Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
Es klang, als wollte er hinzufügen: Wenn wir sparsam sind!
»Ich muß morgen unbedingt erstmal auf die Bank, um zu sehen, wieviel Geld ich bekommen kann«, sagte Sandra.
Sie hatten die Tiere gefüttert und getränkt, dann riefen Resi und Nina zum Abendessen.
»Also, die Fremdenzimmer sind soweit okay«, meinte die schwarzhaarige Nina. »Resi und ich sind vorhin zusammen durchgegangen und haben alles aufgeschrieben, was noch gemacht werden muß. Bis auf ein wenig Farbe und Bettwäsche, die geflickt werden muß, sind sie in einem annehmbaren Zustand.«
»Na, wenigstens ein Lichtblick«, seufzte Anja. »Ställe machen keinen so guten Eindruck. Die Dächer müssen unbedingt repariert werden, und in den Wänden fehlen etliche Bretter.«
Das war ein Punkt, der zuerst erledigt werden mußte. Schließlich waren die Ställe vor allem auch für Gäste gedacht, die ihre eigenen Ponys oder Pferde mitbrachten.
»Gut«, nickte Sandra, während sie sich bediente. »Dann müssen wir das als erstes in Angriff nehmen. Aber wie gesagt, wir sollten uns einen Plan machen. Farbe und Pinsel sind ja schon bestellt, fehlen also noch Draht und Nägel.«
Sie schaute zur Einfahrt. Zwei Radler kamen eben hindurch und stiegen ab.
»Nanu, sollten das schon die ersten Gäste sein?« flachste Anja. »Das sind aber merkwürdige Ponys, die sie da mit sich führen.«
»Das ist ja unser Pfarrer«, rief Resi Angermeier. »Bestimmt will er dich willkommen heißen.«
Sandra stand auf und schaute die beiden Männer an.
»Grüß’ euch zusammen«, nickte Sebastian den Leuten zu, während Max grüßend die Hand hob.
Der Polizeibeamte war im Gegensatz zu seinem Bruder etwas außer Atem.
»Guten Abend«, nickte Sandra zurück und reichte Sebastian die Hand.
»Ich bin Pfarrer Trenker«, stellte der Geistliche sich vor. »Das hier ist mein Bruder Max. Er ist der Ordnungshüter in unserer schönen Gegend. Ja, herzlich willkommen. Ich hab’ von Ihrer Ankunft gehört und wollt’ Sie gleich begrüßen.«
»Das ist sehr freundlich, Hochwürden«, erwiderte das junge Madel, nachdem es sich und die beiden Freundinnen vorgestellt hatte. »Wir sind gerade beim Abendessen, dürfen wir Sie dazu einladen?«
Sebastian lehnte dankend ab, Max allerdings bekam große Augen, als er die herrlichen Klöße, den Braten und das Kraut sah. Er leckte sich die Lippen, doch dann bedankte er sich mit dem Hinweis, ebenfalls schon gegessen zu haben.
Wenn er daran dachte, wie oft er, um die Kaloerien wieder loszuwerden, auf’s Fahrrad steigen mußte, dann verging ihm der Appetit.
»Sie wollen also den Ponyhof wieder herrichten und das Hotel weiterführen?« erkundigte Sebastian sich.
Die beiden Besucher hatten dankbar die Einladung zu einem Getränk angenommen. In der Zwischenzeit war das Abendessen beendet, und Sandra und Sebastian machten einen kleinen Rundgang.
»Ja«, erwiderte die frischgebackene Hofbesitzerin. »Ich habe mich dazu entschlossen. Nicht zuletzt auch im Hinblick auf Resi und Hubert. Ich hätte es nicht über mich gebracht, die beiden in ein Altenheim zu schicken.«
Bei diesen Worten wurde es dem Geistlichen warm ums Herz. Es gehörte eine Menge Edelmut dazu, auf ein wahrscheinlich lukrativeres Geschäft zu verzichten, und sich dafür auf eine ungewisse Zukunft einzulassen.
»Sie sind eine ungewöhnliche Frau«, stellte er fest. »Andere in Ihrem Alter hätten sich’s wahrscheinlich einfacher gemacht. Auf jeden Fall sollen Sie wissen, daß Sie und Ihre Freundinnen immer mit meiner Hilfe rechnen können.«
»Vielen Dank, Hochwürden«, antwortete Sandra. »Ja, ich hoffe, daß ich es zusammen mit Nina und Anja schaffen werde. Einfach wird’s bestimmt nicht. Aber wenn wir uns beeilen, können wir vielleicht schon in dieser Saison wieder eröffnen.«
Sie waren zum Hof zurückgekehrt. An dem Tisch saßen nur noch Max Trenker und Nina Kreuzer im Gespräch vertieft. Die anderen waren im Haus.
