Der neue Sonnenwinkel 70 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel 70 – Familienroman - Michaela Dornberg


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leben, denn jetzt musste sie doch wieder an Berthold denken. Und auch wenn sie es ihrer Mutter niemals sagen würde, um die nicht zu beunruhigen, es schmerzte noch immer. Aber dennoch war es die richtige Entscheidung gewesen, sie würde es wieder so machen.

      Das kleine Bisschen hatte gefehlt …

      *

      Beatrix hätte besser nicht nach Hohenborn fahren sollen, um sich das Internat anzusehen. Das hatte nur sehnsuchtsvolle Gedanken in ihr erweckt und Träume, die sich eh niemals erfüllen würden. Dort stellte man keine Berufsanfängerin ein, die allerdings ihr Examen bereits vor Jahren gemacht hatte.

      Und auch Horst hüllte sich in Schweigen. Doch das beunruhigte sie nicht so sehr wie die Begegnung mit diesem Fremden, der ihr gesagt hatte, dass sie sich die Blumen nicht selber kaufen solle, sondern sie sich schenken lassen. Und dann hatte er unmissverständlich schöne Frau gesagt. Das hatte sie verwirrt, dennoch war es bei ihr heruntergegangen wie Öl. Und es war, und das hatte sie ja besonders verwirrt, einen Augenblick der Magie gegeben, als ihre Blicke ineinander versunken waren.

      Du liebe Güte!

      Als wenn ihr Leben nicht kompliziert genug wäre!

      Immerhin …

      So etwas hatte sie noch nie zuvor in ihrem Leben erlebt, auch nicht bei ihrer ersten Begegnung mit Horst. Da war alles ganz anders. Sie war nicht aufgeregt gewesen, sondern sie hatte sich von ihm beschützt gefühlt. Das war zumindest ihre Empfindung. Und je länger sie darüber nachdachte, kam sie zu der Erkenntnis, dass sie wohl in ihm etwas gesucht hatte, was ihr von ihrem Vater nicht gegeben worden war. Es hatte in ihrem Kopf stattgefunden, denn die Wirklichkeit war eine ganz andere gewesen. Doch so war es immer, dass nur sehr selten verwirklicht wurde, was in der Fantasie stattfand. Doch daran wollte sie jetzt wirklich nicht denken. Sie hätte sich nicht wie ein hypnotisiertes Kaninchen verhalten müssen, sondern sie hätte keck sagen müssen, dass er sich irre, denn sie habe den Strauß nicht gekauft, sondern ihn geschenkt bekommen. Das traf ja auch zu, Rosmarie Rückert hatte ihn ihr geschenkt. Doch welche Rolle spielte es jetzt noch? Keine!

      Sie schreckte zusammen, als es an der Haustür klingelte. Der Briefträger, um ihr Post von Horst zu bringen oder von seinem Anwalt?

      Beatrix war wütend auf sich selbst. Sie stand sich wirklich selbst im Wege. Warum sah sie es nicht positiv? Warum war sie immer direkt negativ? Es konnte doch auch etwas Schönes sein!

      Na ja, manches konnte man sich auch einreden! Sie ging zur Tür und öffnete. Rosmarie Rückert stand davor und erklärte: »Liebe Frau Sendler. Ich habe ein Attentat auf Sie vor. Eigentlich wollte ich mit meinem Mann in den ›Seeblick‹ gehen, doch der hat mich versetzt, weil er ein wichtiges Mandantengespräch hat, das nicht aufschiebbar ist. Ich könnte auch allein dorthin gehen, doch das wäre mir ein bisschen peinlich, denn mein Mann hat extra für uns eine Fischsuppe bestellt, die nicht auf der Karte steht und die nur für uns gekocht wird.« Sie blickte Beatrix an und erkundigte sich: »Mögen Sie Fisch?«

      Die nickte bestätigend. »Aber …«

      Sie wurde von Rosmarie unterbrochen. »Kein aber, meine Liebe, dann ist alles klar, und natürlich sind Sie herzlich eingeladen.«

      Beatrix hoffte, dass Rosmarie Rückert jetzt nicht mitbekam, wie erleichtert sie war. Natürlich hatte Maja ihr vom ›Seeblick‹ vorgeschwärmt, praktisch ihrem zweiten Wohnzimmer, als sie noch im Sonnenwinkel gelebt hatte. Und sie hatte ihr angeraten, hinzugehen. Das hatte Beatrix auch getan. Allerdings am Ruhetag, um sich über die Preise zu informieren. Die waren gewiss gerechtfertigt, doch die überstiegen ganz eindeutig ihren Geldbeutel. Außerdem hätte sie sich nicht gut gefühlt, das Geld, das sie von Maja großzügigerweise bekommen hatte, dafür auszugeben, lecker in einem erstklassigen Restaurant zu essen.

      Und nun würde sie in den ›Seeblick‹ kommen. Freude stieg in ihr auf.

