Leni Behrendt Classic 52 – Liebesroman. Leni Behrendt

Leni Behrendt Classic 52 – Liebesroman - Leni Behrendt


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der in der Nähe stand, hörte es, und wieder hockte ihm das ironische Lächeln in den Mundwinkeln. In seinen Augen, die eben noch so traurig geblickt hatten, blitzte es auf. Ei, sieh da, dachte er belustigt, alles schon ganz nett geregelt.

      Neben Gerswint, diesem Bild ohne Gnade, der Herzensbetörer Alf von Unitz, ganz der Schönen würdig. An Ednas Seite Enno von Unitz, ganz des älteren Bruders Ebenbild und für die reizende Edna wie geschaffen, was die Frau Mama allerdings nicht anzuerkennen ­schien. Und neben Bolko ein Mädchen, das vor lauter Vornehmheit kaum geradeaus sehen kann.

      Schade, daß Elke noch ein Kind ist. Sie hätte sonst ihren Zukünftigen bestimmt auch an ihrer Seite.

      Swen zuckte zusammen, denn jetzt wurde die Gruft geschlossen.

      Onkel Leopold, lieber Onkel Leopold, warum hast du mich nicht schon früher zu dir gerufen? Ich hätte dich sehr liebgehabt, dachte er traurig.

      Endlich war auch das Letzte und Schmerzlichste vorüber. Scholle um Scholle häufte sich zu einem Hügel, auf den die schönsten Kränze gelegt wurden, die davon zeugten, wieviel Verehrung und Liebe der Sonderling besessen.

      Traurig und niedergedrückt kehrten die Leute nach ihren Wohnungen zurück, während die anderen in zwei Gruppen dem Schlosse zuschritten.

      Swen ging mit den Herren Glang, Melch, Wieloff und dem Pfarrer, was Frau Elisa ganz in der Ordnung fand. Den Geistlichen verabschiedete sie vor dem Schloß und gab auch den anderen zu verstehen, daß sie von ihrer Gegenwart verschont zu bleiben wünschte.

      Doch nur der Pfarrer allein verließ Waldwinkel, während die anderen Herren das Schloß betraten.

      Swen, der in der Halle Miene machte, die Tante zu begrüßen, wurde mit einem hochmütigen Blick gemustert.

      »Ich wundere mich, woher du den Mut nimmst, dieses Haus zu betreten«, sagte sie mit schneidender Schärfe. »Es ist nun mein Haus, in dem für Leute deines Schlages kein Platz ist. Hoffentlich verstehst du mich?«

      »Deutlicher konntest du nicht werden, Tante Elisa«, entgegnete er gelassen. »Habe keine Angst, mein Anblick soll dich nicht mehr stören.«

      Damit schritt er, von den drei Herren begleitet, davon, die Tante höchst unwillig zu­rücklassend.

      Und diesen Unwillen bekam die Dienerschaft zu spüren. Ihre schlechte Laune besserte sich erst, als sie in die Wirtschaftsräume ging und sich Küche und Vorratskammern zeigen ließ.

      Das würde hier ein anderes Wirtschaften sein als in der Stadt! Schade, daß man das Trauerjahr abwarten mußte, sonst konnte man die schönsten Gesellschaften geben. Aber daß man ab und zu einige Gäste bei sich sah, das vertrug sich ja selbst mit der tiefsten Trauer.

      Um das gleich ins Werk zu setzen, wurden die Geschwister Unitz zum Bleiben aufgefordert.

      *

      Am nächsten Morgen saß die Familie Hellersen mit ihren Gästen am Frühstückstisch. Daß um elf Uhr die Testaments­eröffnung stattfinden sollte, erregte sie durchaus nicht.

      Warum auch? Sie hatten ja schon ihr reiches Erbe angetreten. Was nun noch kam, war nichts als Formsache.

      Sie hatten gerade ihr Frühstück beendet, als auch schon Christian erschien und die Beteiligten ins Arbeitszimmer des Verstorbenen bat. Sehr selbstbewußt begaben sie sich dorthin und waren nun doch voller Erwartung.

      In dem Zimmer war es sehr still und feierlich. Auf dem langen Tisch stand das Bild des Verstorbenen, Kerzen brannten daneben. Swen saß zwischen dem Sanitätsrat und dem Sekretär, und hinter ihren Stühlen stand die gesamte Dienerschaft. Frau Elisa und ihre Kinder nahmen die leeren Plätze ein, und aller Augen hingen voll Spannung an dem Justizrat, der am oberen Ende des Tisches saß. Er sprach klar und deutlich, und doch nahm Frau Elisa an, daß sie sich verhört haben müßte.

      Swen sollte der neue Besitzer von Waldwinkel sein, Swen, der herumgestoßene Waisenknabe von einst?

      Und sie und ihre Kinder…?

