Leni Behrendt Classic 52 – Liebesroman. Leni Behrendt

Leni Behrendt Classic 52 – Liebesroman - Leni Behrendt


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hatte sich in dem weichgefederten Wagen so gut gesessen. Überhaupt war die schöne Autofahrt ein langentbehrter Genuß für sie alle gewesen.

      Swen von Hellersen, der am Fenster des Gastzimmers stand, sah den kostbaren Wagen vor dem Portal des Schlosses halten und ahnte, wer ihm entsteigen würde. Ein Zug von Bitterkeit und Ironie trat in sein hartes Antlitz, als er sie alle, mit denen er vierzehn Jahre lang zusammen gelebt, nach fünfjähriger Trennung wiedersah.

      Tante Elisa – ach ja, das war sie. Eine würdige, hochmütige Dame, die alles, was nicht mit ihren Anschauungen übereinstimmte, weit von sich schob. Bolko hatte sich so entwickelt, wie er sich als Sohn dieser Mutter ja nicht anders hatte entwickeln können. Er war sehr selbstbewußt und aufgeblasen.

      Und Gerswint? Nun, die zweiundzwanzigjährige junge Dame hatte gehalten, was sie als siebzehnjähriges Mädchen schon versprochen, war zu einer beachtenswerten Schönheit herangereift. Allein Swens Geschmack war sie nicht; sie war ihm zu hochmütig und überheblich.

      Edna sah der älteren Schwester sehr ähnlich, erschien jedoch nicht so unnahbar wie sie.

      Reizend war die kleine Elke mit den langen blonden Zöpfen. Auch sie glich den Schwestern. Sie gab sich wohl alle Mühe, sich wie eine kleine Dame zu bewegen, wirkte aber trotzdem kindlich und lieb.

      Augenblicklich hatten sie alle für nichts anderes Augen als für das Schloß und seine Umgebung; denn auch Frau Elisa und ihre Kinder waren nie in Waldwinkel gewesen. Leopold von Hellersen hatte die Schmarotzer, wie er seinen Bruder und dessen Familie immer genannt, nie um sich dulden wollen.

      Also das war Waldwinkel, von dem sie alle schon so viel gehört. Es war größer und gediegener, als man es sich vorgestellt hatte. Man war sehr zufrieden, und der Justizrat, der unter dem Portal stand, um die Gäste willkommen zu heißen, wurde mit freundlicher Herab­lassung begrüßt.

      »Sie waren wohl der Rechtsberater unseres lieben Verewigten?« fragte Frau Elisa und reichte ihm die Hand. »Dann werden Sie ja auch wissen, daß wir ihm am nächsten gestanden haben.«

      »Gewiß, gnädige Frau. Die Zimmer sind zum Empfang bereit, der Diener wird die Herrschaften führen«, entgegnete der Anwalt höflich.

      Ja, so gefiel es Frau Elisa, so hatte sie es erwartet. Sie fühlte sich schon ganz als Herrin und hielt es daher für selbstverständlich, daß man die Gastzimmer für sie und ihre Kinder gerichtet hatte.

      Schön war es hier, wunderschön. Alles so vornehm, so ungemein harmonisch. Solche Räume konnte eine Stadtwohnung nie aufweisen, und wenn sie noch so elegant eingerichtet war.

      Zuerst machten Frau Elisa und ihre Töchter sich daran, die Koffer auszupacken. Dann kleideten sie sich um, wobei sie die mollige Wärme, die dem Kamin entströmte, angenehm empfanden.

      Später gingen sie dann hinunter, wo sie in der Halle den Justizrat vorfanden, der die Herrschaften zur Mittagstafel bat.

      Das Mahl war köstlich zubereitet, die Bedienung tadellos, und Frau Elisa wurde immer zufriedener.

      »Nun erzählen Sie uns mal Näheres über den Tod unseres lieben Onkels Leopold, Herr Doktor«, wandte sie sich freundlich an den Justizrat. »Er ist wohl unerwartet gestorben?«

      »Nein, gnädige Frau. Er kränkelte schon seit dem Frühjahr.«

      »Der Arme! Aber da wundere ich mich, daß er uns nicht zu sich gerufen hat. Wir waren doch seine einzigen nahen Verwandten, und er wird doch noch so manches auf dem Herzen gehabt haben?«

      »Davon weiß ich nichts zu berichten, gnädige Frau.«

      »Das finde ich aber merkwürdig. Waren Sie nicht sein Anwalt und Vertrauter, Herr Doktor?«

      »Ich war sogar sein Freund«, setzte er hinzu. »Doktor Melch und ich gingen hier als einzige Fremde aus und ein.«

      »Sonst hatte mein Schwager keinen Verkehr?«

      »Keinen, gnädige Frau.«

      Das war dieser Weltdame unverständlich, denn sie schüttelte mißbilligend den Kopf.