      »Und wann soll es sein?«, wollte sie wissen, und Rosmarie antwortete prompt: »Jetzt, mein Wagen steht vor der Tür.«

      Entsetzt blickte Beatrix an sich herunter, Rosmarie bekam es mit und sagte sofort: »Sie sehen wunderbar aus. Außerdem, niemand würde bei Ihnen auf die Kleidung blicken, sondern auf ihr schönes Gesicht.«

      Beatrix errötete.

      »Ich kämme mir nur noch die Haare, ziehe ein Paar andere Schuhe an«, sagte sie, und Rosmarie antwortete: »Und ich warte draußen im Auto. Danke, dass Sie mich begleiten. Das erspart mir wirklich eine Peinlichkeit. Natürlich würden Julia und Tim Richter nichts dazu sagen, doch ich finde, dass sich so etwas einfach nicht gehört. Du kannst absagen, wenn du dich nur angemeldet hast, aber nicht, wenn du Sonderwünsche erfüllt haben möchtest. Also ich gehe dann schon mal.«

      Beatrix freute sich sehr über diese Einladung, doch es wäre ihr lieber gewesen, sie hätte sich darauf vorbereiten können. Sie blickte an sich herunter. Ja, sie fühlte sich wohl in der camelfarbenen Jeans, dem camelfarbenen dünngestrickten Pullover. Aber war das was für den ›Seeblick‹?

      Darüber konnte sie jetzt nicht nachdenken, und umziehen ging schon überhaupt nicht, weil sie Rosmarie nicht warten lassen durfte. Sie rannte ins Badezimmer, legte wenigstens ein wenig Rouge auf, zog ihre Lippen nach. Wimperntusche? Nein, dazu reichte die Zeit nicht, und wenn sie etwas verschmierte, dann dauerte es länger, dann also besser nicht. Aber ein bisschen von ihrem Lieblingsparfüm, das musste sein. Sie war geradezu süchtig danach, nachdem sie sich das endlich wieder kaufen durfte, nachdem sie Horst verlassen war. Er hatte an ihr nur einen Duft riechen wollen. Wie konnte es auch anders sein, den Lieblingsduft von Diana, der leider überhaupt nicht ihrer war. Doch daran wollte sie jetzt nicht denken, denn es war vorbei. Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, dann schlüpfte sie in andere Schuhe, zog die leichte Jacke über, dann verließ sie das Haus.

      Sie hätte sich für den Besuch im ›Seeblick‹ wirklich sehr gern fein gemacht. Schade, dass man diese unverhofften Einladungen, Ereignisse überhaupt, nicht vorausahnen konnte.

      Sie verließ das Haus, stieg zu Rosmarie in den Wagen, und die sagte, ehe sie ihn startete: »Sie sehen wunderschön aus.«

      Meinte sie es wirklich, oder war es nur so dahergesagt, um sie zu trösten?

      Nein, so durfte sie überhaupt nicht denken. Sie dankte Rosmarie vielmehr noch einmal für die Einladung, und sagte ihr wahrheitsgemäß, wie aufgeregt sie sei.

      Rosmarie war ganz gerührt. Sie erzählte ihr, dass Julia das Restaurant zuerst allein geführt hatte, weil sie da noch nicht verheiratet gewesen war, dass es ursprünglich ein veganes Restaurant sein sollte, und das hätte sie beinahe gegen die Wand gefahren und hätte nicht nur ihre ganzen Ersparnisse, ihre kleine Erbschaft verloren, sondern wäre auf einem Berg Schulden sitzen geblieben.

      »Ich mag Julia sehr gern. Sie ist eine Kämpferin, sie hat sich nicht unterkriegen lassen, und zum Glück hat sie auch beizeiten die Kurve bekommen. Und ist es nicht verrückt? Früher wollten die Gäste von veganem Essen nichts wissen, doch jetzt bestellen es viele von ihnen. Um Julia muss man sich auf jeden Fall keine Sorgen machen, die hat ihren Weg gefunden und mit ihrem Tim auch ihr Glück.«

      »Und Maja hat mir erzählt, dass sie kein Sternerestaurant mehr sein wollten.«

      »Stimmt, meine Liebe, und das war die richtige Entscheidung. Und nicht nur ich finde, dass Sie besser sind als sie jemals waren. Aber da haben sich allerdings auch zwei Besessene gefunden, die für ihren Beruf leben und nicht aufhören, immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Davon profitieren wir alle. Sie könnten durchaus ein Restaurant in der Großstadt führen, und man würde ihnen die Tür einrennen. Das wollen sie nicht, weil sie im Sonnenwinkel angekommen sind.« Sie warf Beatrix einen Seitenblick zu, stellte den Motor aus, denn sie waren oben angekommen. »Ich wünsche mir sehr, dass Sie das irgendwann auch von sich sagen würden. Sie wären auf jeden Fall eine Bereicherung für uns hier. Das wäre Frau Greifenfeld ebenfalls gewesen, doch leider hat die uns wieder verlassen.« Sie lächelte. »Aber für einen schönen Ersatz gesorgt.«

      Beatrix wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie war noch nie in ihrem Leben mit so schönen Komplimenten bedacht worden, und an so etwas musste man sich erst gewöhnen. Ihr


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