      Jetzt zuckte sie zusammen, denn ihr Name fiel. Der Justizrat las: Ich, Leopold von Hellersen, vermache meiner Schwägerin, Frau Elisa von Hellersen, geborene Ortleff, und ihren vier Kindern ein Vermögen, das monatlich die Zinsen von zweihundert­undfünfzig Mark abwirft, die der jetzige Besitzer von Waldwinkel, Baron von Hellersen, ihnen jeden Monat pünktlich zu zahlen verpflichtet ist. Ich treffe die Bestimmung, weil es gewagt wäre, meiner Schwägerin das Vermögen in die Hände zu geben. Sie hätte es ja doch in kurzer Zeit verschleudert. Ferner erhält Frau Elisa von Hellersen ein auskömmliches Deputat –, bei diesem Wort zuckte die todblasse Frau wie unter einem Hieb zusammen – und das erste Waldhaus als Eigentum. Sollte das Frau Elisa von Hellersen zu wenig erscheinen und sie behaupten, daß sie unmöglich mit dem Bettel – wie sie ja meine Unterstützungen immer nannte – auskommen könnte, so möchte ich ihr zu bedenken geben, daß es tausende Familien gibt, die mit viel weniger wirtschaften und dafür noch schwer arbeiten müssen. Die Arbeit möchte ich meiner Schwägerin und ihren Kindern übrigens warm ans Herz legen. Sie ist nutzbringend und segensreich, und sie zeigt dem Menschen erst, wozu er auf der Welt ist. Wenn sie und ihre Kinder das erst erfaßt haben, dann wird es ihnen fortan besser gehen. Außerdem stelle ich noch zwei Bedingungen. Erstens: daß meine Schwägerin das Waldhaus als ständigen Wohnsitz bezieht. Zweitens: daß sie, wenn das Vormundschaftsgericht meinen Vorschlag gutheißt und Baron von Hellersen zum Vormund bestimmt, sich nicht dagegen auflehnt. Andernfalls dürften meine Schwägerin und ihre Kinder sich als enterbt ­betrachten. Sie erhalten dann nur ihr Pflichtteil; alles andere fällt dem Baron von Hellersen zu.

      Augenblickslang nur schwieg der Anwalt und sprach dann rasch weiter, als wolle er den fünf wie versteinert dasitzenden Menschen Zeit lassen, sich zu fassen. Er verlas die Legate:

      Als erster erhielt der Sekretär Wieloff zehntausend Mark, weil er Leopold von Hellersen stets ein selbstloser und unersetzlicher Mitarbeiter gewesen war. Das Schloßpersonal, das ja durchweg länger als zehn Jahre seinem Herrn treu gedient, erhielt je fünftausend Mark. Für die Beamten und Arbeiter waren je Familie eintausend Mark ausgesetzt; die jedoch über vier Kinder hatten, erhielten zweitausend Mark. Glang und Melch wurden nicht mit Geld bedacht, weil sie beide wohlhabend waren. Für sie hatte Leopold von Hellersen Dinge bestimmt, von denen er gewußt, daß die beiden treuen Freunde sich darüber freuen würden.

      Nun legte der Anwalt das Dokument fort, und sein Blick fiel auf Frau Elisa. Er konnte sich nicht helfen, die Frau tat ihm leid. Wie sie sich mühte, Haltung zu bewahren, obgleich es in ihrem Innern trostlos genug aussehen müßte; das machte ihr sobald keiner nach.

      »Herr Justizrat, ich erkenne das Testament nicht an«, sprach sie nun in die beklemmende Stille hinein. »Schon die Anordnungen, die mein Schwager betreffs seiner Beisetzung getroffen, ließen mich ahnen, daß in den letzten Lebenstagen sein Sinn verworren gewesen sein muß. Dieses merkwürdige Testament bestätigt nun meine Vermutung.«

      »Und die ist falsch, gnädige Frau, gänzlich falsch«, entgegnete der Anwalt freundlich. »Aber es steht in Ihrem Belieben, das Testament anzufechten.«

      »Das werde ich auch. Denn daß bei der Testamentsaufsetzung etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, die Gewißheit will und werde ich mir verschaffen. Kommt, Kinder!«

      Aufrecht ging sie davon, und die Kinder folgten ihr. Als man an Swen vorüberkam, verhielt Frau Elisa den Schritt. Ein Blick traf ihn, der kaum noch verachtend zu nennen war, und das Wort »Erbschleicher« las man förmlich von ihren Lippen.

      Dann ging sie weiter zur Halle hin, wo die Geschwister Unitz schon auf sie warteten.

      »Laßt das!« winkte sie schroff ab, als man sie gratulierend umringte. »Nicht wir sind die Erben, sondern Baron von Hellersen.«

      »Aber das ist doch nicht möglich«, stammelte Alf, blaß bis in die Lippen. Sein Blick suchte die nicht weniger blasse Gerswint.

      Aber was das Mädchen nun von ihm erwartete – einen Trost, ein beruhigendes Wort –, es blieb beides aus. Er stand wie erstarrt da, und die grenzenlose Enttäuschung spiegelte sich nur zu deutlich in seinem Gesicht


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