Der neue Sonnenwinkel Box 7 – Familienroman. Michaela Dornberg
überlegte kurz. Das klang schon verlockend, zumal es ohne Maren ziemlich öde werden würde.
»Wenn du dich mit Charlotte versöhnst, dann komme ich«, versprach sie.
»Hand drauf«, nagelte Jörg seine kleine Schwester sofort fest, weil es ihn nämlich wirklich freuen würde, sie bei sich zu haben. Und er war sich sicher, dass Schweden ihr gefallen würde.
Pamela gab ihm die Hand, und dann hatten sie nicht mehr viel Zeit miteinander. Die Familie hatte ihn bereits aufgehalten, und jetzt musste er sich sputen, zum Flughafen zu kommen. Der Mietwagen musste abgegeben werden, und er wollte seinen Flieger unbedingt bekommen. Es drängte ihn, zu Charlotte zu kommen, und er musste beten, dass diese großartige Frau sich wieder auf ihn einlassen würde.
Jörg umarmte Pamela, erinnerte sie an ihr Versprechen und sagte: »Also dann, bis bald«, ehe er zu seinem Auto eilte und schnell davonfuhr.
Pamela machten Abschiede traurig, und auch wenn das jetzt ja kein Abschied für immer war, wollte sie nicht zurück zur Familie, die eh alle nur über Jörg und Charlotte sprechen würden.
Es stand ihr noch ein anderer Abschied bevor, und da wusste sie nicht, ob das einer für immer sein würde oder ob sie nicht doch einmal zu den Bredenbrocks nach San Francisco fliegen würde.
Maren und Tim hatten ihre Zeugnisse bereits erhalten, sie waren für die letzte kurze Zeit vom Schulunterricht befreit, auch Dr. Bredenbrock musste nicht mehr ins Gymnasium. Er hatte mit dem Umzug viel zu tun, denn es lastete alles auf ihm.
Es zog Pamela beinahe automatisch zu dem Haus, das ihrer großen Schwester Ricky und ihrem Schwager Fabian gehörte und das die an die Bredenbrocks vermietet hatten.
Das hatte jetzt allerdings ein Ende, denn Rosmarie und Heinz Rückert, Fabians Eltern, würden das Haus übernehmen. Pamela hatte keine Ahnung, ob sie es mieten oder kaufen würden. Das interessierte sie auch nicht. Die Rückerts gehörten mit zur Familie, aber sie hatte nicht viel mit ihnen zu tun, obschon sie ganz nett waren, besonders Rosmarie.
Es interessierte sie, ob Maren jetzt daheim war, denn mit ihrer Freundin wollte sie viel, viel Zeit verbringen.
Als sie ankam, verließ Dr. Bredenbrock gerade das Haus.
»Hallo, Pamela, da wird Maren sich aber freuen«, rief er, er mochte die kleine Auerbach sehr, die ganzen Auerbachs waren nett. »Sie ist nämlich allein, Tim macht mit Angela von Bergen einen Ausflug.«
Pamela mochte Tim gern, er war ein netter Junge. Aber Maren allein anzutreffen war natürlich besser. Die Freundinnen hatten sich viel zu sagen, besonders jetzt, und da konnte ein jüngerer Bruder störend sein.
Sie bedankte sich bei Peter, der zu seinem Auto ging und davonfuhr, Pamela rannte zur Haustür und läutete Sturm.
Ein wenig ungehalten öffnete Maren, doch als sie ihre Freundin bemerkte, begann sie zu strahlen, fiel Pamela um den Hals.
»Das ist Gedankenübertragung, ich habe gerade überlegt, ob dein Bruder schon weg ist und wir uns treffen können, und da stehst du da. Komm rein.«
Gemeinsam gingen sie in das Haus, in dem es überall nach Aufbruch aussah. Alles war verpackt, verkauft, verschenkt, was die Bredenbrocks nicht mit in ihr neues Leben nehmen wollten. Den Rest würde der Spediteur nach dem Abflug von Peter, Maren und Tim in einen Container packen.
Pamela kannte es ja schon, doch es ging ihr jedes Mal erneut an die Nieren, wenn sie das hier sah.
Pamela blickte ihre Freundin an.
»Maren, lass uns zu uns gehen, oder wir können auch eine Fahrradtour machen. Ich finde das hier alles ganz schrecklich, weil es mir so bewusst macht, dass wir keine Zeit mehr miteinander haben.«
Maren nickte.
