Der neue Sonnenwinkel Box 7 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Box 7 – Familienroman - Michaela Dornberg


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»Der Verkauf stand an, und es ist besser, mit der Wahrheit konfrontiert zu werden, als den Kopf in den Sand zu stecken.«

      Inge wurde rot. Sie verstand die Anspielung ihrer Mutter. Es war leider so, dass sie sich immer drückte, wenn es darum ging, die Wahrheit zu bekennen, sich mit etwas, was unerfreulich war, auseinanderzusetzen.

      Sophia kam ihrer Freundin Teresa zur Hilfe.

      »Inge, deine Mutter hat recht. Jetzt wissen wir Bescheid, jetzt können wir uns mit dem Gedanken anfreunden, dass sich sehr bald schon alles verändern wird. Mit dem Frieden hier wird es bald schon vorbei sein, der Sonnenwinkel wird aus seinem Dornröschenschlaf erwachen. Nichts wird mehr so sein wie es war.«

      Rosmarie bestätigte das, denn sie kannte ja die Pläne des neuen Besitzers schon länger. Der würde in der Tat alles ordentlich aufmischen. Hotel, Schönheitsklinik, Spa, Golf- und Tennisplatz, natürlich nicht zu vergessen Schwimmbäder innen und außen.

      »Na ja, die Grundstückspreise werden weiterhin steigen«, bemerkte Teresa trocken, »das alles bedeutet eine Aufwertung, aber ehrlich gesagt, ich brauche das nicht. Mir wäre es lieber gewesen, alles bliebe so wie wir es kennen und lieben. Doch das sind Träume. Alles ist der Veränderung unterworfen, und einen Leckerbissen wie das Grundstück da oben lässt sich ein Spekulant nicht entgehen.«

      Sie blickte Rosmarie an.

      »Und ihr, habt ihr euch Gedanken gemacht, wohin ihr dann ziehen werdet?«, wollte Sophia wissen.

      »Am liebsten in den Sonnenwinkel«, antwortete Rosmarie, »das habe ich Inge bereits gesagt. Aber vermutlich kann einem auf der Straße ein Ziegelstein auf den Kopf fallen, ehe man hier etwas bekommt. Das geht doch alles unter der Hand weg, und das wird noch schlimmer werden, wenn das neue Projekt verwirklicht ist.«

      Teresa winkte ab.

      »Zunächst einmal wird es viel Dreck und Lärm bedeuten, und das will niemand haben, aber warum redest du nicht mal mit Fabian und Ricky?«

      Rosmarie blickte ein wenig irritiert drein. Sie konnte nicht nachvollziehen, was Teresa mit dieser Frage bezweckte. Was hatten ihr Sohn und ihre Schwiegertochter damit zu tun?

      »Wieso soll ich die denn fragen, Teresa?«

      Die trank jetzt erst einmal etwas von ihrem Kaffee, ehe der ganz kalt wurde.

      »Ganz einfach, meine liebe Rosmarie. Die Bredenbrocks ziehen aus, und Ricky hat mir erzählt, dass sie ganz schön genervt davon ist, andauernd neue Mieter im Haus zu haben. Sie werden auf keinen Fall noch einmal in den Sonnenwinkel ziehen, und deswegen erwägen Ricky und Fabian diesmal ganz ernsthaft, das zu verkaufen, dann haben sie Ruhe.«

      Rosmarie konnte es nicht glauben.

      »Das Haus ist schön, natürlich würde ich es umbauen, doch das lässt sich machen. Damit habe ich schließlich Erfahrung. Aber verkaufen, Teresa, bist du dir da wirklich sicher?«

      Nun war Teresa beinahe beleidigt. »Meine liebe Rosmarie, ich bin zwar alt, aber ich bin nicht blöd, und ich kann durchaus zwischen verkaufen oder vermieten unterscheiden.«

      Rosmarie wollte es sich mit Teresa auf keinen Fall verderben, sie war voller Bewunderung für diese starke Frau, der sie ja auch einiges zu verdanken hatte. Teresa hatte den Anstoß zu ihrer Veränderung gegeben, als sie damals mit ihr ins Tierheim gegangen war.

      »Entschuldige bitte, ich wollte dir nicht zu nahe treten«, sagte sie leise.

      Teresa winkte großzügig ab, sie war nicht nachtragend, außerdem war ja auch nichts passiert.

