Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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weiß gar nicht, was ihr habt«, warf Anja ein. »Ich find’s toll hier.«

      Sie drehte sich um und schaute über den Hof, zum Haus und den Ställen hinüber.

      »Mit ein bißchen Farbe, etwas Dachpappe und ein paar Nägeln müßte das doch wieder hinzukriegen sein.«

      »Na, ganz so einfach wird’s nicht«, entgegnete Nina. »Da steckt ein schönes Stück Arbeit drin. Also, ich glaub’, ich würd’s verkaufen.«

      »Das war auch mein erster Gedanke«, sagte Sandra und drehte sich zu ihnen um.

      Dabei schaute sie auf den Hof – ihren Hof.

      »Aber, habt ihr’s nicht gesehen?«

      »Was?«

      »Die beiden alten Leute«, nickte Sandra zum Haus hinüber. »Die Mühe, die sie sich gegeben haben, mich zu empfangen und alles wenigstens ein bißchen herzurichten. Sie erwarten doch etwas von mir. Beinahe ihr ganzes Leben haben sie hier verbracht, hat der Nachlaßverwalter gesagt. Wenn ich den Hof jetzt verkaufe, müssen sie fort.«

      Sie sah ihre Freundinnen an.

      »Kann ich ihnen das wirklich antun?«

      »Ja, gütiger Himmel«, fuhr

      Nina auf. »Willst du vielleicht

      aus lauter Sentimentalität dein Studium an den Nagel hängen und hier das Ponyhotel wieder eröffnen? Für die beiden Alten ist doch gesorgt, hat dieser Sonnenleitner gesagt. So, oder so.«

      »Eben«, sagte Sandra. »So, oder so. Nämlich so, daß sie bis an ihr Lebensende auf dem Hof bleiben können, oder so, daß sie in ein Altenheim müssen...«

      Anja legte ihren Arm um die junge Erbin.

      »Ich versteh’, was du sagen willst«, meinte sie. »Die beiden haben sich wirklich alle Mühe gegeben, und jetzt sitzen sie drinnen und warten, bangen Herzens, auf deine Entscheidung. Also, wenn du bleibst, dann nehme ich mir ebenfalls eine Auszeit und helfe dir, den Laden hier wieder hochzukriegen. Wenn’s nicht klappen sollte, kann ich immer noch weiterstudieren.«

      Sandra schluckte, als sie dies hörte. Nina stellt sich ihr zur anderen Seite.

      »Dasselbe gilt für mich«, sagte sie. »Wäre doch gelacht, wenn wir drei das Kind nicht schaukeln würden!«

      Sandra Haller sah ihre beiden Freundinnen an. Dabei kämpfte sie mit den Tränen.

      »Ihr seid die besten Freundinnen, die man haben kann«, flüsterte sie.

      »Na los, dann wollen wir die beiden treuen Seelen da drinnen nicht länger warten lassen«, rief Nina Kreuzer und zog die zwei Madeln mit sich.

      »Himmel, da kommt’ was auf uns zu«, stöhnte Sandra, als sie entschlossen auf das Haus zumarschierten.

      *

      »Sie kommen«, rief Hubert, der in der Küche hinter der Gardine stand und aus dem Fenster schaute.

      Resi Angermeier zog ihn weg.

      »Geh’, was soll das Fräulein denn denken?«

      Das Herz der alten Frau klopfte bis zum Hals hinauf. So sehr sie auch versucht hatte, in Sandras Gesicht abzulesen, was sie wohl dachte, so wenig war es ihr gelungen. Auch ihr Versuch, das Gespräch beim Kaffee auf die Vergangenheit zu lenken, schien nicht geglückt zu sein. Aber, es war ja auch zu lange her. Sie selber hatte in der jungen Frau das Kind von früher nicht wiedererkannt, wie konnte sie da erwarten, daß Sandra sich erinnerte!

      Nun gut, dachte sie, wenn’s net sein sollte, dann würd’ sie eben ihre Sachen packen und geh’n, auch wenn’s schwerfiel. Noch arger würd’s aber den Hubert treffen, das wußte sie. Er war, im Gegensatz zu ihr, nicht mehr ganz so rüstig, daß er ohne weiteres wieder auf einem Hof unterkommen konnte. Für ihn bedeutete ein Verkauf des Ponyhofes die Unterbringung in einem Altenheim...

