Wyatt Earp Classic 37 – Western. William Mark D.
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Freunde,
vielen, vielen Dank für die zahllosen Briefe, die mich in den letzten Wochen erreichten. Yeah, Freunde, ich ahnte damals, als ich mit den Arbeiten an der Roman-Reihe Wyatt Earp begann, ganz sicher nicht, welchen Erfolg – und welchen Wirbel sie entfalten würde. Er ist ihnen zu groß geworden, den anderen, der Western peace office Earp. Nun suchen sie seinen Namen und seine Popularität zu verunglimpfen. Dies alles ist nicht neu; als Karl Mays Old Shatterhand zu bekannt wurde, tauchten liebe Zeitgenossen auf, die ihn angifteten. Das alles erlebt nun der tote Wyatt Earp. Er liegt drüben an der Westküste Amerikas auf den Hills of Eternity von San Francisco und kann sich nicht mehr wehren. Aber er hat eine ganze Armee von Freunden gefunden, die zu ihm stehen. Ein junger Mann aus Stuttgart schrieb mir. »… und wenn sie ihn hier in unseren wildwütigen Germany mit Steinen bewerfen würden, ich bleibe auf seiner Fährte, weil sie gut und sauber ist. Und weil er – wie er in Ihren Geschichten durch den Westen streift – ein charaktervoller Mann ist, zu dem wir sehr wohl aufschauen dürfen!«
Der junge Mann aus Stuttgart hat es richtig empfunden. Es ist im Grunde das, was mir fast aus all Euren Briefen entgegengerufen wird: Wir wollen unseren Wyatt Earp behalten! Auch wenn das anderen Leuten nicht paßt.
Seid ohne Sorge, Freunde, wir reiten weiter – und der Trail des Missouriers ist noch längst nicht zu Ende. Er geht jetzt erst dem Mittelpunkt seiner spannenden Erlebnisse entgegen. Ich werde Euch weiter berichten. Und Ihr dürft mir glauben, daß mich der ganze Sturm um Wyatt Earp in die sonst wohl kaum mögliche Lage gebracht hat, die Treue und Zustimmung meiner großen Leserschar vor Augen geführt zu bekommen.
Thanks, Boys!
Unser Marshal wird weiterleben – und die Straßen in Amerika werden weiterhin seinen Namen in Ehren tragen. Seine bronzene Gedenktafel wird weiter an der Mauer des alten Tombstoner Gerichtsgebäudes bleiben, auch wenn es hierzulande einigen Leuten nicht gefällt.
Der Missourier ist ein Mann, der stets gut und charaktervoll war und nach dem Gesetz gehandelt hat. Ich habe nie und werde auch nie anders von ihm berichten.
Unsere heutige Geschichte führt uns hinüber in die sonnendurchglühte Landschaft New Mexicos, in das heiße County Sandoval, wo Ende der siebziger Jahre die kleine Stadt Landola stand.
Vorwärts, zieht die Sporen fest, schnallt die Gurte enger und schwingt Euch in die Sättel. Es ist ein weiter Ritt, hinüber zum Rio Puerco…
So long
Euer William Mark
Landola.
Eine Stadt von zwei Dutzend Häusern, die windschief und völlig ausgedörrt in der wabernden Hitze des gelben Sandes standen.
Landola – ein Name, der spanisch klingt und wohllautend ist und an den sich heute kaum noch die Hundertjährigen in der Stadt Santa Fé erinnern können.
Landola steht längst nicht mehr. Der Sturm hat den Flugsand der gigantischen Dünen des Cabezon über ihre Straßen geweht, hat ihre Häuser vermodern lassen und unter sich begraben.
Fast ein Jahrhundert ist über den gelbbraunen Fleck Erde zwischen Santa Fé, Los Alamos und den fernen San Mateo hinweggeweht. Es hat die im Sand versunkene Stadt fast vergessen lassen.
Und doch stand sie einst da.
Ihre Mainstreet war breit, und unter den Vorbaudächern saßen die Männer schläfrig im Schatten und rauchten.
Das erste Haus, wenn man von Osten kam, gleich auf der linken Seite, war zweigeschossig, graubraun und fahl wie die andern; von seiner Fassade ragte ein aufdringlich wuchtiges Schild in die Straße, das in leuchtend weißen Lettern jedem, der es wissen wollte und nicht wissen wollte, entgegenrief, daß er sich der Brandeisen-Bar näherte.
Die Schenke selbst war schlauchförmig, länger also als breit, düster, lag stets im Halbdämmerlicht und hatte eine Theke, die fast ihrer ganzen Länge entsprach.
