Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
»Alle Mitglieder der Feuerwehr zum Einsatz«, rief er durch das Mikrophon. »Das ist keine Übung – auf dem Ponyhof brennt’s!«
Sandra, die gerade wieder mit Stephan auf der Tanzfläche stand, glaubte, ihr Herz bliebe stehen. Mit aschfahlem Gesicht sah sie ihn an. Um sie herum herrschte plötzlich hektisches Treiben, als die Männer der Feuerwehr aufsprangen und hinauseilten.
»Los, wir müssen zum Hof«, rief Stephan durch den Lärm.
Markus, Anja und Nina kamen zu ihnen.
»Habt ihr das gehört?« fragte Nina ungläubig. »Das ist doch wohl ein Scherz.«
»Leider net«, sagte Max Trenker, der hinzugekommen war und die letzten Worte mitbekommen hatte. »Ich hab’ gerade mit dem Brandmeister gesprochen. Es brennt tatsächlich auf dem Ponyhof. Die Scheune steht in Flammen.«
*
Schon von weitem konnten sie den roten Feuerschein am Himmel sehen. Stephan, der am Steuer des Golfs saß, preßte die Lippen aufeinander. Markus, hinter ihm, schüttelte ungläubig den Kopf, während die drei Madeln verzweifelt und in Tränen aufgelöst waren.
Blitzschnell hatten sie ihre Zeche bezahlt und waren in das Auto gesprungen. Stephan fuhr so schnell er konnte. Vor ihnen saß Max Trenker in seinem Dienstwagen, mit Blaulicht und Sirene.
Schier endlos war die Zeit, bis sie den Hof erreichten. Die Feuerwehr war bereits vor Ort und hatte mit der Brandbekämpfung begonnen. Als die jungen Leute durch die Einfahrt bogen, stürzten Hubert und Resi auf sie zu. Bestürzt schauten die fünf auf die Scheune, die lichterloh brannte.
»Was ist denn geschehen?« fragte Sandra die alte Magd, die selbst den Tränen nahe war.
Resi Angermeier hob hilflos die Arme. Zusammen mit dem Hubert sei sie im Wohnzimmer gesessen, vor dem Fernsehgerät. Plötzlich habe das Bild geflackert und sei für einen Moment dunkel geworden. Dann war es wieder da, und es gab keine weiteren Störungen, bis es kurz vor halb zwölf irgendwo draußen einen lauten Knall gab. Als die beiden Alten nachschauten, brannte die Scheune bereits.
Max Trenker kam zu ihnen. Er hatte zwischenzeitlich wieder mit dem Brandmeister gesprochen. Was der Polizeibeamte zu sagen hatte, war niederschmetternd. Die Scheune sei nicht mehr zu retten. Die Flammen fraßen sich durch das trockene Holz, wie durch Zunder. Die Wehr hatte das Gebäude schon aufgegeben, jetzt galt es nur das Übergreifen des Feuers auf das Wohnhaus und die Ställe zu verhindern. Es war ein Segen, daß die Ponys in dieser warmen Jahreszeit auch nachts draußen auf der Weide blieben. So war den Feuerwehrleuten und den Helfern zumindest die Arbeit erspart geblieben, die Tiere zu evakuieren.
Sandra schüttelte immer wieder den Kopf. Sie wagte gar nicht daran zu denken, was dieses Feuer für ihre weiteres Schicksal und das der Freundinnen bedeutete. Unter Umständen würden ihre ganzen schönen Pläne umsonst gewesen sein. Wahrscheinlich war die Scheune nicht einmal versichert. Sandra hatte, ehrlich gesagt, schlicht und einfach vergessen zu klären, ob und wie der Hof und die Tiere versichert waren, und für einen Neubau fehlten einfach die finanziellen Mittel. Der Kreditrahmen war so eng gesteckt, daß die drei Madeln sich ohnehin schon »bis an die Decke strecken mußten«, um einigermaßen vernünftig wirtschaften und leben zu können, und jetzt war auch noch das Futter für die Ponys mitsamt der Scheune verbrannt.
Wahrscheinlich blieb ihnen doch keine andere Wahl mehr als an diesen Oberlechner zu verkaufen.
Sandra starrte auf das Feuer, und die Bemerkung des Bauunternehmers fiel ihr wieder ein, die Bemerkung, die wie eine Drohung geklungen hatte.
Sollte der Mann diese Drohung wahrgemacht ahben?
Stephan Rössner hielt sie in seinen Armen, tröstend strich er über ihr Haar. Sandra hielt die Tränen nicht mehr zurück.
