Der Bergpfarrer Classic 39 – Heimatroman. Toni Waidacher
war ein gern gesehener Gast in der Hütte. Dann hatten die Freunde ihnen das Madel vorgestellt.
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte Wolfgang Burger. »Vorhin war ja keine Zeit für eine Begrüßung, da hab’ ich Sie nur so herumwirbeln seh’n.«
Es verstand sich von selbst, daß es für die drei eine kräftige Mahlzeit gab, nachdem die anderen Besucher gegangen waren. Dabei unterhielt man sich, und Steffi mußte viele Fragen beantworten. Es schien, als habe sie schon immer zu diesem Kreis gehört, und das Sennerehepaar war ihr auf Anhieb sympathisch.
Später nahmen die beiden Freunde sie in ihre Mitte und führten sie überall herum. Das Madel lernte die Kühe kennen, die Hunde, die sie hüteten. Dann die Käserei und das Lager, in dem die Laiber reiften. Die kleinen, schlichten Zimmer, in denen Touristen übernachten konnten, und vor allem die herzliche Gastfreundschaft, die ihr von allen entgegen gebracht wurde. Der Tag verging wie im Fluge, und Steffi war überrascht, als Florian zum Aufbruch gemahnte.
»Es ist ein ziemliches Stück, ins Tal hinunter«, meinte er. »Und wir müssen seh’n, ob das Wetter hält.«
»Aber es ist doch strahlender Sonnenschein«, wandte das Madel ein.
Der Bauernsohn lachte.
»Du glaubst gar net, wie viele Touristen genauso denken«, erwiderte er. »Doch in den Bergen kann das Wetter ganz schnell umschlagen, und die Prognose für heut’, sagt noch Regen und Sturm voraus.«
»Den Rückweg müßt ihr allerdings ohne mich machen«, erklärte Andreas. »Ich werd’ noch bis morgen abend hier bleiben und den Eltern helfen. Für morgen mittag hat sich eine Reisegruppe angesagt, da paßt’s ganz gut, da ich noch frei hab’.«
»Also, dann pfüat euch, zusammen«, verabschiedeten sich Steffi und Florian.
»Paß gut auf dich auf«, raunte Andreas dem Madel augenzwinkernd zu. »Der Bursche ist ein rechter Hallodri, vor dem keine Schürze sicher ist.«
»Du mußt g’rad große Töne spucken«, erwiderte Florian und hieb dem Freund die Faust auf die Schulter. »Seinetwegen weinen sich die Madeln die Seele aus dem Leib!«
Steffi betrachtete sie beide mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Mir scheint, da steht der eine dem and’ren net nach«, kommentierte sie das freundschaftliche Geplänkel.
Florian verzog schmerzhaft das Gesicht.
»Au’, das hat gesessen«, sagte er, scheinbar zerknirscht. »Ich glaub’, sie hat uns durchschaut.«
Andreas deutete zum Himmel, an dem urplötzlich pechschwarze Wolken aufgezogen waren.
»Jetzt aber los mit euch«, befahl er. »Sonst seht ihr spätestens in einer Stunde aus wie nasse Katzen.«
Die Sennerfamilie winkte den beiden hinterher, und Steffi folgte Florian, der eilig vorausschritt.
Daß Andreas’ Blicke ihnen eifersüchtig folgten, konnte sie nicht mehr sehen.
*
Elena Wiesinger strich dem kleinen, zitternden Bündel, das auf dem Tisch im Behandlungszimmer saß, beruhigend über das Fell. Geschickt setzte sie die Spritze, der Hund gab ein leises Quiecken von sich.
»So, ist ja schon alles vorbei«, sagte die Tierrärztin und gab dem Tier ein Leckerli.
Sie wandte sich zu dem jungen Madel um.
»Kannst’ ihn wieder in seinen Käfig legen, Valerie. Die Frau Buschinger holt den Miro morgen wieder ab.«
Valerie Thalbacher hob den Hund vom Tisch herunter und setzte ihn in den Korb, der darunter stand. Dann brachte sie ihn in den Raum, in dem die Käfige für die Tiere standen, die über Nacht in der Praxis blieben.
»Was gibt’s denn sonst noch zu tun, Frau Doktor?« fragte die Achtzehnjährige.
Die Tierärztin sah sich dem Behandlungszimmer um.
