eine bekloppte Idee?«, und sie schüttelt den Kopf. Roger seufzt und