Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
Scheune zurück. Offenbar waren sie fündig geworden, sie trugen eine große Werkzeugkiste zum Wagen heran.
»So, jetzt kann’s losgehen«, meinte Markus.
Sandra hob die Arme.
»Ich weiß gar nicht, wie ich das wiedergutmachen kann. Und überhaupt: ich bin eine schlechte Gastgeberin. Besitmmt haben Sie beide fürchterlichen Durst nach dieser Schieberei.«
»Ich hol’ was zu trinken«,
bot Anja an und lief schon ins Haus.
Sandra und Nina folgten ihr. Drinnen gaben sie Resi Bescheid, daß zum Mittagessen zwei weitere Gäste da waren. Dann setzten sie sich in die Wohnstube und warteten auf Anjas Rückkehr.
*
»Mensch, das ist doch ideal hier für uns«, sagte Stephan zu Markus, der halb im geöffneten Motorraum hing und daran herumhantierte.
»Wieso?« fragte er.
»Na, schau’ dich doch nur um. Was es hier alles zu tun gibt! Ich will Oskar heißen, wenn wir nicht mindestens vier Wochen hierbleiben können.«
Er beugte sich zu Markus hinunter.
»Überhaupt, sind dir unsere reizenden Gastgeberinnen noch nicht aufgefallen? Also, die Sandra, die hat was. Na, und Anja, die uns vorhin das Bier gebracht hat, also, wie die dich angeschaut hat… Der Blick sprach Bände!«
»Wirklich? Ist mir gar nicht aufgefallen.«
»Kein Wunder, wenn du nur den Motor anhimmelst. Wie weit bist du denn?«
»Setz’ dich rein und starte mal.«
Markus tat, wie ihm geheißen. Der Motor kam auf Anhieb.
»Die Benzinleitung war verdreckt«, erklärte Markus Sandra. »Jetzt tut er’s wieder.«
Die beiden jungen Männer hatten sich die Hände gewaschen. Jetzt saßen sie, zusammen mit den Madeln, draußen auf dem Hof.
»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken kann«, sagte die Hofbesitzerin.
Stephan, der direkt neben ihr saß, blickte sie an.
»Ich wüßte da schon was«, meinte er und machte eine umfassende Armbewegung. »So wie’s hier ausschaut, können Sie ein wenig Hilfe gebrauchen. Markus und ich würden Ihnen gerne ein wenig zur Hand gehen. Dafür bräuchten wir ein Dach über dem Kopf und drei Mahlzeiten am Tag. Was halten Sie von meinem Vorschlag?«
Die drei jungen Frauen sahen sich an. Anjas Herz schlug besonders schnell, als sie an die Aussicht dachte, Markus jetzt erst richtig kennenlernen zu können.
»Keine schlechte Idee«, nickte Nina. »Handwerklich geschickte Männer kann man immer gebrauchen.«
Sandra überlegte. Ihr Besuch auf der Bank war nicht sehr glücklich verlaufen, aber Pfarrer Trenker hatte seine Hilfe zugesagt. Das mochte noch nicht viel heißen, aber sie hatte das Gefühl, daß es irgendwie weitergehen würde. Da war es doch töricht, solch ein Angebot auszuschlagen.
»Vier«, sagte sie schließlich zu den beiden Burschen. »Sie bekommen vier Mahlzeiten am Tag’, denn der Kuchen, den unsere Resi backt, ist unwiderstehlich zum Nachmittagskaffee. Aber jetzt wollen wir erst einmal Mittagessen.«
*
Im Büro des Bauunternehmers Oberlechner herrschte dicke Luft, und das lag nicht an der Zigarre, die der Chef von fünfunddreißig Mitarbeitern vor sich hinpaffte. Gerade eben hatte er einen Anruf erhalten, der alle seine Pläne mit einem Schlag zunichte machte.
»Da soll doch der Teifi d’reinschlagen!« schimpfte er und schlug mit der Faust auf den Tisch.
Elfriede Hirschbiegel, seine Sekretärin, zog unwillkürlich den Kopf ein. Sie kannte solche Wutausbrüche. Schon als sie den Anruf entgegennahm, hatte sie ein ungutes Gefühl. Die Lautstärke, in der ihr Chef das Gespräch dann führte – sie konnte jedes einzelne Wort im Vorzimmer hören – bestätigte ihre Vermutung, daß Anton Rehringer keine guten Nachrichten hatte.
