Bettina Fahrenbach Classic 6 – Liebesroman. Michaela Dornberg
wenn möglich, veranlassen, dass die Proben und Preislisten an mich gesandt werden, wenn alles passend ist, werden wir eine Provision für mich aushandeln. Ich hoffe, dass wir Geschäftspartner werden, Madame Fahrenbach.«
Bettina war wie benommen, sie hatte mit allem gerechnet, aber doch nicht mit einer solchen Möglichkeit.
Und dass dieser Mann ihren Vater auch noch kannte und vor allem schätzte.
Wenn sie es recht überlegte, waren alle ihre Geschäfte nur zustande gekommen, weil ihr Vater einen so guten Ruf hatte und ein so integerer Geschäftsmann gewesen war.
Sie schickte insgeheim ein Stoßgebet zum Himmel.
Sie war sich sicher, dass ihr Vater von dort oben ganz schön mitmischte, um ihr zu helfen.
Aber wenn das möglich war, warum griff er nicht bei Frieder ein, der drauf und dran war, sein Erbe zu ruinieren. Oder bei Grit, die wegen einer Liebesaffäre ihre Familie vernachlässigte?
Wie es bei Jörg aussah, das würde sie sehr schnell erfahren. Ein wirklich gutes Gefühl hatte sie nicht.
Sie bedankte sich bei André Humblet für das Vertrauen, das er in sie setzte, und dann plauderten sie über allgemeine Dinge, wozu ihnen allerdings nicht viel Zeit blieb, denn der Flug von Paris nach Bordeaux dauerte nicht mehr als eine Stunde. Aber es war ja auch alles gesagt.
Die Stewardess forderte zum Anschnallen auf für den Anflug auf Bordeaux, und kurze Zeit später hatten sie ihre Position erreicht, und das allgemeine Getümmel setzte wieder ein.
Sie verabschiedete sich von Monsieur Humblet, der es eilig hatte, weil ein wichtiger Geschäftspartner auf ihn wartete, mit dem er gleich per PKW weiterreisen wollte.
Wer wartete wohl auf sie?
*
Bettina war ziemlich aufgeregt, als sie, bewaffnet mit ihrer Reisetasche, in die Empfangshalle trat.
Von Jörg war nichts zu sehen, auch Doris sichtete sie nirgendwo.
Ob sie aufgehalten worden waren?
Bettina überlegte, ihren Bruder per Handy zu erreichen, dann aber entschloss sie sich, doch noch ein wenig zu warten.
Schließlich war sie ja gerade erst angekommen, und es kamen noch immer Passagiere heraus, die auf ihr Gepäck hatten warten müssen.
Sie setzte sich auf eine Bank, von der aus sie die Eingangstüren im Blick hatte.
Menschen gingen hinaus, kamen herein – von ihrem Bruder und ihrer Schwägerin keine Spur.
Sie zuckte zusammen, als eine Stimme in ihrem Rücken sagte: »Oh, hier finde ich Sie, Bettina, ich hatte schon Sorge, Sie zu verfehlen.«
Bettina wirbelte herum und starrte in das Gesicht von Marcel Clermond, der rechten Hand ihres Vaters. Welche Funktion Marcel bei Jörg hatte, wusste sie nicht. Er war eine großer, hagerer Mann, der nicht viele Worte machte. Bettina mochte ihn und begrüsste ihn entsprechend freundlich.
»Schön, dass Sie mich abholen, Marcel«, rief sie. »War Jörg verhindert?«
»Ja, er musste unvorhergesehen weg.«
»Und Doris?«
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Diese Frage hätte sie wohl besser nicht gestellt, denn er wusste offensichtlich nicht, wie er sie beantworten sollte.
»Sie…, sie…, nun, sie war unpässlich.«
Aus seiner Verlegenheit, seiner Stammelei konnte Bettina sofort erkennen, dass Marcel Bescheid wusste. Also nahm sie auch kein Blatt vor den Mund.
»Sie ist betrunken, nicht wahr?«
Erstaunt schaute er sie an, dann nickte er.
Bettina seufzte.
Dann schien es wohl eher zuzutreffen, dass Doris mehr betrunken als nüchtern war und sie bei ihrem letzten Telefonat mit ihr Glück gehabt hatte, sie nüchtern anzutreffen.