      »Ist schon gut, aber wenn du wirklich in den Sonnenwinkel ziehen möchtest, dann solltest du dich kümmern. Und wenn du mit deinem Heinz eh viel auf Achse sein willst, wenn ihr auch Zeit bei Cecile in Frankreich verbringen möchtet, dann bietet sich ein Haus hier an. Ich fänd das überhaupt nicht so schlecht, dich in der Nähe zu haben, meine Liebe. Doch was sagt denn dein Heinz dazu? Dem sind doch Statussymbole wichtig. Ich kann verstehen, dass er die Villa in Hohenborn loswerden möchte, sie ist viel zu groß für euch. Aber hier in die Siedlung zu ziehen? Ich weiß nicht, auch wenn sie mehrfach preisgekrönt wurde.«

      »Teresa, auch Heinz hat sich sehr verändert. Nachdem er das Gefühl von Freiheit ausgiebig genossen hat, möchte er es wieder erleben. Es ist ihm sehr ernst damit, sich weitgehend zurückzuziehen und nur noch für spezielle Mandanten da zu sein, die ihn als den beurkundenden Notar haben wollen. Wir freuen uns schon auf unsere nächste Reise. Diesmal wollen wir mit dem Wohnwagen und Jeep die skandinavischen Länder erobern und außer Dänemark, Schweden und Norwegen auch bis Finnland fahren. Das wird gewiss ganz spannend, und unsere Beauty und die Missie, die nehmen wir diesmal auf jeden Fall mit. Es ist schon komisch, ich hätte niemals für möglich gehalten, dass uns die beiden Hundedamen so sehr fehlen würden.«

      »Ja, an Tiere kann man sich gewöhnen«, bemerkte Sophia, »und Beauty und Missie sind zwei besonders schöne und sehr kluge Tiere«, Sophia legte sich ein Stück Kuchen auf ihren Teller. »Eigentlich ist es unfassbar, dass diese Hunde im Tierheim gelandet sind.«

      »Die Luna doch ebenfalls«, wandte Inge ein. »Es sind nicht nur Straßenköter, die man sich holt und wieder abgibt. Im Gegenteil, man kauft einen teuren Rassehund, schließlich will man etwas Besonderes haben. Tier ist Tier, macht gleich viel Arbeit, egal ob mit oder ohne Papieren.«

      Sie sprachen über das Tierheim, und es war wohl allen ganz recht, dass das Thema der Veränderung auf dem Herrensitz erst einmal beiseitegeschoben werden konnte.

      Die Veränderung würde bald schon spürbar sein, dann mussten sie sich darauf einstellen, und dann würden sich auch die Ausmaße zeigen. Die Schaffung von Arbeitsplätzen war jetzt schon in aller Munde und hatte das Lager gespalten. Manche Bewohner begrüßten die Veränderung, doch es hatte sich längst herausgestellt, dass es nicht die Eigentümer, sondern die Mieter von Häusern waren, die dafür stimmten. Das verwunderte niemanden, denn die zogen irgendwann ja auch wieder weg.

      Die gute Laune der Damen war dahin, und Inge konnte sich insgeheim noch so ärgern. Geschehen war geschehen. Nun hatte sie mal etwas angestoßen, und das war auch nicht richtig.

      Sie verabschiedeten sich voneinander, und insbesondere Rosmarie hatte es sehr eilig, wegzukommen.

      Das, was sie da gerade erfahren hatte, das ließ ihr überhaupt keine Ruhe. Das musste sie unbedingt mit Heinz besprechen, und dann würde sie Ricky anrufen. Ja, sie würde zuerst mit ihrer Schwiegertochter sprechen. Rosmarie hatte längst herausgefunden, dass die stets die bessere Ansprechpartnerin war, besser als Fabian, ihr Sohn.

      Der Sonnenwinkel …

      Sie hätte selbst nicht gedacht, dass sie einmal dorthin ziehen wollte. Anfangs hatte sie die Augen verdreht, hatte alles verspießt und langweilig gefunden.

      Nachdem sie sich von den drei Damen verabschiedet hatte, konnte Rosmarie es nicht lassen, am besagten Haus vorbeizufahren, das ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter gehörte und das sie am Anfang ihrer Ehe bewohnt hatten.

      Es war ein hübsches Haus mit einem sehr schönen Garten.

      Und es lag ein wenig zurückgesetzt und besaß einen großen Vorgarten mit Bäumen, einer hohen Hecke, die kaum Einsicht bot. Auch wenn es sich um eine Siedlung handelte, so hatte der Architekt doch sehr darauf geachtet, dass nicht alle Häuser gleich aussahen, und auch die Grundstücke waren verschieden groß. Siedlung war nicht das, was man sich allgemein darunter vorstellte. Es waren individuelle, architektonisch besondere Häuser.

      Rosmarie parkte gegenüber dem Haus, blickte es sich sehr lange an, so lange, dass man schon auf sie aufmerksam wurde und eine Frau aus der Nachbarschaft sogar auf sie zugelaufen kam und sich erkundigte, ob sie ihr helfen könne.

      Das bewog Rosmarie, rasch weiterzufahren, doch das war auch ein Zeichen dafür, dass man nicht so anonym wohnte, sondern dass man aufpasste.

      Wollte sie das wirklich?

      Andererseits konnte man sich zurückziehen, neugierige Menschen gab es überall. Wenn sie Teresa, Sophia, Inge oder die Frau Doktor betrachtete, die waren freundlich und


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