Wyatt Earp Classic 37 – Western. William Mark D.
Nicht nur Ohio hatte den Mund vor Staunen offenstehen.
»He, der ist spaßig!« quetschte Ohio rauh hervor.
»Findest du?« fragte der Fremde kühl.
Sicher hätte in diesem Augenblick noch keiner der Cowpuncher auch nur im entferntesten daran gedacht, daß ihres Bleibens in der Stadt keine fünf Minuten mehr war.
Da trat der Mestize vor. Breitbeinig stand er da. In seinen dunklen Kohlenaugen flimmerte es.
»Hör zu, Stranger, wir geben dir eine Chance: Nimm deinen Klepper und verschwinde.«
Ein helles Lachen kam von den Lippen des Fremden.
»Ich hätte gute Lust, euch diesen Rat zu geben, Boys.«
Die Boys blickten einander betreten an.
Was war da zu tun?
Zum Colt zu greifen wagte im Augenblick niemand mehr.
Mit offenem Staunen blickte der Schmied auf den Fremden.
»Tun Sie, was er sagt, Mister«, mischte er sich plötzlich ein, »nehmen Sie Ihren Gaul und reiten Sie weiter. Es ist hier verdammt ungemütlich in der Stadt.«
»Das kann ich absolut nicht finden«, versetzte der Fremde.
»Es ist heiß hier«, sagte der Schmied rauh.
»Ich liebe heiße Städte.«
Nein, es war kein Spaß, was der Mann da sagte. Niemand spürte es deutlicher als der hellhörigste der drei Kuhtreiber, als der Mischling. Abwartend stand er da.
Da nahm der Schmied seine Arbeit wieder auf. Hell drang sein Hämmern über die Straße.
»Hör auf!« geiferte der Texaner ihn an.
Tucker hielt erschrocken inne. Dann sah er den Fremden an.
»Sie müssen dümmer sein, als Sie aussehen, Mann«, fauchte er den Fremden an. »Es ist brenzlig in der Stadt…«
»Du sollst dein dreckiges Maul…«
Der Fremde machte einen halben Schritt vorwärts.
»Dein Maul hältst zunächst du, Tex!«
Parker starrte den Fremden verblüfft an.
»Woher weißt du…?«
»Du hast so eine nette Aussprache. Ich war ein paar Jahre unten in Texas. Ich erkenne Leute von dort auch ohne, daß sie den Mund auftun.«
Da knurrte der Schmied noch einmal: »Gehen Sie endlich, Mann, Sie machen uns alle unglücklich!«
In den Augen des Fremden blitzte es auf.
Drüben kam ein alter Mann aus einem der Häuser auf die Schmiede zu.
»Was will der Knochenflicker hier?« zischte Jenkins.
Der Arzt kam furchtlos heran.
»Reiten Sie weiter, Mister. Der Blacksmith hat recht. Sie richten hier nichts aus, Sie allein nicht. Wir…«
Da fuhr Jenkins herum und hechtete dem Arzt entgegen.
Aber gedankenschnell wie eine Stahlfeder warf sich ihm der Fremde in den Weg und wuchtete dem Cowboy einen fürchterlichen Haken in die kurzen Rippen.
Der heißblütige Ohio-Mann wurde zurückgeschleudert und beging den Wahnsinn, wieder zum Colt zu greifen.
Der Fremde ließ sich fallen und riß seinen Revolver hoch.
Zwei Schüsse heulten über die Mainstreet von Landola.
Barcley Jenkins wälzte sich brüllend am Boden.
Und als die anderen Miene machten, ihre Waffen zu ziehen, sprang der Fremde zur Seite, so daß er die schwere Bohlentür wieder im Rücken hatte.
»Er hat ein Stück Blei in der Hüfte. Wer mehr Appetit hat, kriegt die gleiche Ladung ins Herz!«
Seine Stimme klang plötzlich hart und metallen. Und dann trat er auf den Indio zu.
»Heb die Hände hoch, Amigo!«
Ehe der Mestize eine Bewegung machen konnte, hatte der Fremde ihm den Revolver aus dem Halfter gerissen.
Er lachte klirrend.
»Ich bin ein guter Zweihandmann, Boys, nur hatte ich wenig Lust, zwei Eisen ständig mit mir herumzuschleppen. Jetzt habe ich noch elf Kugeln in den Trommeln. Ihr könnt sicher sein, daß ich drei davon auf die Reise schicken werde, ehe ich selbst runtergehe.«
Die Boys waren gestellt. Sie hatten alle Lust verloren, weitere Kostproben der Schießkunst des Fremden mitanzusehen.
Der Mestize wandte sich um und stakste langsam davon.
»Ich schätze, daß du in einem Zelt wohnst, Junge!« rief ihm der Stranger nach. »Vergiß deinen Gaul nicht, und laß dir keine Späße einfallen. Die Sache war bis jetzt Spaß.«
Da wollten auch die anderen gehen.
»Wartet noch, Freunde«, mahnte sie der Fremde halblaut, »wir haben uns so gut unterhalten, daß ich noch nicht auf eure Gegenwart verzichten möchte. Ich hatte einen reichlich langweiligen Trail hinter mir.«
Sie warteten.
Und ein paar Minuten später kam der Mestize mit seinem Pferd aus dem Mietstall. Wortlos ritt er an der Schmiede vorbei und verschwand drüben in einer Seitengasse.
»Vielleicht sehen Sie mal nach dem Mann da!« forderte der Fremde den Arzt auf.
Doc Winters sah ihn an.
»Wer sind Sie?«
»Ich wollte hier nur einen Huf aufgeschlagen bekommen.«
»Wie kommen Sie darauf, daß ich nach seiner Wunde sehen sollte? Woher kennen Sie mich?« fragte Winters.
»Nannte er Sie nicht Knochenflicker?«
Doc Winters zog die Schultern hoch und ließ sie resigniert wieder fallen. Dann machte er sich an die Untersuchung der Wunde des Ohio-Manns.
Der Fremde feixte die andern an.
»Ihr dürft jetzt der Rothaut folgen. Haltet euch gut in seiner Spur. Das ist das gesündeste.«
»Wir nehmen ihn mit«, keifte der Texaner und hielt sich die schmerzende Schulter.
»Verschwindet!« zischte der Fremde schneidend.
Da stoben sie davon.
Minuten später hatten auch sie Landola verlassen.
Barcley Jenkins wurde in Flanagans Haus gebracht.
Der Schmied trat auf die Straße und sog die Luft ein.
»Teufel auch, atmet sich das gut. Mir ist, als käme ich aus einer Höhle!«
Der Fremde sah ihn an.
»Habe ich eine Chance mit dem Huf, Mister…?«
Tucker lachte bitter auf.
»Yeah, und ob Sie die haben. Ich werde Ihnen sogar ein neues Eisen kostenlos aufbrennen. Sie werden es nötig haben.«
»Glauben Sie?«
»Ganz sicher. Hal Flanagan wird noch vor Einbruch der Dunkelheit mit seinen Boys in der Stadt sein. Bis dahin müssen Sie zusehen, daß Sie möglichst viel Land zwischen sich und die Stadt bringen.«
Der Fremde sah sich auf der Straße um.
»Sie werden es wieder verrückt finden, Mister, aber ich habe plötzlich den Wunsch, noch etwas hierzubleiben.«
»Was…?« Der Schmied starrte ihn sprachlos an.
»Kann man hier irgendwo ein Zimmer bekommen?«
»Nein. Und wenn einer eines frei hätte – er gäbe es Ihnen nicht. Reiten Sie los, Mann!