Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
Naja, sollen sie eben denken, daß ich auf das Auto pfeife. Immerhin hat es ja mein Vater bezahlt. Natürlich hat er ihn als Firmenwagen von der Steuer abgesetzt.«
Markus, der ein wenig feinfühliger war, als sein Freund, sah Stephan streng an.
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Machst du dir das nicht ein bißchen zu einfach? Ich kann schon verstehen, daß deine Eltern nicht glücklich sind, wenn du so von heute auf morgen einfach alles hinwirfst. Schließlich hatten sie damit gerechnet, daß du eines Tages die Firma übernimmst.«
Stephan hieb wütend auf den Boden.
»Mensch, du redest schon wie mein Vater«, rief er erregt. »Ich will diese verdammte Firma überhaupt nicht! Wer hat eigentlich das Recht, zu bestimmen, daß ich in die Fußstapfen meines Vaters treten muß? Ich wollte nie studieren.«
Er hob beide Hände.
»Hiermit möchte ich arbeiten, damit ich sehen kann, was ich geschafft habe. Ist das denn so schwer zu verstehen? Ich lieb die Natur, ich brauche meine Freiheit. Da kann man mich doch nicht in ein Büro einsperren!«
»Hey, beruhige dich wieder«, sagte Markus sanft. »Natürlich hast du recht, aber dein Vater genauso.«
Stephan sah ihn an und grinste.
»Dann steig’ du doch bei uns ein, wenn du mit dem Studium fertig bist«, meinte er.
Markus Reinders kam aus anderen Verhältnissen als sein Freund. In seiner Familie wurde immer noch auf den Pfennig gesehen.
»Würd’ ich schon«, antwortete er. »Leider wird dein Vater nicht damit einverstanden sein.«
Er schnitt ein neues Stück Speck ab und reichte es Stephan.
»Mal sehen«, sagte er. »Eines Tages wird sich zeigen, wo wir beide gelandet sind. Aber jetzt sind wir ja erstmal auf dem Weg nach St. Johann. Wie weit ist denn das noch?«
»Stephan Rössner holte eine Wanderkarte hervor und faltete sie auseinander.
»Heut’ abend müßten wir es geschafft haben«, verkündete er und steckte den Speck in den Mund.
»Na, ich bin gespannt auf die beiden Gipfel, von denen zu erzählt hast. Woher kennst du die Gegend eigentlich?«
»Früher bin ich mit meinen Eltern oft hergefahren. Der Himmelsspitz und die Windermaid, so heißen die Gipfel, bieten ein grandioses Panorama, es wird dir gefallen.«
»Hoffentlich behältst du recht, und wir finden irgendwo auf einem Bauernhof einen Unterschlupf«, meinte Markus skeptisch. »Jetzt, um diese Zeit, werden doch noch keine Erntehelfer gebraucht.«
»Darüber mach’ ich mir erst Gedanken, wenn wir dort sind«, lachte Stephan und stieß den Freund an. »Los, komm, es geht weiter.«
Mühsam rappelte Markus sich auf und schnallte seinen Rucksack um.
»Wenigstens das Handy hätten wir mitnehmen sollen«, sagte er. »Wer weiß, ob wir es unterwegs nicht brauchen.«
»Ach was«, winkte Stephan ab. »Zurück zur Natur, ist die Devise. Da stören diese Dinger nur. Stell’ dir vor, du bist in den Bergen unterwegs, und plötzlich klingeln überall die Telefone. Das ist doch grauenhaft.«
»Wo du recht hast, hast du recht«, mußte der Freund einsehen.
Aber, insgeheim bedauerte er schon, solch ein praktisches Mobiltelefon nicht dabei zu haben – wie schnell hätte man damit ein Taxi rufen können…!
*
Nach der Abendmesse nahm Max Trenker seinen Bruder zur Seite.
»Sie ist da«, verkündete er.
»Wer?« fragte Sebastian und war einen Moment irritiert, weil er nicht wußte, wovon der Polizeibeamte sprach.