      »Na ja, der gute Leopold war eben ein Einsiedler und Sonderling. Schuld daran war wohl seine Mißgestalt. Ist er etwa auch so allein gestorben, wie er gelebt hat?«

      »Nei…n!«

      »Also sind Sie dabei gewesen? Das ist mir eine außerordentliche Beruhigung, Herr Doktor. Hat er einen leichten Tod gehabt?«

      »Einen beneidenswert leichten.«

      »Das ist mir ein Trost. Aber wie ist es, Herr Doktor, müßte der Tote jetzt nicht aufgebahrt werden? Ist der Sarg überhaupt schon bestellt?«

      »Alles ist aufs beste erledigt, gnädige Frau. Mein lieber Freund ruht bereits auf seinem letzten Lager.«

      »Aber das geht doch nicht!« erregte sich Frau Elisa. »Ich meine, das ist doch Angelegenheit der Nächststehenden. Und das sind in diesem Fall doch ich und meine Kinder.«

      »Der Verstorbene muß wohl anderer Ansicht gewesen sein«, meinte Glang schulterzuckend. »Denn er hat darüber anders verfügt.«

      »So bitte ich, mir die Verfügungen auszuliefern!« verlangte sie kurz und glaubte nicht recht zu hören, als der Justizrat erwiderte, daß er leider nicht befugt sei, das Schriftstück aus der Hand zu geben.

      Frau Elisa preßte die Lippen zusammen, und auf ihrer Stirn erschien eine scharfe Falte. Das war immer ein Zeichen höchsten Unwillens.

      »Das wird ja immer merkwürdiger. Sie sollten nicht so viel Befugnis haben, hinterlassene Briefe des Verewigten, die zweifellos vorhanden sind, den Erben ausliefern zu dürfen?«

      »Bedaure sehr, gnädige Frau.«

      Da wandte sie sich schroff ab. Ihre Kinder wußten, wie böse nun die Mama war, wenn man ihr äußerlich auch kaum etwas anmerken konnte. Sie verhielten sich so ruhig wie möglich. Der Justizrat verspürte sowieso keine Lust zu großen Gesprächen, und Wieloff wagte überhaupt nicht, ungefragt zu reden.

      Daher war es sehr ungemütlich an der Tafelrunde, und sie atmeten alle erleichtert auf, als Frau Elisa sich erhob.

      Sie äußerte kurz den Wunsch, den Toten zu sehen, und der Anwalt war bereit, sie zu führen.

      Als sie den großen Saal, in dem der Tote aufgebahrt war, betraten, umklammerte Elke Gerswints Arm und preßte ihr Gesicht daran. Der düstere Raum, der nur von den Kerzen in den Wandleuchtern erhellt wurde, der Duft der Blumen und der Bäume, die den Katafalk umstanden, und endlich der stumme Schläfer in seinem Sarge flößten dem Kinde zitternde Angst ein.

      Frau Elisa ließ ihre Blicke umherschweifen, und ihren scharfen Augen entging nichts. Aber sie sah nicht den friedlichen, fast lächelnden Ausdruck in dem Antlitz des Toten, das im Leben nie so schön und edel gewesen war wie jetzt. Sie fand nur, daß alles lächerlich einfach war. Als wäre hier nicht ein reicher Mann, sondern ein armer Schlucker aufgebahrt.

      *

      In ihren Räumen sagte Frau Elisa: »Herba ist vom Ableben Onkel Leopolds benachrichtigt. Sie wird hier erscheinen, und ich erwarte von dir, mein Sohn, daß du deine spätere Gattin vor allen Menschen auszeichnest.

      Auch Alf kommt«, wandte sie sich dann an ihr schönstes und liebstes Kind, es mit wohlgefälligen Blicken betrachtend. Sie sah aber Edna unwillig an, die erfreut ausrief: »Dann kommt auch sein Bruder mit.«

      »Hoffentlich kommt er nicht mit!« betonte die Mutter scharf. »Deine Vorliebe für ihn gefällt mir nicht, mein Kind. Er ist weiter nichts als der Schatten seines bedeutenden Bruders Alf – in jeder Beziehung. Und mir daher als Gatte meiner Tochter ganz und gar unerwünscht. Ich habe andere Pläne mit dir. Mache erst deine Prüfung, dann sollst du sie erfahren.«

      »Ich dachte, das wäre jetzt nicht mehr nötig«, meinte Edna niedergeschlagen und schwer enttäuscht. »Wir sind doch jetzt wieder reich, Mama.«

      »Um so mehr müßt ihr danach streben, euch ein angemessenes Wissen anzueignen. Ich will nicht nur schöne, sondern


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