»Arme Doris.«
Marcel nahm ihre Tasche.
»Sie hat Probleme, sich in Frankreich einzuleben.«
»Aber sie wollte es doch, sie wollte es genauso wie Jörg.«
»Vielleicht hat sie sich etwas zusammengeträumt, im wahren Leben sieht alles anders aus. Bettina, es geht mich nichts an. Aber Ihre Schwägerin ist so sehr…, und das meine ich nicht abfällig…, sie ist so sehr deutsch, dass sie ja sogar ein Problem hat, ein französisches Gericht zu genießen.«
»Mit dem französischen Wein scheint sie das Problem aber nicht zu haben«, bemerkte Bettina. »Ich muss mit Jörg reden, damit ihr geholfen wird.«
Marcel antwortete nicht, sie hatten nun den Parkplatz erreicht. Er verstaute ihre Tasche sorgfältig, half ihr in den Wagen, dann fuhr er los.
Bettina blickte ihn verunsichert an. Er hatte nichts gesagt, aber irgend etwas sagte ihr, dass es mit Jörg offensichtlich auch ein Problem zu geben schien.
»Marcel…, ist etwas mit Jörg?«, erkundigte sie sich aus diesen Gedanken heraus.
Er blickte stur geradeaus, reagierte nicht, als habe er ihre Frage nicht verstanden. Und das bestärkte sie in ihrer Vermutung, dass es auch mit ihrem Bruder Probleme gab.
»Marcel, wenn etwas ist, dann sagen Sie es mir bitte. Sie können sich auf meine Loyalität verlassen, wenn Sie es möchten, werde ich nicht darüber sprechen, mit niemandem.«
Man sah ihm an, wie er mit sich rang.
»Es ist wegen des Festivals, nicht wahr?«, wagte sie einen Vorstoß. »Es hat viel gekostet und nichts eingebracht.«
»Hat Ihr Bruder das gesagt?«
»Nein, niemand, aber ein Mensch mit einem halbwegs funktionierenden Verstand kann sich das selber ausrechnen. Jörg hat doch überhaupt keine Ahnung von der Organisation eines Festes in diesem Umfang.«
»Warum waren Sie eigentlich nicht da, Bettina? Ich habe Sie vermisst.«
»Ach, Marcel«, ihre Stimme klang traurig. »Dann waren Sie wohl der Einzige. Ich war nicht eingeladen…, irgendwie scheinen all meine Geschwister ein Problem mit mir zu haben, seit Papa tot ist…, ich erinnere sie wohl zu sehr an Papa, der mit vielem nicht einverstanden wäre, was sie tun. Und ich bin es auch nicht.«
Marcel überholte ein langsam fahrendes Fahrzeug.
»Sie gleichem Ihrem Vater sehr, und es wäre wohl besser gewesen, er hätte Ihnen das Chateau überlassen…«, er brach, als habe er bereits zuviel gesagt, seinen Satz ab.
»So schlimm sieht es aus…, bitte, Marcel, sagen Sie mir, was passiert ist. Vielleicht kann ich doch noch etwas retten.«
Er schüttelte den Kopf.
»Das geht nicht. Das ist zu spät. Ihr Bruder war mit der Ausrichtung seines Festivals so beschäftigt, dass er sich um überhaupt nichts gekümmert hat. Wir haben dadurch den größten Auftrag verloren, den wir je hatten. Boucherté France hatte einen Auftrag für alle Filialen placiert und eine gezielte Werbung gemacht…, wir haben zu spät geliefert. Die Ware wurde nicht mehr angenommen, und wir sind bei Boucherté von der Lieferantenliste gestrichen worden.«
Bettina hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Das war geradezu eine Katastrophe. Ihr Vater hatte Jahre gebraucht, um bei Boucherté gelistet zu werden. Und das verspielte Jörg so ohne Weiteres.
»Schrecklich, das ist ja ganz schrecklich«, murmelte sie.
Marcel nickte.
»Aber darüber zu reden bringt nichts mehr, es ist vorbei. Vielleicht hätte Ihr Vater es ja geschafft…«
»Bei meinem Vater wäre es überhaupt nicht dazu gekommen, Marcel.«
»Ja, das stimmt.«
Nach dieser Eröffnung war Bettina kaum in der Lage, etwas zu sagen, Marcels Stimme