»Ich finde es auch schlimm, und am liebsten würde ich dich mitnehmen. Ich konnte dich am Anfang ja nicht leiden und hielt dich für eingebildet, aber das ist so anders geworden, ehrlich, Pamela, eine Freundin wie dich hatte ich noch nie. Ich habe mich noch nie mit jemandem so gut verstanden wie mit dir. Es bricht mir wirklich beinahe das Herz, wenn ich daran denke, dass es nur noch Tage sind, ein paar Tage, die in Windeseile vergehen werden.«
Pamela umarmte Maren.
»Ich mag einfach nicht daran denken. Und was das eingebildet betrifft, da dachte ich so über dich, du kamst aus der Großstadt, wirktest so herablassend, ich mochte dich und Tim erst ebenfalls nicht. Ihr wart so unglaublich cool.«
Maren seufzte.
»Ach, das waren wir doch überhaupt nicht. Wir waren einfach nur verunsichert, weil man uns in ein Leben gestoßen hatte, was wir nicht wollten. Tim und ich waren auch aufsässig, wir fanden den Sonnenwinkel öde.«
»Maren, ich weiß ja inzwischen, was ihr hinter euch habt, und ich finde wirklich sehr großartig, wie ihr damit umgegangen seid. Wenn ich denke, dass meine Mama …«, sie brach ihren Satz ab. »Meine Omi sagt immer, dass man die Vergangenheit ruhen lassen soll. Wir sprechen am besten deswegen auch nicht mehr darüber. Es ist eh vorbei. Aber den Sonnenwinkel …, in dem seid i hr nicht so richtig angekommen, nicht wahr?«
Maren wollte ihrer Freundin nichts vormachen, auch wenn der ihre Antwort jetzt nicht gefallen würde.
»Nein, man lebt hier nicht schlecht. Doch freiwillig würde ich niemals herziehen, auch nicht deinetwegen. Da würde ich lieber lange Fahrten auf mich nehmen, um dich zu besuchen.«
Pamela war nicht böse.
»Für mich ist es ein Paradies, und das wird es auch immer bleiben. Unser Sonnenwinkel ist der schönste Platz auf der ganzen Welt.«
Maren holte aus einer Schublade des Küchenschrankes, der ja zum Haus gehörte und bleiben würde, ein paar Schokoriegel, die sie redlich mit ihrer Freundin teilte.
»So was geht immer«, sagte sie, »komm, lass uns direkt einen essen.«
Pamela sah sich entsetzt um.
»Ich liebe Schokoriegel, doch ehrlich mal, Maren, sollen wir die wirklich hier essen? In diesem Chaos?«
»Stimmt, das ist wirklich keine gute Idee, dann lass uns noch mal mit dem Fahrrad um den See fahren. Ich fürchte, es wird eh das letzte Mal sein. Und dann vergiss bitte nicht, dir mein Fahrrad abzuholen. Es ist so gut wie neu, Papa hat es mir gekauft, als wir hier ankamen.«
»Und es ist supercool«, bestätigte Pamela. »Maren, ich habe schon ein richtig schlechtes Gewissen. Du hast mir so viel geschenkt. Eigentlich dürfte ich jetzt nichts mehr annehmen.«
»Pamela, das Fahrrad bleibt so oder so hier. Soll ich es auf die Straße stellen, damit irgendein Fremder es sich mitnimmt?«
Natürlich wollte Pamela das auch nicht, sie umarmte Maren, bedankte sich, dann verließen die beiden Mädchen das Haus.
Ehe sie sich auf die Fahrräder schwangen, Pamela durfte direkt Marens Rad ausprobieren, schnappte die sich das von Tim, das irgendwann ein Freund abholen würde, aßen sie erst einmal einen Schokoriegel. Ein wenig Stärkung konnte nicht schaden.
*
Teresa von Roth zog durch, wenn sie sich zu etwas entschlossen hatte.
Und sie gab vor Erreichen ihres Zieles nicht auf.
Leider musste sie wieder einmal feststellen, dass einem Grenzen gesetzt waren und man nicht direkt alles schaffen konnte. Zumal nicht, wenn man nicht sehr viel über das Objekt seiner Begierde wusste.
Sie hatte sich zwar mit ihrem Schwiegersohn darüber unterhalten, und Werner hatte auch versprochen, sich zu kümmern.
Doch Teresa hätte darauf wetten können, dass Werner es wieder vergessen hatte.
Es lag also allein bei ihr, wenn sie wollte, dass ihr Plan aufging. Und weil es so viele Widerstände gab, wurde sie nur noch verbissener.
Sie musste Berthold von Ahnefeld finden!
Kein Mensch ging in einer zivilisierten Welt einfach verloren!