»Ich würd’ mich freuen, wenn Sie und Ihre Freundinnen mich einmal drunten im Dorf besuchen«, lud der Geistliche Sandra ein.
»Das werden wir ganz bestimmt machen«, versprach sie.
»Also, Max, was ist?« rief Sebastian seinem Bruder zu. »Wir wollen zurück. Heut’ abend ist Stammtisch.«
Der Polizeibeamte sah auf und winkte.
»Ich komm’ schon.«
Dann schaute er der schwarzhaarigen Nina tief in die Augen. Die hatte ihm von den drei Madeln gleich am besten gefallen.
»Also, pfüat di«, sagte er. »Ich hoff’, wir seh’n uns mal auf dem Tanzabend drunten beim Löwenwirt.«
Nina erwiderte seinen Blick. Sie lächelte.
»Wer weiß«, antwortete sie. »In den nächsten Tagen haben wir hier alle Hände voll zu tun. Da bleibt nicht viel Zeit für irgendwelche Vergnügungen.«
»Na, das wär’ aber schad’«, meinte Max und blinzelte ihr zu.
Er stieg auf’s Rad und folgte seinem Bruder, der schon vorausgefahren war, und Max Trenker wunderte sich, warum sein Herz plötzlich so ungewöhnlich schnell schlug. Er wußte aber genau, daß es nicht am Radfahren lag…
*
Gleich am nächsten Morgen fuhr Sandra nach St. Johann hinunter. Das Gespräch mit dem Leiter der Bank war der wichtigste Punkt in ihrer Planung. Dr. Sonnenleitner hatte schon angedeutet, daß es nicht allzuviel sein könnte, was noch an Bargeld da war, aber zumindest für die Verpflegung der Ponys würde es doch hoffentlich reichen.
Trotz des dringenden Termins nahm das junge Madel sich die Zeit, die Gegend, die von nun an ihre neue Heimat sein würde, genauer in Augenschein zu nehmen, und als ob ihr jemand die Augen geöffnet hätte, erinnerte sie sich plötzlich an längst vergessen geglaubte Begebenheiten. Das letzte Mal, das sie ihre Großtante besucht hatte, mußte wohl achtzehn Jahre her sein, kurz bevor Sandra eingeschult wurde. Eine ewig lante Zeit, so schien es, dennoch fiel ihr plötzlich der alte Waschzuber ein, der damals immer samstags auf die Diele gestellt wurde. Samstags war Badetag!
Oder der Geschmack der köstlichen Marmelade, die Resi Angermeier aus den Früchten des Gartens kochte. Heute morgen zum Frühstück stand ein Topf auf dem Tisch. Als Sandra davon probierte, war es der alte, köstliche Geschmack, den sie von früher kannte.
Sie schaute zu den Bergen hinüber, deren Spitzen unter weißen Wolken verschwanden, sie sah eine Herde brauner Kühe, die zu einer Alm hinauf gebracht wurde, und sie blieb am Straßenrand stehen und beobachtete ein paar Wildtiere, deren Namen sie nicht kannte. Aber sie fühlte sich ihnen verbunden, spürte, daß sie dabei war, ein Teil dieser wunderschönen Landschaft zu werden.
Sandra erreichte St. Johann schneller als es ihr lieb war. Das Gespräch mit dem Bankmenschen lag ihr auf dem Magen. Langsam fuhr sie durch das Dorf und betrachtete dabei die schmucken Häuser mit den Lüftlmalereien. Beinahe majestätisch thronte die weiße Kirche auf einer Anhöhe. So hob sie sich von den anderen Häusern ab, stand aber in der Mitte des Ortes.
Die junge Frau sah die wenigen Geschäfte, die es in St. Johann gab. Wenig zwar, aber ausreichend für die Leute, die hier wohnten, oder Urlaub machten. Schließlich erreichte sie das Haus, in dem die Bank eine Filiale hatte. Sandra parkte ihren Wagen davor und stieg aus. Mit klopfendem Herzen öffnete sie die Tür und trat ein.
Nur wenige Kunden waren an diesem frühen Morgen in der Schalterhalle, die von einer Frau bedient wurden. Sandra wartete kaum fünf Minuten bis sie an der Reihe war.
Die Bankangestellte fragte nach ihren Wünschen und sah sie neugierig an, als Sandra ihren Namen sagte, und daß sie den Filialleiter zu sprechen wünschte.
»Bitte nehmen S’ einen Moment Platz«, bat die