Die Endvierzigerin zuckte zusammen, als Friedrich Oberlechner die Tür aufriß und hereinstürmte.
»Saubande, elendige«, fluchte er fürchterlich. »Möcht’ nur wissen, woher die zwei Bürgen her hat! Abfackeln müßt’ man den ganzen Laden.«
Er ging unablässig auf und ab und brüllte dabei umher. Der bullige Bauunternehmer machte seinem Herzen derart laut Luft, daß seine Sekretärin nach und nach alle Einzelheiten zu hören bekam, ohne, daß sie auch nur ein Wort gefragt hätte.
»Aber wart’, die werden mich kennenlernen«, drohte der Chef und verließ den Raum.
Elfriede Hirschbiegel hörte ihn noch auf der Straße schimpfen, dann schlug eine Autotür, und wenig später fuhr der große Wagen ihres Arbeitsgebers vom Firmenhof. Die Frau griff zum Telefon und wählte die Nummer ihrer besten Freundin. Diese Neuigkeit konnte sie einfach nicht für sich behalten.
*
Die drei Madeln hatten gespannt zugehört, was der Seelsorger von St. Johann ihnen zu sagen hatte. Dann wurde stundenlang beratschlagt. Immerhin galt es eine Entscheidung zu treffen, die das Leben dreier Menschen von Grund auf verändern würde. Das konnte man nicht einfach innerhalb von wenigen Augenblicken tun. Schließlich, es war schon nach Mitternacht, Sebastian war längst schon wieder in St. Johann, waren die drei sich einig. Sie wollten das Risiko, das dieses Unternehmen in sich barg, eingehen. Nina und Anja würden die Bürgschaften übernehmen und zusammen wollten alle drei gleichberechtigte Partner sein. Der Ponyhof sollte wieder im alten Glanz erstrahlen.
Stephan und Markus saßen ebenfalls mit am Tisch. Die beiden bewunderten die Madeln für ihren Mut.
»Da habt ihr euch aber was vorgenommen«, meinte Stephan.
Längst war man sich einig geworden und sprach sich mit Vornamen und du an. Am Abend waren die beiden unten im Dorf gewesen und hatten ihr Gepäck aus der Pension geholt.
»Markus und ich helfen euch jedenfalls, so gut wir können. Ich sogar noch länger, Markus muß nach den Ferien zurück an die Uni, aber ich kann noch bleiben.«
»Also, wenn die Eröffnung ansteht, kann vielleicht meine Schwester etwas für euch tun«, erklärte Markus Reinders. »Sie arbeitet in einem großen Münchener Reisebüro, das mit unzähligen anderen in ganz Deutschland zusammenarbeitet. Ich werde die Kathrin mal anspitzen, daß sie ein bißchen Reklame für euren Hof macht.«
»Das wär’ ja super«, freuten die Frauen sich.
Anja lächelte Markus an, und er lächelte zurück. Offenbar hatte Stephan sich nicht getäuscht, das Madel mit den lustigen Sommersprossen auf der Nase schien sich tatsächlich ein wenig in ihn verguckt zu haben. Jedenfalls hatte es den ganzen Abend über Markus’ Nähe gesucht.
Sein Blick glitt zu Stephan hinüber, der sich angeregt mit Sandra unterhielt. Markus bemerkte, daß sie dem Freund aufmerksam zuhörte und ihn dabei anschaute, als ob…
Einzig Nina Kreuzer saß über den Tisch gebeugt. Sie hatte sich in ihre Aufzeichnungen vertieft. Neben dem Block lag ein Taschenrechner, in den sie immer wieder endlose Zahlenreihen tippte. Schließlich gähnte sie verhalten und rieb sich die müden Augen.
»Also, Leute, ich geh’ schlafen«, verkündete sie. »Morgen wird’s wieder ein langer Tag.«
»Recht hast du«, nickte Sandra und stand auf, obwohl sie eigentlich noch neben Stephan hätte sitzen mögen.
Es ist schon merkwürdig, wie das Schicksal manchmal mit den Menschen spielt, dachte sie, als sie in ihrem Bett lag. Es hatte ihr einen völlig überschuldeten Hof und zwölf Ponys beschert, und heute waren unerwartet zwei hilfreiche Menschen in ihr Leben getreten, von denen einer sie ganz besonders ansprach. Sandra spürte ganz deutlich, wie sie drauf und dran war, sich in Stephan Rössner zu verlieben, und es war ein herrliches Gefühl.
*
Obwohl es in der Nacht so spät geworden