Dr. Daniel Classic 42 – Arztroman. Marie Francoise
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»Solange du die Füße unter meinen Tisch steckst, tust du, was ich sage!« herrschte Vitus Sägmüller seine Tochter Trixi an. »In einem halben Jahr wirst du den Penzkofer Michel heiraten, damit hat sich’s!«
»Ich mag ihn aber nicht!« begehrte Trixi auf, und ihre hübschen dunk-len Augen sprühten dabei wahre Zornesblitze. »Der Michel ist grob und ungelenk. Mit dem kann ich bei der Hochzeit nicht mal den Brautwalzer tanzen!«
Vitus Sägmüller lachte spöttisch auf. »Als ob es darauf ankäme. Der Michel ist reich! Wenn sein Vater erst mal übergibt, dann gehört ihm der größte Hof in der ganzen Gegend.« Er reckte sich hoch. »Und uns der zweitgrößte! Geld muß zu Geld, Trixi, merk dir das!«
»Ich will aber nur einen Mann heiraten, den ich liebe«, entgegnete Trixi und warf mit einer heftigen Handbewegung ihr langes, dichtes Haar zurück. »Außerdem werde ich nächste Woche erst achtzehn! Ich will in den nächsten Jahren überhaupt noch nicht heiraten!«
Wütend donnerte Vitus Sägmüller eine Faust auf den Tisch, daß Gläser und Geschirr gefährlich klirrten.
»Du heiratest den Michel, und damit basta!« brüllte er seine Tochter an. »Mit dem alten Penzkofer bin ich schon darüber einig.« Daß es da nicht viel zu einigen gegeben hatte, weil der Penzkofer ihm wegen seiner vielen Schulden mehr oder weniger das Messer auf die Brust gesetzt hatte, verschwieg er dabei lieber. Schließlich mußte die Trixi ja nicht alles wissen. Deshalb fügte er nur noch hinzu: »In einem halben Jahr ist Hochzeit, und das ist mein letztes Wort.«
Deines vielleicht, aber meines noch lange nicht, dachte Trixi zornig, hütete sich aber, ihrem Vater noch einmal laut zu widersprechen. Abgesehen davon, daß ein Widerspruch sowieso keinen Sinn hatte. Sie mußte ihren Vater einfach vor vollendete Tatsachen stellen.
Wenn ich keine Jungfrau mehr wäre, überlegte sie.
Der Brauch, jungfräulich in die Ehe zu gehen, war zwar hoffnungslos veraltet, aber zumindest der Michel sah so aus, als würde er auf derlei Dinge noch immer großen Wert legen.
Trixi kam nicht dazu, ihren Gedankengang fortzusetzen, denn in diesem Moment sah sie durch das Fenster Michel Penzkofer auf den Hof kommen. Er hatte einen Strauß roter Rosen dabei, den er sich wie ein Stück Holz unter den Arm geklemmt hatte. Jetzt trat er ohne anzuklopfen in die Stube – ganz so, als gehöre ihm bereits der Hof.
»Grüß Gott, Bauer!« Seine Stimme dröhnte wie Donnergrollen durch den Raum. »Servus, Trixi.« Er reichte ihr die Blumen. »Da, für dich.«
»Danke, Michel«, zwang sich Trixi zu sagen.
Inzwischen war Vitus Sägmüller aufgestanden und schlug Michel seine mächtige Pranke auf die Schulter.
»Schön, daß du vorbeikommst«, meinte er. »Du willst dir sicher deine Braut anschauen, was? Ist schon ein bildhübsches Mädel, meine Tochter.«
»Ja, ja«, entgegnete Michel und betrachtete Trixi dabei wie ein Stück Vieh, das er zu kaufen gedachte.
Wenn er mir jetzt auch noch auf die Schenkel haut, um zu sehen, wie ich im Fleisch stehe, dann kriegt er ein paar solche Ohrfeigen verabreicht, daß er nicht mehr weiß, wo vorne und hinten ist, dachte Trixi wütend.
Doch so taktlos war Michel nun auch wieder nicht. Er wußte sehr wohl, wie man sich einem jungen Mädchen gegenüber benahm, und im Grunde fand Trixi ihn ja nicht einmal unsympathisch. Nur zum Heiraten reichte es für sie eben noch lange nicht. Sicher, die Penzkofers waren die reichsten Bauern in der ganzen Umgebung, Michel fuhr sogar einen sündhaft teuren amerikanischen Sportwagen, und beinahe jedes Mädchen aus dem Ort bekam glänzende Augen, wenn es ihn sah – wobei Trixi nicht ganz sicher war, ob die Schwärmerei dem silberglänzenden Auto oder eher Michel selbst galt. Dabei mußte Trixi zugeben, daß er ja nicht einmal schlecht aussah. Groß, breitschultrig, mit dichtem, dunkelblondem Haar und den blauesten Augen, die Trixi jemals gesehen hatte. Aber das viele Geld und sein gutes Aussehen konnten eben nicht darüber hinwegtäuschen, daß er sehr von sich eingenommen war.