      Eben kamen die jungen Frauen durch die Tür. Resi und Hubert konnten sie auf der Diele reden und lachen hören – aber nicht verstehen, was sie sagten. Dann, endlich, öffnete sich die Küchentür und Sandra kam herein. Die Freundinnen folgten ihr. Deutlich konnte man die knisternde Spannung spüren, die in der Luft lag.

      Sandra schaute die beiden an und holte tief Luft.

      »Also, Resi und Hubert, ich habe mich entschlossen«, begann sie, aber verbesserte sich gleich, »nein, wir haben beschlossen, daß das Ponyhotel wieder eröffnet wird. Wir wissen zwar noch nicht, wie wir es anstellen, aber daß wir es irgendwie schaffen werden, das ist gewiß!«

      Hubert strahlte über das ganze Gesicht, während Resi sich erst einmal setzen mußte. Mit einem tiefen Seufzer sank sie auf die Sitzbank.

      »Sie... Sie werden’s gewiß nicht bereuen, Fräulein Haller«, versprach sie unter Tränen.

      Sandra ging zu ihr und legte ihren Arm um die Schulter der alten Frau.

      »Es wird schon alles werden. Mit eurer Hilfe packen wir’s ganz bestimmt. Wenn wir uns ins Zeug legen, haben wir vielleicht schon im kommenden Sommer wieder die ersten Feriengäste. Und mit dem Fräulein Haller ist Schluß. Ich bin die Sandra. Schließlich sitzen wir alle im gleichen Boot.«

      »Und wir sind Nina und Anja«, riefen die beiden anderen.

      Hubert Bachmann, der bis jetzt ziemlich zurückhaltend gewesen war, holte tief Luft. Dann öffnete er den Küchenschrank und holte eine Flasche Obstler hervor, die Resi dort versteckt hatte.

      »Darauf müssen wir einen trinken«, verkündete er.

      Resi schaute verwundert erst auf Hubert, dann auf die Flasche. Schließlich heftete sie ihren Blick auf den Knecht. »Woher weißt denn du von der Flasche?« fragte sie in scharfem Ton.

      Hubert grinste verschmitzt, während er fünf Gläser einschenkte.

      »I? I weiß mehr, als d’ ahnst, liebe Resi«, antwortete er fröhlich.

      *

      »Ich kann nicht mehr«, stöhnte Markus Reinders und setzte sich an den Rand der Wiese nieder.

      Der schwere Rucksack glitt zu Boden. Erleichtert streckte der Student die befreiten Glieder.

      »Nun komm’, du müder Krieger«, frotzelte Stephan Rössner. »Wir sind noch keine zehn Kilometer gelaufen. Wenn du so weitermachst, dann kommen wir nie ans Ziel.«

      Ihr Ziel war das kleine Bergdorf St. Johann. Markus hatte Stephans Vorschlag, gemeinsam eine Wandertour zu unternehmen, begeistert aufgegriffen. Weniger aus Sparsamkeit, als aus Ehrgeiz hatten sie beschlossen, auf andere Fortbewegungsmittel, als die eigenen Füße zu verzichten – bestenfalls, daß ein mitleidiger Bauer sie auf dem Anhänger seines Treckers mitnahm. Inzwischen war die Begeisterung bei Markus ein wenig gedämpft. Seit vorgestern waren sie unterwegs, hatten erst im Freien und in der letzten Nacht im Heuschober geschlafen, und dabei am Tag mehr als fünfundzwanzig Kilometer zurückgelegt.

      »Also gut«, gab Stephan nach und setzte sich neben den Freund. »Machen wir erst einmal Pause. Ein zweites Frühstück kann ja nicht schaden.«

      Den Proviant hatten sie am Morgen in einem Dorf gekauft, durch das sie gekommen waren. Er bestand aus kernigem Rauchspeck und herzhaftem Brot. Ihre Wasserflaschen hatten sie an einem öffentlichen Brunnen aufgefüllt. Zwar waren die beiden einem kühlen Bier nicht abgeneigt, aber sie waren klug genug zu wissen, daß das nicht das richtige Getränk für solch eine Tour war.

      Markus sah den Freund von der Seite her an. Stephan machte einen nachdenklichen Eindruck. Wahrscheinlich dachte er an seine Eltern...

      Er hatte dem Studienkollegen von der Auseinandersetzung zu Hause erzählt.

      »Meinst’, daß sie sich Sorgen machen?« fragte Markus. Stephan sah auf.

      »Meine Eltern?«

      Er schüttelte den Kopf.

      »Bestimmt nicht. Die denken doch, daß ich wieder in München


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