Bettina Fahrenbach Classic 5 – Liebesroman. Michaela Dornberg
»Da waren noch Anrufe…, irgendwelche Firmen haben angerufen und Bestellungen aufgegeben. Aber die sind drüben in der Likörfabrik angekommen. Toni hat es nur erwähnt.«
Das freute Bettina sehr. Es schienen also ihre ersten Werbekampagnen für die Brodersen und Horlitz Produkte bereits ihre Wirkung zu zeigen.
»Ja, dann ziehe ich mich jetzt um und mache mich auch an meine Arbeit«, sagte Bettina, doch Lenis Stimme hielt sie zurück. »Da war noch etwas, es ist ein Brief gekommen ohne Absender. Ich habe ihn bei dir in der Diele auf die Kommode gelegt.«
»Danke, Leni, bis später. Wenn noch etwas sein sollte, findest du mich dann drüben in der Destille. Ich rufe nur Jörg an.«
An den Brief wurde sie erst wieder erinnert, als sie in die Diele kam.
Es war ein längliches Kuvert in einem blassen Rosa, und der Brief mußte auf jeden Fall von einer Frau geschrieben worden sein, denn es entströmte ihm ein leichter Parfümgeruch.
Bettina nahm den Umschlag mit nach oben, zog sich um, dann griff sie zum Telefon.
Glücklicherweise meldete Jörg sich sofort.
»Danke, Bettina, daß du sofort zurückgerufen hast…, eigentlich habe ich schon gestern versucht, dich zu erreichen.«
Seine Stimme hatte leicht vorwurfsvoll geklungen, und das wollte sie einfach nicht auf sich sitzen lassen.
»Und ich habe auch gestern schon versucht, dich zu erreichen, du warst nicht da. Ich habe mit Doris gesprochen, hat sie dir nichts ausgerichtet?«
Jörg zögerte.
»Nein…, wie war sie denn drauf?«
Bettina ahnte, worauf er hinauswollte. Er wollte es nicht direkt ansprechen und hoffte wahrscheinlich, sie habe nichts bemerkt. Aber so einfach konnte sie es ihrem Bruder nicht machen. Doris war krank, und das mußte ausgesprochen werden. Es half niemandem, vor allem Doris nicht, es zu verdrängen.
»Sie hat ziemlich schleppend gesprochen… Ach, Jörg, was soll es, du weißt es, und es war nicht zu überhören, Doris war ziemlich betrunken.«
Diese offene Antwort war ihm peinlich.
»Doris…, ich meine, sie verträgt nicht viel…, schon ein, zwei Gläschen reichen…«
Bettina unterbrach ihn.
»Doris hat mehr als ein, zwei Gläschen getrunken, als ihr bei Frieders Eröffnung ward. Das habe ich selbst gesehen, und vielleicht erinnerst du dich daran, daß du sie beizeiten wegbringen mußtest, weil sie betrunken war.«
»Ja, aber…«
Wieder unterbrach sie ihren Bruder.
»Jörg, du mußt dich nicht rechtfertigen, und du mußt auch nichts beschönigen. Doris hat ein Problem, und ihr muß geholfen werden.«
»Wir können uns ja persönlich darüber unterhalten, denn ich wollte dich eigentlich bitten, mich zu besuchen.«
»Dich besuchen?«
Das erstaunte Bettina wirklich sehr. Bislang war es nämlich immer noch so gewesen, daß Jörg sie niemals eingeladen hatte, weder zu einem verwandtschaftlichen Besuch noch zu seinem gigantischen Festival, das er auf dem Chateau Dorleac ausgerichtet hatte.
Jörg schien sich auch daran zu erinnern.
»Ja, es war nicht die vornehme Art, dich einfach nicht einzuladen. Aber so, wie ich dich kenne, wärst du ja ohnehin nicht gekommen.«
»Jörg, was macht dich da so sicher? Und warum hast du bei Frieder und Grit gleich gewußt, daß sie kommen würden?«
»Ist blöd gelaufen, Bettina. Aber wahrscheinlich hatte ich Angst, du könntest mir Vorwürfe machen, in deinem Denken bist du halt so wie Papa, und der hätte auch die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wenn er von dem Festival auf dem Chateau erfahren hätte.«
Wenigstens war er ehrlich, denn ihr Vater hätte noch mehr getan, als nur die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.
