Die junge Gräfin 22 – Adelsroman. Michaela Dornberg
Worte nicht krumm, sondern lächelte auf sehr gewinnende Weise! Auch das noch!
»Den wollte ich Ihnen eigentlich auch nicht erzählen, es würde Sie langweilen, es gibt in meinem Leben nichts Spannendes …, vielleicht wollen Sie es ja ein andermal hören, Alexandra. Jetzt bin ich erst einmal überglücklich, dass Sie mir nicht böse sind und dass Sie mir hier gegenübersitzen.«
Das – genießen Sie es, denn es wird das einzige Mal sein, verkniff sie sich, denn in diesem Augenblick trat der Ober an ihren Tisch, ein junger Mann, der mit seinem weißen Hemd, seiner schwarzen Hose und der langen schwarzen Schürze, in die mit weiß sehr dezent, aber gut lesbar in Schreibschrift das Wort ›Rathauscafé‹ eingestickt war, sehr cool aussah.
Hendrik Hoorgen blickte sie fragend an, Alexandra wandte sich jedoch dem Ober zu und sagte: »Ich hätte gern einen Cappuccino.«
Hendrik nickte.
»Den nehme ich auch.«
Auf die Frage, ob mit Sahne oder aufgeschäumter Milch, riefen beide wie aus einem Mund: »Milch.«
Sie sahen sich an, prusteten los.
»Wie wunderbar«, sagte er charmant, »eine Übereinstimmung gibt es zwischen uns schon mal.«
Sie ging auf seinen launigen Ton ein.
»Das ist aber nicht unbedingt etwas, was weltbewegend ist, Cappuccino wird normalerweise mit aufgeschäumter Milch getrunken, das mit der Sahne ist, glaube ich, nur etwas, was sich bei uns eingebürgert hat.«
Er zuckte die Achseln, lächelte Alexandra an, dass ihr abwechselnd heiß und kalt wurde.
»Ist das wichtig?«, erkundigte er sich. »Ich fände es viel Spannender, etwas über Sie zu erfahren. Wohnen Sie in Kaimburg?«
»Ah …, nicht direkt. In der näheren Umgebung«, antwortete sie. »Über mich gibt es auch nicht viel zu erzählen. Ich denke der Alltag eines jeden Normalbürgers ist nicht spannend.«
»Das sehe ich aber nicht so. Ich finde, man kann jeder Stunde seines Lebens etwas Schönes abgewinnen, kann aus jeder Situation das Beste machen.«
»Nach dieser Devise leben Sie?«, wollte Alexandra wissen.
Er nickte.
»Ja, absolut, denn wenn es nicht so wäre, dann säßen wir vermutlich jetzt auch nicht hier, oder?«
Er hatte recht!
Da da draußen auf der Landstraße nichts passiert war, wäre sie weitergefahren und hätte ihn vermutlich jetzt bereits vergessen. Oder hätte sie, während sie die Fußgängerzone entlangbummelte, an ihn gedacht?
»Stimmt, Sie haben recht«, gab sie zu.
Weitere Worte blieben ihr erspart, denn in diesem Augenblick wurde der Cappuccino serviert, in bauchigen weißen Tassen, wie es sich gehörte, mit einer dicken Schaumkrone darauf.
Hmmm …
Herrlich …
Alexandra machte es sich bequem, wollte nach ihrer Tasse greifen, doch dabei stieß sie versehentlich an den neben ihr stehenden Stuhl, auf dem ihre Tasche stand, die fiel zu Boden, sprang auf, ein Teil des Inhalts ergoss sich auf das altersdunkle Parkett.
Ehe sie reagieren konnte, war Hendrik Hoorgen bereits aufgesprungen und machte sich daran, alles wieder in die Tasche zu räumen.
Bei einem Blatt Papier hielt er inne, warf einen Blick darauf.
Alexandra hatte die Seite aus einem Bücherjournal herausgerissen, weil da Bücher besprochen wurden, die sie interessierten und die sie sich einmal näher anschauen wollte.
Er tippte auf das Blatt.
