Wyatt Earp Classic 37 – Western. William Mark D.
Es war eine regelrechte Besatzung.
Der Saloon war geschlossen.
Die Cowboys tranken in Flanagans Haus; der Rancher hatte da eine Art Notsalon einrichten lassen.
Für die Bürger gab es keinen Whisky mehr.
Im Post-Office hielt sich ständig ein Cowboy auf.
Im Store saß einer.
Einer bewachte die Schmiede und den Barber-Shop.
Niemand in Landola fragte sich, wie Flanagan seine Vieh-Ranch ohne Cowboys aufrechterhalten konnte.
Bis Mike Langlegg dem Schmied zuflüsterte, daß er zufällig beobachtet habe, wie der Revolvermann Barinca mit einem halben Dutzend Reiter eine halbe Meile südlich von der Stadt die Fahrstraße gekreuzt hatte.
Da wußte man, daß der Rancher sich neue Leute ›gekauft‹ hatte.
Wie sollte es weitergehen?
Geduckt schlichen die Menschen ihrem Tagewerk nach.
Und wer dazu die Stadt verlassen mußte, konnte sicher sein, daß er nicht unbeobachtet blieb.
Die Reiter von der Hügel-Ranch konnten überall auftauchen.
Man wußte es bald.
Und vielleicht wäre es noch viel länger so weitergegangen, wenn nicht jener Freitagvormittag gekommen wäre.
Oder besser, jener Reiter, der an diesem sonnenüberstrahlten heißen Vormittag von Norden her in die Stadt ritt.
Er war ein großer breitschultriger Mann mit einem kantigen, gutgeschnittenen Gesicht. Er war braungebrannt und trug auf der Oberlippe einen kräftigen schwarzen Bart.
Sein Hemd war grau und wurde am Hals von einer Samtschleife zusammengehalten. Die Weste war kurz und schwarz. Die enge Levishose lief über die hochhackigen Stiefel aus. An der rechten Hüfte trug der Mann einen achtunddreißiger Revolver in einem abgewetzten Halfter.
Der Braune, den er ritt, war hochbeinig und hätte dem Pferdekenner das edle Blut auf fünfzehn Yards verraten.
Vor der Schmiede hielt der Reiter an, rutschte aus dem Sattel, warf die Zügelleinen über den Querholm und nahm sich den Hut vom Kopf, um sich mit dem Unterarm über die Stirn zu wischen.
Niemand nahm allzuviel Notiz von diesem Mann.
Es waren in den letzten Tagen mehrfach Reiter gekommen – und weitergeritten, nachdem sie im Store muffig behandelt wurden und nachdem sie festgestellt hatten, daß der einzige Saloon geschlossen war.
Der Mann aber, der jetzt gekommen war, hatte einen Grund, nicht gleich weiterzureiten: Sein Pferd hatte vorn links den Huf verloren.
Der Mann nahm ihn aus der Satteltasche und ging damit auf das Tor der Schmiedewerkstatt zu.
Sofort erhob sich Gil Parker, der riesige Texaner, von seinem Beobachterposten auf dem Vorbau und schlenderte auf die Schmiede zu.
Der Fremde blieb im Eingang stehen.
Er grüßte und hielt dem verbissen auf einem glühenden Eisenstück herumhämmernden Blacksmith den Huf hin.
»Könnten Sie mir den wieder aufleimen, Mister?«
Mürrisch blickte der Blacksmith auf. Und dann sagte er etwas, was er nie in seinem bisherigen Leben zu einem Menschen gesagt hatte, der mit einem solchen Anliegen zu ihm gekommen war:
»Scheren Sie sich zum Teufel, Mann!«
»Was…?« fragte der Fremde verblüfft.
»Yeah, Sie haben richtig verstanden! Scheren Sie sich zum Teufel. Es ist besser für Sie und für mich.«
In diesem Augenblick tauchte der Cowboy seitlich am Werkstattor auf.
»Los, tu, was er gesagt, Tucker!« krächzte der Tex.
Da warf sich der Blacksmith herum. Sein Gesicht war flammendrot vor Zorn.
»Einen Dreck werde ich tun.«
Parker sah ihn einen Moment entgeistert an, dann stürmte er vorwärts und drang auf den Schmied ein.
Tucker hatte noch den Hammer in der Hand. Er wich geschickt zur Seite und riß das Handwerkszeug hoch, das er besser als mancher Schießer den Colt handhabte.
Im nächsten Augenblick krachte die Flachseite des Hammereisens auf die linke Schulter des Cowboys nieder.
Der Tex schrie gellend auf.
Dann zuckte seine Rechte zum Colt.
»Halt, Langer!« schnitt da eine harte Stimme an das Ohr des Weidereiters.
Parker sah sich um und starrte aus geweiteten Augen auf den Fremden, der einen Revolver in der rechten Hand hielt.
Ein solches Bild hatte Landola noch nicht gesehen: Da hielt ein Mann einen Revolver auf einen der Hügel-Leute.
Parker riß den Mund auf und brüllte: »Nimm das Schießeiesen weg, Mensch, sonst harke ich dich auseinander.«
Das Gesicht des Fremden blieb fast freundlich.
»Das wäre ein unschöner Anblick für die Leute, Amigo…«
»Du sollst…«
Der Revolverhahn in der Hand des Fremden knackte.
»Sprich leiser, Amigo.«
Da schrie der Tex heiser: »Boys! Help…«
Die Boys waren auch sofort zu sehen.
Drüben vor dem Store sprang Jeff Kirby, der Indio, hoch.
Rechts vom Vorbau kamen der Ohio-Mann und der krummbeinige Larry Owen.
Sie waren nicht sehr klug, die Boys. Sie kamen heran. Und zwar so, daß der Fremde nur mit dem Rücken an das offenstehende Werkstattor zurückzuweichen brauchte, um sie alle vor sich zu haben.
Die vier Cowboys begriffen gar nicht, was eigentlich geschehen war.
Da stand ein Fremder und hielt einen Colt in der Hand.
Damned, das war ein Anblick, den sie eigentlich überhaupt nicht kannten.
Der Indio faßte sich zuerst.
»He, Junge, was soll das werden?«
Der Fremde lachte ihn entwaffnend an.
»Du wirst lachen – das möchte ich auch wissen.«
Da versetzte Parker dem Schmied heimtückisch einen Fußtritt.
»Dieser dreckige Eisenverrenker hat es gewagt, mir einen Schlag mit dem Hammer zu versetzen. Ich werde dem Dreckskerl…«
»Gar nichts wirst du!« versetzte der Fremde.
Noch ahnte niemand, daß Landolas Geschick scharf, haarscharf vor einer Wende stand.
Im Gegenteil, all jene, die diese Szene beobachteten, gaben dem Fremden keine fünf Minuten mehr.
Die Banditen von der Hügel-Ranch würden ihm ganz ohne Zweifel einen ruhigen Platz auf dem Totenacker verschaffen.
Aber es kam anders. Ganz anders.
Ohio hüstelte spitz.
»He, Stranger, du mußt krank im Schädel sein. Siehst du nicht, daß wir vier sind?«
»Doch, so weit kann ich noch zählen!«
»Nimm das Eisen herunter!« knurrte der Mestize heiser.
»Du hast recht«, entgegnete der Fremde zur Überraschung der vier seelenruhig. »Vielleicht läßt es sich dann besser reden.«
Der Colt flog ins Halfter zurück.
Auf diesen Augenblick hatte Barcley Jenkins, der Ohio-Mann, gewartet. Aber er sollte die scheußlichste Enttäuschung seines Gaunerdaseins erleben.
Als