Dr. Brinkmeier Classic 8 – Arztroman. Sissi Merz

Dr. Brinkmeier Classic 8 – Arztroman - Sissi Merz


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n> Dr. Brinkmeier Classic – 8 –

      »Ist das heut ein Streß! Ich faß es net.« Christel Brenner schüttelte den Kopf, während sie einige Quittungen für gezahlte Praxisgebühren ausstellte. Seit acht Uhr am Morgen strömten nun die Patienten ins Wildenberger Doktorhaus, und noch war kein Ende abzusehen. Selbst jetzt, da es bereits auf drei Uhr am Nachmittag zuging, war das Wartezimmer noch voll. Dr. Max Brinkmeier, der sympathische Landarzt der kleinen Gemeinde im Berchtesgadener Land, hatte seit Tagen alle Hände voll zu tun. Die Grippe machte sich im Tal breit, auch der Kollege aus der Nachbargemeinde Schlehbusch war von morgens bis abends auf den Beinen. Die kalten Tage Mitte Februar forderten ihren Tribut.

      »Christel, mach das Sprechzimmer frei, ich muß zum Doktor!« Das war Alois Burgmüller, der Bürgermeister von Wildenberg, in ganzer Fülle. Er baute sich vor der Anmeldung auf und schniefte dekorativ. »Ich muß mich mal saftig beschweren!«

      »Bitt schön, Bürgermeister, wennst was willst, setz dich ins Wartezimmer. Aber es kann dauern«, erwiderte sie nervös. »Du siehst ja, was da los ist. Der Doktor hat heut schon halb Wildenberg behandelt, wann er endlich seine Hausbesuche machen kann, weiß keiner. Und essen sollte er ja eigentlich auch mal was. Hast deine Karte dabei?«

      »Wozu? Ich brauch keine Behandlung, ich will mich beschweren. Vielleicht hörst mir mal zu, Christel, statt dich bei mir zu beklagen. Gewiß ist der Doktor froh, daß er was zu tun hat.«

      Die langjährige Sprechstundenhilfe bedachte den Burgmüller mit einem strengen Blick. Noch ehe sie ihm aber die passende Antwort geben konnte, erschien Josef Brinkmeier und ließ Christel wissen: »Ich löse den Max ab. Es nimmt ja heut gar kein Ende. Er soll was essen, die Afra drängt. Länger kann sie das Mittagsmahl fei net warmhalten. Und hernach die Hausbesuche.«

      »Ich weiß net, Doktor, traust dir das zu? Das Wartezimmer ist voll, ich mein...«

      »Hältst mich vielleicht für einen Invaliden? Bloß weil ich eine leichte Herzschwäche hab’, muß ich noch lang net den ganzen Tag hinter dem Ofen sitzen. Und wenn Not am Mann ist, kann ich sehr wohl noch einspringen. Immerhin ist das hier bis vor kurzem noch meine Praxis gewesen, net wahr?«

      »Recht hast, Sepp, laß dir nix gefallen!« meinte Alois Burgmüller jovial. »Die Christel vergißt nur zu gern, wer da herinnen der Chef ist.«

      »Der Chef ist mein Sohn«, stellte dieser richtig. »Was stehst hier überhaupt umeinand und hältst den Verkehr auf, Alois? Fehlt dir was, abgesehen von einer saftigen Erkältung?«

      »Eben drum bin ich da und will mich beschweren«, kam der Großbauer und Bürgermeister wieder auf sein eigentliches Anliegen zurück. »Dein Sohn hat mich gegen Grippe geimpft. Und jetzt lauf’ ich mit einer Schnupfennase umeinand. Ist das vielleicht korrekt? Ich mein fast, die Impfung ist total wirkungslos. Und das laß ich mir net gefallen!«

      »Red keinen Schmarrn daher«, brummte Dr. Brinkmeier, während er per Stirnmessung die Temperatur des störrischen Patienten nahm und ihn oberflächlich untersuchte. »Die Impfung wirkt gegen das Grippevirus. Eine Erkältung ist ganz was anderes. Das wäre ungefähr so, als wennst dich gegen Malaria impfen läßt und dich dann beschwerst, weil du in Afrika eine Magenverstimmung hast.«

      Alois verzog unwillig den Mund. »Du kannst mir viel erzählen, Doktor. Als Laie ist man euch Medizinern ja auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Net einmal beschweren darf man sich!«

      In diesem Moment erschien Max Brinkmeier und bat Christel, ihm kurz zur Hand zu gehen. Er grüßte den Burgmüller knapp, Josef fragte: »Kann ich übernehmen, Bub? Oder willst den Patienten erst noch behandeln? Du mußt essen und hernach die Hausbesuche machen. Die Afra hat es mir auf die Seele gebunden, dich endlich auffi zu schicken.«

      Der hoch gewachsene, gutaussehende Mediziner mit dem sandfarbenen Haar zögerte kurz, dann meinte er: »Ich will noch rasch den Bichler untersuchen, es dauert nicht lang. Danke, Vater, ich hab’ wirklich nicht gewußt, wie ich heut alles schaffen soll.«

      »Ist schon recht.« Josef warf Christel einen triumphierenden Blick zu. »Wenn ich gebraucht werde, bin ich doch zur Stelle.«