»Diese irische Familiensaga ist spannend von der ersten bis zur letzten Seite und auch in einer wunderschönen Sprache geschrieben, der Agententhriller ist auch nicht schlecht, aber diesen Roman hier«, er deutete auf ein Foto, das ein kleines weißes Haus zeigte, das sich in grüne Hügel schmiegte, »den können Sie vergessen. Ich weiß nicht, warum er so hochgejubelt wurde. Die Story ist äußerst mager, und ich finde ihn richtig hingehauen, die früheren Bücher waren nicht schlecht. Aber das hier ist eine Zumutung, schade um die dreißig Euro.«
»Sie lesen gern?«, erkundigte Alexandra sich interessiert.
»Ja, und ich kann nicht genug davon bekommen«, er legte auch das Papier in die Tasche, stellte sie sorgsam zurück auf den Stuhl und setzte sich, »ich wäre am liebsten Bibliothekar geworden oder Buchhändler, na ja, am allerliebsten natürlich Schriftsteller, wer will das nicht? Leider reicht meine Fantasie dazu nicht aus. Aber ob etwas gut geschrieben ist oder nicht, ein solches Urteil traue ich mir zu.«
»Ich lese auch für mein Leben gern«, gab Alexandra zu, binnen kürzester Zeit entwickelte sich zwischen ihnen ein interessantes Gespräch.
Dieser Hendrik Hoorgen verstand wirklich eine ganze Menge von Büchern, und er war auf jeden Fall belesener als sie.
Diesem einen Cappuccino folgte ein zweiter, auch noch ein dritter. Aber irgendwann sah Alexandra auf die Uhr.
Du liebe Güte!
Jetzt hatten sie sich aber mehr als verplaudert. Von wegen maximal eine Stunde! Diese Zeitvorgabe, die sie sich gesetzt hatte, war aber bei Weitem überschritten.
Ihren Bummel durch die Fußgängerzone konnte sie vergessen, doch darum war sie nicht traurig.
Das Gespräch mit diesem Mann war auf jeden Fall interessanter gewesen. Aber sie hatte für den Abend noch eine Verabredung.
»Tut mir leid, ich muss jetzt aufbrechen«, sagte sie und winkte den Ober herbei.
Bedauernd blickte er sie an.
»Ist das Ihr Ernst?«
Alexandra nickte.
»Ja, ich habe heute noch eine Verabredung.«
»Dann können wir uns ein andermal sehen?«
Sie zögerte, was ihn veranlasste fortzufahren: »Oder wenigstens telefonieren. Geben Sie mir Ihre Telefonnummer, und vielleicht verraten Sie mir auch Ihren vollständigen Namen?«
Wozu, dachte sie. Der Fremde gefiel ihr, ganz ohne Zweifel, aber sie hatte keine Lust auf neue Verwicklungen. Sie war einfach noch nicht bereit für Dates mit Männern.
Mit diesem Mann hier würde sie wieder in etwas hineinschlittern.
Nein!
Keine neue Baustelle!
Sie lächelte ihn charmant an.
»Sie wollten als Wiedergutmachung für den Beinahe-Zusammenstoß mit mir einen Kaffee trinken …, daraus wurden drei Cappuccino, daraus wurde ein stundenlanges Gespräch. Damit soll es gut sein.«
Sie griff nach ihrer Tasche, wollte daraus ihren Geldbeutel nehmen, weil der Ober sich diskret ihrem Tisch genähert hatte.
»Nein, nein«, wehrte Hendrik Hoorgen sofort ab. »Schon vergessen? Es sollte eine Einladung sein.«
Sie wollte jetzt keinen Aufstand machen, die drei Cappuccino würden ihn nicht arm machen. Er sah nicht so aus wie jemand, der den Euro dreimal umdrehen musste.
Also ließ sie ihn bezahlen, und nachdem das erledigt war, stand sie auf.
Er erhob sich ebenfalls.
Gemeinsam gingen sie hinaus zum Parkplatz, er brachte sie zu ihrem Auto.
»Wollen Sie es sich nicht doch noch mal überlegen und einem weiteren Treffen zustimmen? Oder, bitte, geben Sie mir Ihre Telefonnummer.«
Sie zögerte.
Aber dann siegte ihr Verstand. Einem Treffen würde ein weiteres folgen, ein Telefonat dem nächsten, und …, prompt hing sie wieder in etwas drin.
Er war klug, charmant, belesen. Alles Eigenschaften, die sie an einem Mann schätzte, und er sah wirklich verdammt gut aus.