Wyatt Earp Classic 37 – Western. William Mark D.
»Ob es etwas nützt, ist eine zweite Sache. Jedenfalls war es Ihre Pflicht.«
»Ich muß selbst wissen, was ich zu tun habe, Doc!« faucht der Bürgermeister. »Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich das merken würden. Noch bin ich hier Mayor.«
»Noch ja!«
»Was soll das heißen?« zischte der Mayor lauernd.
»Ich habe gesagt, daß Sie noch Mayor sind.«
Doc Winters wandte sich ab. Als er den Drehknopf der Tür in der Hand hatte, hielt ihn ein Ruf des Mayors auf.
»Winters!«
Der Arzt blieb stehen, ohne sich umzuwenden.
»Was wollen Sie denn? Sie wissen doch genau, daß eine Benachrichtigung des County Sheriffs nichts genützt hätte. Jesse Helborn ist über dreißig Meilen entfernt von Landola. Bis er hier wäre, vergingen ohnehin Tage. Außerdem käme er nicht. Er war ein einziges Mal hier. Und das war, als Baker eingesetzt wurde. Seitdem hat er sich hier nicht mehr blicken lassen. Als damals die Jenkins-Bande die Stadt unsicher machte, hat Baker drei Depeschen nach Santa Domingo geschickt und keine Antwort erhalten. Das wissen Sie so gut wie ich. Es ist ein verdammtes Land, diese New Mexico. Ein Land ohne Recht und Gesetz…«
»… und ohne Leute, die für den Posten eines Mayors geeignet sind«, knurrte der Arzt und warf die Tür hinter sich ins Schloß.
Haycox starrte mit weiten Augen auf die Tür.
Dann zündete er sich mit zitternden Händen eine Zigarette an.
Durch die Tür zum Nebenzimmer blickte eine Frau.
»Ist etwas passiert, Jim?«
»Nein, nichts…«
Jim Haycox wußte, daß er log. Es war etwas passiert. Und der Doc hatte es ausgesprochen.
Haycox zog seine Weste zuecht, strich sich das Haar zurück, zertrat die Zigarette am Boden und ging hinaus.
Als er auf die Straße trat, blieb er wie angenagelt stehen.
Drüben am Vorbaupfosten des Post-Offices lehnte ein Mann.
Er war groß und breit gebaut, hatte einen bulligen Schädel und ein Hundegesicht. Tief über seinem rechten Oberschenkel hing im Halfter des patronengespickten Waffengurtes ein großer Revolver. Seine Kleidung war derb und verwaschen.
Jeder in der Stadt kannte diesen Mann.
Es war Dave Coogan, der Vormann der Hügel-Ranch, Hal Flanagans rechte Hand.
Coogan schob sich gerade eine lange krumme Viginia zwischen die Zähne, riß ein Zündholz am Vorbaupfosten an und rauchte.
Aus engen Raubtieraugen fixierte er den Mayor.
Haycox stand steif da.
Dann sah er drüben in der Tür des Arzthauses den Doktor stehen. Mit einem Ruck setzte der Mayor sich in Bewegung.
Er überquerte die Straße, betrat den Vorbau des Offices, ging an dem Cowboy vorbei und näherte sich der Tür des Post-Offices.
In seinem Nacken saß die Angst wie ein Zentnergewicht.
»He, Mayor!« schlug da die Stimme des Cowboys an seine Ohren.
Haycox blieb stehen. Ganz langsam wandte er sich um.
»Was wollen Sie, Coogan?«
»Ich hatte vor, Ihnen einen guten Tag zu wünschen.«
Haycox stieß die Tür des Post-Büros auf.
»Mayor!« rief ihm der Cowboy nach.
Haycox blieb wieder stehen. Und als er sich umwandte, sah er, daß sich auch der Weidereiter umgewandt hatte. Breitbeinig stand er da. Um seinen schmallippigen Mund lag ein böses Lächeln.