»Laß uns keine alten Kamellen aufwärmen, Jörg«, zeigte sie sich versöhnlich. »Weswegen soll ich kommen?«
»Es gibt einiges, was ich mit dir besprechen möchte. Es ist schlecht am Telefon…«
»Gut, ich komme. Aber ich muß erst sehen, wann ich das einrichten kann. Hier hat sich einiges verändert, meine Freundin heiratet, T…«, sie wollte von Thomas erzählen, aber das ließ sie dann sein. Daß Thomas und sie sich wieder gefunden hatten, würde sie ihrem Bruder erzählen, wenn sie in Frankreich war.
»Ein paar Tage würden reichen«, sagte Jörg. »Was nicht bedeutet, daß ich dich nicht für längere Zeit bei mir haben möchte.«
Das tat gut. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, daß ihr Bruder sie bei sich haben wollte, aus welchem Grund auch immer.
»Jörg, ich klär das hier alles, und dann telefonieren wir wieder miteinander.«
»Bettina, am besten rufst du mich auf meinem Handy an, wenn du abschätzen kannst, wann du kommst«, er setzte ihr Kommen also fest voraus, und sie würde es ja auch einrichten. Sie hatte ihren Bruder lange nicht gesehen und freute sich auf ein Wiedersehen.
Sie wechselten noch ein paar Worte miteinander. Dann beendeten sie das Telefonat.
Bettina wollte schon aufstehen, um hinüber zu Toni zu gehen, als ihr Blick auf den blaßrosa Umschlag fiel.
Sie hatte nicht die geringste Ahnung, von wem dieser Brief, der ohne Absender gekommen war, sein könnte. Sie kannte niemanden, er ihr blaßrosa Briefe schickte.
Ziemlich lustlos riß sie den Umschlag auf.
Liebe Bettina,
bitte entschuldigen Sie, daß ich Sie so hintergangen habe. Sie haben mich vorbehaltlos in Ihrem Haus aufgenommen, haben mir vertraut, mir überall Zugang gewährt, und ich habe Ihr Vertrauen mißbraucht. Sie glauben nicht, wie sehr ich mich dafür schäme.
Für mein Handeln, Sie skrupellos auszuspionieren, gibt es auch keine Entschuldigung. Es war falsch. Aber ich habe es aus Liebe zu Ingo getan. Er hat es von mir als Liebesbeweis gefordert und gedroht, mich sonst zu verlassen. Er will um jeden Preis ein Seegrundstück von Ihnen haben, weil ihm eine Investorengruppe eine Millionenprovision zahlt, wenn ihm das gelingt.
Das ist kein Grund, und das muß auch niemand verstehen. Aber Sie sind ein so guter, so aufrichtiger Mensch, Bettina, ich wünsche mir nur, daß Sie nicht schlecht über mich denken. Auf dem Fahrenbach-Hof war es wunderbar. Das ist mir erst so richtig bewußt geworden, als ich wieder im alten Leben war, voller Streß und Hektik.
Ariane.
Ja, was sollte sie davon halten? Eigentlich war es nett, daß Ariane ihr diesen Brief geschrieben hatte. Aber ihr war auch ohne diese Zeilen klar gewesen, daß sie von Ingo Gerstendorf manipuliert worden war. Welch schrecklich, skrupelloser Mensch dieser Mann doch war. Für Geld verriet er sogar seine Liebe und brachte die Frau an seiner Seite in verfängliche Situationen.
Eigentlich sollte Ariane sich von diesem Menschen trennen, aber eigentlich ging sie das nichts an.
Bettina wollte den Brief in ihren Papierkorb werfen, aber dann erinnerte sie sich daran, daß er noch unten stand, sie hatte ihn, nachdem sie Papier entsorgt hatte, auf der Treppe stehen lassen.
Bettina legte den Brief auf ihren Schreibtisch zurück. Dann würde er eben bei nächster Gelegenheit im Müll landen.
Jetzt wollte sie aber hinüber zu Toni gehen, um zu sehen, wer bestellt hatte. Außerdem hatte sie schon wieder eine Bestellung von Linde erhalten, die diese Spirituosen, insbesondere die ›Früchtchen‹ erstaunlich gut in ihrem Gasthaus verkaufte.
Wenn es mit dem Spirituosenhandel weiter gut laufen würde, müßte Toni ganztägig im Geschäft arbeiten, und sie würden für die Arbeit auf dem Hof Ersatz finden müssen.
Das