»Du, wenn du noch ein bissel aufräumen könnt’st? Dann war’s das wohl, für heut’. Der Marius wartet doch bestimmt schon auf dich.«
Valerie nickte und säuberte den Tisch, die Schalen und den Korb, in dem schmutziges und gebrauchtes Verbandsmaterial lagen. Elena hatte sich an ihren Schreibtisch gesetzt und machte sich Notizen auf einem Karteiblatt. Zwischendurch blickte sie immer wieder mal zu dem Madel hin, das eifrig damit beschäftigt war, alles zu ordnen und an seinen Platz zu stellen. Man merkte, mit wieviel Liebe und Hingabe Valerie bei der Arbeit war.
Bestimmt wird aus ihr mal eine gute Tierärztin, dachte Elena Wiesinger. Valerie arbeitete seit zwei Wochen in der Praxis. Sie nutzte die Ferien, um praktische Erfahrung zu sammeln. Die Eltern des Madels bewirtschafteten einen Berghof, den einmal der ältere Bruder übernehmen würde. Seit Valerie laufen konnte, waren Tiere das Schönste für sie, und schon früh stand fest, daß sie einmal Tierärztin werden wollte. Nur zu gerne räumte Dr. Elena Wiesinger ihr die Chance ein,
in den Ferien herzukommen
und sich erstes Wissen anzueignen.
»So, fertig«, sagte das Madel, nachdem es sich noch einmal gründlich die Hände gesäubert hatte.
»Gut, dann machen wir Feierabend«, nickte Elena. »Ich bin auch froh, daß der Tag vorüber ist. Morgen früh fahren wir als erstes gleich zur Jenner-Alm hinauf. Die Maria hat heut nachmittag angerufen. Sie meint, daß eine ihrer Kühe eine Flechte hat. Wir werden uns das Tier mal ansehen.«
»Ist gut, Frau Doktor, dann werd’ ich so gegen fünf hier sein.«
Die attraktive Tierärztin seufzte.
»Da müssen wir schon wieder früh aus dem Bett, was? Na ja, es ist ja net jeden Tag so. Am Wochenend’ können wir ausschlafen.«
Sie verließen die Praxis. Draußen wartete bereits Marius Leitner. Der Bursche und das Madel hatten sich auf dem Gymnasium kennengelernt. Marius’ Vater war Amtstierarzt in der Kreisstadt. Der größte Wunsch der beiden jungen Leute war es, später einmal zusammen in München zu studieren. Beide hatten sie das Abitur glänzend bestanden, und damit die Voraussetzungen für ein Veterinärstudium geschaffen.
»Grüß’ deinen Vater recht schön«, rief Elena dem Freund des Madels zu.
Sie schloß die Tür zu ihrer Praxis ab und ging zu dem Haus hinüber, in den sie mit ihrem Mann wohnte.
Dr. Toni Wiesinger, praktischer Arzt in St. Johann, begrüßte seine Frau mit einem liebevollen Kuß.
»Na, Spatzel, hast’ auch einen harten Tag hinter dir, was? Zum Glück ist da ja noch die Valerie, die dich ein bissel unterstützen kann.«
Die Tierärztin hatte ihre Schuhe ausgezogen und massierte die wehen Füße. Den ganzen Tag auf den Beinen, und kaum Gelegenheit, sich einmal zu setzen – das merkte man am Abend schon.
»Komm’, ich mach’ dir ein Fußbad, und dann erzählst’ mir, wie dein Tag heut’ war«, bot Toni an.
»Ah, das tut gut«, sagte Elena, als sie wenig später die Füße in das lauwarme Wasser tauchte.
Meistens sahen sich die Eheleute wenigstens zum Mittagessen, doch heute war der Andrang so groß gewesen, daß selbst diese Pause ausfallen mußte.
»Ja, die Valerie ist wirklich eine große Hilfe«, meinte Elena. »Wenn die so weitermacht, dann schafft sie das Studium spielend.«
Draußen grummelte es. Das Gewitter, das zuvor noch irgendwo in den Bergen hing, war herübergezogen und entlud sich nun über dem Dorf. Es hatte etwas Gemütliches, behaglich im Wohnzimmer zu sitzen, eng aneinander gekuschelt. Auf dem Tisch stand eine Flasche Rotwein und ein Teller mit Käsehäppchen. Aus der Stereoanlage erklang leise Musik. Dazu prasselte der Regen an die Fensterscheiben.
»Ach, ich wünscht’, ich hätt’ auch so einen Praktikanten«, seufzte Toni Wiesinger. »An manchen Tagen wächst einem die Arbeit wirklich über den Kopf.«
»Vielleicht