»Ich hatte gesagt, daß ich Ihnen einen guten Tag wünschen wollte. Jetzt aber habe ich das dunkle Gefühl, daß Sie gar nicht die Absicht haben einen guten Tag zu erleben.« Und mit einem drohenden Unterton fügte er hinzu: »Daß Sie anscheinend die Absicht haben, diesen schönen Tag nicht zu überleben.«
Haycox spürte, daß ihm der Schweiß aus allen Poren trat.
Er wußte, daß nicht nur der geduckt dastehende alte Posthalter ihn anstarrte, nicht nur der Cowboy vor ihm, sondern die halbe Stadt.
Langsam kam er wieder auf den Vorbau hinaus und sagte mit brüchiger, weithin vernehmbarer Stimme:
»Sie bedrohen mich auf offener Straße, Coogan?«
Der Cowboy hob die Hände langsam in Brusthöhe und spreizte die überlangen starken Finger.
»Wie kommen Sie auf so etwas Dummes, Mayor?« Wieder kroch das unangenehme Lächeln um seinen Mund.
»Dann lassen Sie mich gefälligst in Ruhe!«
Und als Haycox sich umwenden wollte, peitschte ein Schuß über den Vorbau.
Die Kugel klatschte hart neben dem Mayor in das Holz des Türrahmens.
Der Bürgermeister stand wie gelähmt da. Er wagte nicht mehr, sich umzudrehen.
Es war drei Sekunden still, dann dröhnte die bellende Lache des Weidereiters über den Vorbau.
»Damned, wie schnell so ein Ding losgeht!«
Haycox hielt den Atem an. Er hatte das sichere Gefühl, daß im nächsten Augenblick eine Kugel in seinem Rücken sitzen müßte.
Da gellte eine Frauenstimme über die Straße:
»Jim!«
Der Mayor schloß die Augen.
»Jim! Komm zurück, denk an die Kinder!«
Wieder krochen drei endlose Sekunden über die breite Mainstreet von Landola.
Sekunden, in denen sich das Geschick der Stadt vollzog.
Jim Haycox wandte sich langsam um und ging mit bleichem Gesicht an dem Cowboy vorbei auf die Straße, hinüber zu seinem Haus.
»Verdammter Feigling!«
Es war die harte, rauhe Stimme des Arztes, die diese beiden Worte über die Straße geschickt hatte.
Dave Coogan wandte sich zur Seite. Er fixierte den alten Arzt aus engen, glimmenden Augen.
»Was wollen Sie denn, Grandfather? Verschwinden Sie schleunigst in Ihrem Bau, sonst wird’s verdammt ungemütlich für Sie!«
Unerschrocken blieb der Arzt in der Tür stehen.
In dem Blick, den er dem Vormann zuwarf, lag abgrundtiefe Verachtung.
Da flog der Colt des Hügel-Ranch-Cowboys aus dem Halfter, und hart hintereinander brüllten drei Schüsse über die Straße.
Haarscharf neben dem linken Arm des Arztes rissen sie das Holz der Türfüllung auf.
Und im gleichen Augenblick kamen drüben aus der Seitengasse drei Reiter.
Reiter von Flanagans Ranch.
Der Arzt sah zu ihnen hinüber.
Dann wandte er sich langsam um und ging in sein Haus zurück.
*
Landolas Schicksal war besiegelt.
Die Gewalt war in die Stadt eingezogen.
Die von der Hügel-Ranch hatten die ›Macht‹, wie Hal Flanagan es nannte, an sich gerissen.
Niemand wagte mehr, den Mund aufzumachen.
Von dieser Stunde an verließen die Weidereiter die Stadt nicht mehr. Es blieb immer eine ›Abordnung‹ von ihnen da.
Drüben im Mietstall standen ihre Pferde.
Sie selbst lungerten nebenan auf dem Vorbau des Hauses, das dem Rancher gehörte, herum,