Michel war nämlich der festen Überzeugung, daß es für jede Frau eine Ehre war, wenn er sich herab-ließ, überhaupt mit ihr zu sprechen. Und Trixi wollte er sogar heiraten! Dafür hätte sie seiner Meinung nach vor lauter Dankbarkeit eigentlich vor ihm auf die Knie fallen müssen. Schließlich nahm der junge Penzkofer nicht jede!
»Trixi, du kannst uns eine zünftige Brotzeit herrichten«, erklärte jetzt Vitus Sägmüller. »Der Michel und ich haben noch einiges zu besprechen, bevor ihr heiraten könnt.«
Michel nickte. »Ja, ich will schon vorher wissen, was ich mir da einhandle. Könnte ja sein, daß der Sägmüller-Hof tief in der Kreide steckt, dann würde ich mir mit der Heirat nur Schulden aufhalsen.« Dabei zwinkerte er Vitus Sägmüller fast ein wenig boshaft zu, was diesem eine verräterische Röte ins Gesicht trieb, doch Trixi war über Michels Worte bereits so aufgebracht, daß sie es gar nicht bemerkte.
»Um mich geht es bei eurem Kuhhandel wohl gar nicht!« brauste sie auf. »Schließlich willst du nicht den Hof heiraten, sondern mich! Abgesehen davon, daß ich auf diese zweifelhafte Ehre gar keinen Wert lege!«
Michel grinste breit. »Ganz schön kratzbürstig, deine Trixi. Sag mal, Bauer, hast du da bei der Erziehung nicht was übersehen? Die hätte ab und zu mal den Rohrstock zu spüren bekommen müssen.«
»Scheint mir auch so«, knurrte Vitus Sägmüller und wußte dabei nicht, ob er nun auf seine Tochter oder auf die schon fast unverschämte Art von Michel wütend sein sollte.
»Keine Sorge, Bauer, die erziehe ich mir schon noch«, versicherte Michel. »Warte nur, wenn sie erst mal mit mir verheiratet ist und jedes Jahr ein Kind austragen muß. Da wird ihr die Kratzbürstigkeit schnell vergehen.«
Trixi kochte vor Wut, und sie fragte sich, wie sie für diesen ungehobelten Klotz jemals auch nur einen Anflug von Sympathie hatte empfinden können.
»Dir werde ich nie ein Kind austragen, das schwöre ich dir!« erklärte Trixi heftig, dann rannte sie aus der Stube und schlug die Tür hinter zu zu.
*
Auf dem Bergbauernhof der Gröbers tagte der Familienrat. Gemeinsam saßen sie in der geräumigen Stube – der alte Sepp Gröber, seine drei Söhne Martin, Franz und Thomas, Martins Ehefrau Claudia und die Wirtschafterin Genoveva Huber, die allgemein nur liebevoll Vevi genannt wurde und die schon so lange auf dem Gröber-Hof arbeitete, daß sie sozusagen zur Familie dazugehörte.
»Es gefällt mir zwar überhaupt nicht«, meinte der alte Gröber jetzt mit mißmutigem Gesicht, »aber ich fürchte, wir müssen uns dem sogenannten Lauf der Welt leider auch anschließen und Feriengäste aufnehmen.«
Martin runzelte die Stirn. »Aber, Vater, so schlecht steht es um den Hof doch gar nicht. Ich kenne die Zahlen ebensogut wie du…«
»Ich weiß schon, Martin, im Augenblick könnten wir uns noch ganz gut über Wasser halten, aber ich will nicht warten, bis wir wirklich in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten geraten, und das wäre meines Erachtens nur noch eine Frage der Zeit.«
Martin senkte den Kopf. Er wußte genau, daß sein Vater recht hatte, aber auch ihm gefiel der Gedanke nicht, hier oben Fremde zu haben. Schließlich war er Bauer und kein Gastwirt.
»Die Bauern im Tal haben es da leichter«, fuhr Sepp Gröber fort. »Viele Leute kaufen Obst, Gemüse, Eier und Milch lieber auf dem Bauernhof als im Supermarkt, aber wer nimmt den weiten Weg zu uns herauf schon auf sich, nur um ein paar Eier oder einen Liter Milch zu kaufen?« Er seufzte tief auf, dann schob er ein Blatt Papier über den Tisch zu seinem ältesten Sohn. »Diese Anzeige habe ich gestern abend noch aufgesetzt.«
Martin las den Text, dann gab er das Papier an seinen jüngeren Bruder Franz weiter.
»Nicht schlecht«, urteilte er dabei, und auch die anderen Familienmitglieder schlossen sich seiner Meinung an.
»Also schön«, erklärte der alte Gröber, als er das Blatt wieder in den Händen hielt. »Dann gebe ich die Anzeige gleich noch auf.«
»Das kann ich auch machen«, bot sich Martin an, doch sein Vater winkte ab.
»Der Maxl muß neu beschlagen