      Wenig später verließ Max Brinkmeier die Praxisräume und stieg die Treppe hinauf. Seit er die Praxis von seinem Vater übernommen hatte, bewohnte er die Zimmer im zweiten Stock des Wildenberger Doktorhauses. In der ersten Etage lebte sein verwitweter Vater, und dort wirtschaftete auch die mittlerweile in die Jahre gekommene Hauserin Afra. Sie hatte Max wie einen Sohn ins Herz geschlossen und bekochte »ihre« beiden Doktoren nur zu gern. Als Max an diesem trüben und kalten Wintertag erschien, warf sie ihm jedoch erbost vor: »Wie kannst mich nur so lange warten lassen? Das Essen ist gewiß nimmer genießbar, so lange über der Zeit. Und ausgerechnet heut, wo ich Wammerln mit Kraut gekocht hab’...«

      »Mei, Afra, das wird schon schmecken, ich kenne doch deine Kochkünste«, versicherte der junge Arzt nachdrücklich. »Ein Glück, daß die Grippe dich verschont hat. Wer sollte denn sonst für unser leibliches Wohl sorgen?«

      Während sie servierte, brummte die Alte mit der rauhen Schale und dem butterweichen Kern: »Bin noch nie krank gewesen, mein Lebtag net. Ist doch Zeitverschwendung, sich ins Bett zu legen und dem Doktor noch mehr Arbeit zu machen. Laß es dir nur schmecken, ich wünsche einen gesegneten Appetit.«

      »Vielen Dank, Afra. Magst mir net Gesellschaft leisten?«

      »Gern.« Sie setzte sich zu ihm an den Tisch und fragte: »Hast noch arg viel zu tun heut, gelt? Stärk dich nur, damit du auch alles packen kannst.«

      »Die Hausbesuche stehen noch an. Und hernach muß ich in Sankt Bartholomä vorbeischauen. Ein paar der Kinder klagen auch über Beschwerden. Dieses Jahr greift die Grippe wirklich arg um sich. Es lassen sich halt immer noch zu wenig Leut impfen.«

      »Daß du jetzt auch das Kinderheim betreust, finde ich arg großherzig, Doktor. Gewiß wird die Mutter Oberin dir dankbar sein. Aber es ist auf Dauer doch eigentlich zu viel Arbeit.«

      »Der Haselbeck hat das vorher gemacht, aber die Schwestern waren nicht zufrieden mit ihm. So ganz schmeckt es mir fei nicht, dem Kollegen diese Aufgabe abspenstig zu machen. Doch die Mutter Oberin hat mich sehr eindringlich gebeten.«

      »Hast halt ein goldenes Herz, Doktor. Trotzdem solltest dir nicht zuviel zumuten, das geht auf die Dauer nicht gut.«

      »Ja, mag sein. Allerdings haben wir in Holy Spirit oft noch mehr leisten müssen. Mit nur zwei Ärzten ein Hospital im Busch zu führen, das ist eine echte Herausforderung.«

      Kurz schweiften die Gedanken des jungen Mediziners in die Vergangenheit ab. Es war noch gar nicht so lange her, da hatte Max Brinkmeier nicht einmal im Traum daran gedacht, sein Leben in Wildenberg zu verbringen. Nach dem Medizinstudium war er nämlich zusammen mit einer Kollegin in die Entwicklungshilfe gegangen. Zehn Jahre lang hatten er und Dr. Julia Bruckner ihr Leben auf der Missionsstation Holy Spirit nahe der ruandischen Hauptstadt Kigali verbrachte. Max hatte sich sehr engagiert und sich schon nach relativ kurzer Zeit in Holy Spirit heimisch gefühlt. Das mochte auch an der Tatsache gelegen haben, daß er in Julia sein Lebensglück gefunden hatte. Zusammen waren die beiden ein unschlagbares Team gewesen, beruflich wie privat.

      Doch dann war Josef Brinkmeier krank geworden, sein Herz hatte nicht mehr mitgemacht. Und Max hatte sich schweren Herzens entschieden, Afrika zu verlassen, um in sein Heimatdorf zurückzukehren. Seither vermißte er Julia schrecklich und sann ständig darüber nach, was er tun konnte, um dieser unerträglichen Trennung endlich ein Ende zu bereiten. Momentan sah es allerdings nicht so aus, als könne es da eine Lösung geben. Dr. Bruckner wollte die Missionsstation nicht verlassen. Und Max hatte seinen Platz in Wildenberg gefunden. Doch die Sehnsucht blieb...

      Eine Weile später verließ der junge Landarzt das Doktorhaus, um seine Hausbesuche zu machen. Freilich vergewisserte Max sich vorher noch, daß in der Praxis alles glattlief, sein Vater zurechtkam. Josef wurde unwirsch, als sein Sohn sich danach erkundigte. »Ich bin hier schon fast so lange Doktor wie du auf der Welt bist. Da werde ich eine lächerliche Sprechstunde durchziehen können«, wetterte er. »Ein wenig mehr Vertrauen wäre wirklich angebracht, finde ich!«

      »Ich geb schon acht, daß er es net übertreibt«, versprach Christel Max so leise, daß sein Vater es nicht mitbekam. Der junge Landarzt lächelte der langjährigen Mitarbeiterin


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