»Kopf hoch, Madel«, sagte er. »Es wird schon wieder alles gut werden. Ich bin ja auch noch da.«
Sandra sah ihn durch einen Tränenschleier an. Sie versuchte tapfer zu sein, auch wenn sie glaubte, einen fürchterlichen Alptraum zu haben. Stephan holte ein Taschentuch hervor und tupfte ihr Gesicht ab. Sie äußerte ihm gegenüber ihren Verdacht gegen den Bauunternehmer. Der junge Mann schüttelte den Kopf.
»Ich weiß net, du solltest vorsichtig mit solchen Äußerungen sein«, meinte er. »Solange du keine handfesten Beweise hast – der Oberlechner bringt es glatt fertig, dich wegen Verleumdung anzuzeigen.«
Sandra hob verzweifelt die Arme.
»Aber was soll ich denn jetzt nur machen?«
Stephan versicherte noch einmal, daß sie ganz fest auf seine Hilfe zählen könne. Das junge Madel versuchte tapfer den dicken Kloß herunterzuschlukken, der in ihrem Hals saß. Die Freundinnen standen ebenso erschüttert neben ihnen. Markus hielt Anjas Hand. Sandra, die es sah, griff unwillkürlich nach Stephans Hand. Sie schauten sich einen Moment tief in die Augen, dann wartete sie sehnsüchtig darauf, daß sein Mund sanft ihre Lippen berührte.
*
Sebastian war bestürzt, als er die Nachricht vom Brand auf dem Ponyhof bekam. Aber dankbar hörte er, daß »nur« die Scheune dem Feuer zum Opfer gefallen war. Das Wohnhaus und die Ställe hatten gerettet werden können. Dennoch war es nicht zu leugnen, daß es ein schwerer Schlag für die jungen Frauen war.
»Gibt’s denn schon irgendeinen Verdacht, wie das Feuer ausbrechen konnte?« erkundigte sich der Geistliche bei seinem Bruder während des Frühstücks.
Max Trenker schüttelte den Kopf.
»Noch net. Die Brandexperten der Kripo wollen heut’ vormittag die Reste der Scheune untersuchen«, erklärte er. »Aber mit einem endgültigen Ergebnis ist net vor der nächsten Woche zu rechnen.«
»Das Feuer kann natürlich verschiedene Ursachen haben, wobei Blitzschlag ja wohl ausscheidet. Untersuchen die Experten denn auch in Richtung Brandstiftung?«
»Das tun sie sowieso. Besonders, wenn der Verdacht besteht, daß es sich um eine Versicherungsbetrug handeln könnte. Aber Sandra Haller weiß net einmal, ob der Hof überhaupt versichert ist.«
»Du liebe Zeit«, stöhnte Sebastian. »Da kommt ja noch ’was auf die Madeln zu!«
Max erhob sich.
»Entschuldige«, sagte er. »Aber ich muß zum Hof hinauf. Wenn die Kollegen von der
Brandermittlung kommen, muß ich schon vor Ort sein.«
»Natürlich«, nickte sein Bruder. »Ich werd’ nach der Messe vorbeischau’n. Vielleicht weiß man dann schon mehr, und eventuell kann ich irgendwie helfen.«
Allerdings würde es ihm kaum gelingen, Anton Rehringer dazu zu bringen, das Darlehen noch einmal zu erweitern, damit die abgebrannte Scheune wieder aufgebaut werden konnte. Der Filialleiter hatte sich ohnehin schon »viel zu weit aus dem Fenster gelehnt«, wie er sich gegenüber dem Seelsorger ausdrückte. Da würde Sebastian sich etwas anderes einfallen lassen müssen. Vielleicht konnten die Leute vom Ferienparadies »Reiterhof« einstweilen aushelfen, denn Futter für die Ponys mußte zuerst beschafft werden. Überhaupt wollte er in seiner Predigt auf das Feuer zu sprechen kommen, und darauf, daß die Menschen sich in Zeiten der Not gegenseitig helfen mußten. Vielleicht sah auf den ersten Blick für die drei Madeln alles schlimmer aus als es war.
Diese Gedanken gingen Sebastian Trenker durch den Kopf, während er das Pfarrhaus verließ.
*
In der Villa des Fabrikanten
Rössner herrschte seit zwei Wochen eine gedrückte Stimmung. So lange schon war Stephan spurlos verschwunden. Zunächst hatten seine Eltern angenommen, er sei in seine Studentenwohnung nach München zurückgekehrt, wenngleich es Walter Rössner schon merkwürdig vorkam, daß sein Sohn seinen Wagen hatte stehen lassen.
Als der Vater allerdings immer wieder vergeblich versuchte mit Stephan zu telefonieren, war es ihm doch nicht ganz geheuer. Schließlich drängte seine Frau darauf, selbst nach München zu fahren. Endlich gab der Fabrikant nach. Sie setzte