Jonny Fenner war der Wirt; zwergenhaft klein, vogelköpfig, hager und sauertöpfig. Er stand im Ruf, der schweigsamste Mann des Westens zu sein. Er begrüßte grundsätzlich keinen Menschen, auch nicht seine besten Gäste. Und deren gab es genug.
Bill Geoffry beispielsweise, den kahlköpfigen Barbier mit der Schweinsbeule im Genick. Jim Tucker, den bulligen Blacksmith von gegenüber, Mat Stevens, den kurzsichtigen Storehalter und nicht zuletzt But Baker, den Sheriff.
Hal Flanagan darf nicht vergessen werden. Obgleich er nicht in der Stadt wohnte. Er hatte vier Meilen westlich von Landola eine Ranch. Neun Cowboys arbeiteten für ihn.
Flanagen darf auf keinen Fall vergessen werden, weil er der Satan in der Geschichte von Landola ist.
Bei dieser Gelegenheit muß auch Dave Coogan, der Vormann Flanagans, erwähnt werden. Und Jeff Kirby, den sie den Indio nannten, und Larry Owen, der krummbeinige Cowboy, Gil Parker, der Riese aus Texas, Barcley Jenkins, den sie kurz Ohio nannten und der graugesichtige Ike Barinca, der Mann mit der schnellen Hand.
Sie alle gehören zu der Geschichte von Landola.
But Baker hatte nichts zu lachen, wenn die wilde Mannschaft von der Hügel-Ranch in die Stadt kam. Und sie kam oft. Der Durst war auf der Weide noch größer als in der Stadt.
Und es dauerte geraume Zeit, bis die Boys ihren Durst gestillt hatten. Und was danach kam, war für die Menschen in der Stadt schlimmer als der größte Durst…
*
Der Salooner wischte eben mit seinem Ärmel über die Theke, als die hölzernen Schwingarme der Pendeltüren auseinandergestoßen wurden und sich die vierkantige Hünengestalt eines Mannes in Weidereiterkleidung in den Raum schob.
Gil Parker war nicht allein. Es kam überhaupt selten einer allein von den Boys der Hügel-Ranch.
Barc Jenkins, der Ohio-Mann, kam mit seinem ewiggrinsenden Gesicht hinterher.
Den Schluß bildete Kirby, der Indio. Er war übrigens kein reinblütiger Indianer. Es hieß, sein Vater sei ein Comanche gewesen; aber Jeff selbst wußte nichts Genaues darüber.
Der riesige Tex lehnte sich mit der Hüfte gegen die Thekenkante, sah Ohio an, und nur von einem Wolfshund hätte man verlangen können, daß er das, was der Hüne über die Lippen brachte, hören konnte.
Fenner schien auf seine Art ein solches Tier zu sein; er hatte den Tex offensichtlich verstanden, denn er wandte sich um, nahm drei Gläser vom Bord, schob sie mit geschickten Schübsen nebeneinander auf das Thekenblech, zog eine Whiskyflasche an sich heran und führte sie ebenso geschickt darüber. Ein gezielter Guß hatte sie zur Hälfte gefüllt und nicht ein Tropfen war verschüttet worden.
Die drei kippten den Drink mit einer Handbewegung weg.
Nach dem dritten Schluck wurde Ohio munter.
Er wandte sich um und sah auf das Orchestrion. Das heißt, jemand, der die Örtlichkeiten in der Schenke nicht kannte, hätte das Musikgerät in der finsteren Ecke nie erkennen können; aber die ›Boys‹ wußten ja, daß es dort stand. Sie hatten es zweimal zertrümmert, zweimal dafür gespart und erst in der vergangenen Woche hatte einer von ihnen wieder einen Angriff darauf unternommen.
Seitdem war es stumm – und blieb es auch auf den sanftesten Zuspruch und den goldhaltigsten Eagle.
Die Sache lag diesmal etwas anders, weil der Salooner nicht wußte, wer das Gerät ›entschärft‹ hatte.
Jonny Fenner fand in dem Schlitz, in den die Musikliebhaber die Münzen zu werfen hatten, eine Schusterahle und ein Stück Draht. Ferner fand er, als er den Mechanismus des Gerätes weiter auseinanderoperiert hatte, daß das Innenleben eines Orchesterions doch eigentlich nicht so hartnäckig nach schlechtem Whisky riechen dürfte.
Es waren die ›Boys‹. Jedenfalls stand das für Fenner fest.
Aber wie gesagt: Er war der schweigsamste Mann des Westens.
Er handelte auf seine Art.
Der Tex merkte es nicht. Ohio schien auch arglos zu sein. Aber der Indio rümpfte die Nase und schob das vierte Glas, das vor ihn glitt, zurück.