»Na, die junge Frau. Die Erbin vom Ponyhof.«
»Aha, und woher weißt du das?«
»Der Hubert war vorhin drunten im Dorf. Er hat drüben beim Herrnbacher eine lange Liste mit Sachen abgegeben, die Ignaz besorgen soll. Darunter auch Farbe und Pinsel. Offenbar wollen’s den Hof wieder auf Vordermann bringen, meint zumindest der Herrnbacher.«
Die beiden Männer standen in der Sakristei. Draußen war Alois Kammeier, der Meßner von St. Johann, damit beschäftigt, die Gesangbücher einzusammeln und zu ordnen. Pfarrer Trenker hatte sich des Meßgewandes entledigt und zog sein Jackett über.
»Das freut mich zu hören«, sagte er. »Da werd’ ich doch gleich nach dem Abendessen hinüberfahren und die neue Nachbarin begrüßen.«
Sophie Tappert hatte wie immer reichlich gedeckt, und Max schaute verzückt auf die verlockende Wurstplatte. Dabei entging ihm der Blick, mit dem sein Bruder ihn betrachtete.
»Sag’ mal, Max, täusche ich mich, oder hast du etwas zugelegt?« fragte der Geistliche und deutete auf den Hosenbund des Polizisten. »Da, am Bauch und um die Hüften…«
Max’ Hand, die gerade nach der Wurstplatte greifen wollte, blieb in der Luft hängen. Entgeistert sah er seinen Bruder an.
»Was red’st denn da?« empörte er sich. »Ich und zugenommen?«
Er bedachte Sebastian mit einem Blick, der Bände sprach.
»So ein Schmarr’n«, sagte er. »Ich kann essen was ich will, ich nehm’ kein Gramm zu!«
Pfarrer Trenker hatte seiner Haushälterin zugeblinzelt. Sophie Tappert stieß in dasselbe Horn wie Sebastian.
»Ich wollt’s ja eigentlich net sagen«, bekundete sie. »Aber aufgefallen ist’s mir auch schon…«
Jetzt war Max wirklich entsetzt. Die Perle des Pfarrhaushaltes war von Natur aus schweigsam, doch wenn sie mal etwas zu sagen hatte, dann hatte das in der Regel schon eine gewichtige Bedeutung. Der Beamte schaute an sich herunter, dann blickte er die beiden an.
»Meint ihr wirklich?« vergewisserte er sich, »oder wollt ihr mich nur foppen?«
»Bestimmt net. Das würd’ uns im Traum net einfallen«, versicherte Sebastian glaubhaft. »Aber ich weiß da einen Rat. Du hast doch vor zwei Jahren dieses Fahrrad gekauft, net wahr?«
»Fahrrad? Welches Fahrrad?«
»Na, dieses silbergraue Aluminiumrad, das so wenig wiegt. Du warst doch ganz begeistert davon.«
»Ach das«, erinnerte sich Max. »Ja, ich glaub’, das steht bei mir im Keller.«
»Siehst«, meinte Sebastian. »Nach dem Abendessen holst’ es aus dem Keller, und dann fahren wir zuammen zum Ponyhof hinauf. Und weil du’s dir ja wieder abstrampelst, darfst’ jetzt ruhig von der Salami nehmen.«
»Mit dem Rad zum Ponyhof hinauf?« fragte der Polizist entsetzt. »Das sind doch mindestens zwölf Kilometer – bergan!«
»Stimmt«, nickte der Pfarrer. »Dafür geht’s auf dem Rückweg wieder bergab.«
Max Trenker sah wieder auf die Wurstplatte, dann wieder auf seinen Bauch. Komisch, dachte er, mir ist überhaupt nicht aufgefallen, daß ich zugenommen hätte.
Den amüsierten Bilck, den Pfarrer Trenker und Sophie Tappert schnell tauschten, sah er allerdings nicht.
*
»Das beste wird sein, wenn wir uns einen regelrechten Plan machen, wie wir vorgehen«, schlug Sandra Haller vor.
Die Bewohner und Bewohnerinnen des Ponyhofes saßen draußen unter der alten Eiche an dem langen Holztisch. Resi Angermeier hatte mit Ninas Hilfe das Abendessen zubereitet. Zur Feier des Tages, und weil die drei Madeln ja den ganzen Tag unterwegs gewesen waren, gab es einen deftigen Schweinsbraten mit Kraut und Semmelknödeln.
Sandra und Anja hatten derweil mit Hubert die Ponys von der Weide geholt und in das Gatter getrieben, wo sie versorgt wurden
»Wie lang’ reicht denn noch das Futter?« hatte