Der neue Sonnenwinkel Box 6 – Familienroman. Michaela Dornberg
Heinz umfasste sie ebenfalls, und als er sie schließlich küsste, konnte Rosmarie nur noch staunen. Eine solche Leidenschaft hätte sie ihrem Heinz überhaupt nicht zugetraut.
Da das Gewitter endgültig vorüber war, trauten sich Beauty und Missie aus ihrem Versteck heraus, kamen auf sie zugelaufen, um sich ihre Streicheleinheiten zu holen, vielleicht auch ein Leckerli.
Beide zogen kurze Zeit später beleidigt von dannen, Frauchen und Herrchen hatten sie nicht einmal beachtet, die waren mit sich beschäftigt …
*
Nicki wusste, dass sie für sich selbst entscheiden musste, wie es mit ihr und Peter Bredenbrock weitergehen sollte, eigentlich war es ja bereits entschieden, er hatte ihr einen Heiratsantrag gemacht, den sie abgelehnt hatte. Er war gegangen, doch die Schonfrist war vorbei. Er würde von seiner Ägyptenreise mit Maren und Tim zurückkommen, vielleicht waren sie ja auch schon wieder daheim.
Wenn man so wollte, dann hatte sie genügend Zeit gehabt, diese Entscheidung zu treffen, die nur bedeuten konnte, ja zu einem Leben mit ihm und den Kindern oder eine Trennung. Und die fiel ihr so unendlich schwer, weil sie die Kinder nicht verletzten wollte, insbesondere Maren nicht, die so sehr an ihr hing.
Maren und Tim waren noch traumatisiert davon, dass ihre Mutter sie von Knall auf Fall verlassen hatte, um sich zu verwirklichen. Würden sie eine neue Trennung verkraften? Sie war noch nie zuvor in einer solchen Zwickmühle gewesen. Alles machte sie antriebslos, dabei hatte sie den Tag heute dazu benutzen wollen, endlich mal ihre Wohnung aufzuräumen, Wäsche zu waschen, ihre Post durchzusehen. Nichts davon hatte sie gemacht, nur herumgetrödelt. Jetzt ärgerte sie sich, denn dann hätte sie auch zu Roberta fahren können. Alma hätte lecker gekocht, und vielleicht hätte sie mit ihrer Freundin doch noch einmal über dieses brisante Thema sprechen können, obwohl sie deren Meinung ja kannte.
In den Sonnenwinkel zu fahren, dazu war es zu spät, und zu allem anderen hatte sie keine Lust.
Nicki blätterte in einer Zeitschrift und ärgerte sich bereits, sie gekauft zu haben, weil nichts Gescheites drin stand, nur Geschichten über B-Promis, die sie nicht kannte und über deren Leben sie auch nichts wissen wollte.
Als es an ihrer Wohnungstür klingelte, zuckte sie zusammen, klappte ihre Zeitschrift zu, steckte sie weg.
Peter?
Ihr Herz begann zu klopfen.
Sollte er doch schon wieder daheim sein?
Es klingelte erneut, diesmal fordernder.
Sie hatte keine andere Wahl, sie stand auf, ging zur Tür und öffnete, prallte zurück.
Sie hätte wirklich mit allem gerechnet, mit diesem Besucher allerdings nicht.
Vor ihrer Tür stand kein anderer als Mathias Graf Hilgenberg!
Sie starrte ihn an, war unfähig, etwas zu sagen. Das musste sie erst einmal verdauen, schließlich brachte sie nur ein ungläubiges: »Du?«, hervor.
»Entschuldige bitte, dass ich dich so überfalle, ich hatte in der Nähe zu tun.«
Sie wollte allem etwas Leichtigkeit geben, indem sie sagte: »Und ich dachte schon, du willst mir einen Heiratsantrag machen. Die Blumen sind doch für mich, oder?«
Er ging auf ihren scherzhaften Ton nicht ein, blieb ernst.
»Ja, die Blumen sind für dich, darf ich reinkommen?«
Das mit dem Heiratsantrag kommentierte er nicht, und Nicki bereute, es erwähnt zu haben.
Sie führte ihn in ihr Wohnzimmer, in dem alles Mögliche herumlag, zum Glück hatte sie die Klatsch- und Tratsch-Zeitschrift verschwinden lassen.
Sie bot ihm Platz an, er blickte sich neugierig um.
»Schön hast du es«, bemerkte er, und Nicki glaubte ihm kein Wort, er wollte nur höflich sein.
»Aber einziehen würdest du in eine solche Wohnung nicht, nicht wahr, Mathias?«, konnte sie sich nicht verkneifen zu sagen.
»Bei dir muss alles groß sein.«
Er sagte nichts, sie entschuldige sich, weil sie die Blumen in eine Vase stellen wollte. Der Strauß war wirklich wunderschön. Als sie zurückkam, stand er vor ihrem Bücherregal, in dem standen Bücher, die sich sehen lassen konnten.
Sie bot ihm etwas zu trinken an, zum Glück wollte er nur ein Wasser trinken, das holte sie rasch, kam mit einer Flasche und zwei Gläsern zurück. Er hatte mittlerweile wieder Platz genommen, sie setzte sich ebenfalls, blickte ihn an.
»Weswegen bist du hier, Mathias?«, wollte sie wissen.
»Ich bin gekommen, um mich von dir zu verabschieden. Ich werde das Anwesen verkaufen.«
Nun verstand Nicki überhaupt nichts mehr.
»Aber du bist doch gerade erst eingezogen, hast aufwändig alles umgebaut. Ich hätte nicht gedacht, dass du so wankelmütig bist und Immobilien kaufst wie andere Leute Briefmarken.«
Er ging darauf nicht ein.
»Mein Bruder ist krank, ich werde an seiner Stelle Schloss Hilgenberg, den gesamten Besitz übernehmen und alles für die nächste Generation bewahren. Für mich erfüllt sich ein Traum, wenngleich es mich schmerzt, dass der sich auf Kosten meines Bruders erfüllt. Die Hausgesetze wurden geändert. Das, was seit vielen Generationen den Hilgenbergs gehört, muss weiterhin in der Familie bleiben. Ein Hilgenberg zu sein, ist eine Verpflichtung.«
Er tickte anders, Nicki hatte das sofort erkannt, und insgeheim dankte sie Gott, dass er sie vor einer großen Enttäuschung bewahrt hatte.
Er erwartete eine Antwort, deswegen sagte sie brav: »Mathias, ich freue mich für dich. Es ist immer schön, wenn sich Träume erfüllen.«
Er warf ihr einen skeptischen Blick zu.
»Ich freue mich wirklich für dich«, bestätigte sie noch einmal, und sie wunderte sich, dass es ihr überhaupt nichts ausmachte. Dabei war sie doch besessen von ihm gewesen. Stopp! Von Mathias, den sie zufällig kennengelernt und in den sie etwas hineininterpretiert hatte. Es war vorbei gewesen, als sich herausgestellt hatte, wer er wirklich war. Welch ein Glück, dass sie sich nicht auf eine vorsichtige Annäherung eingelassen hatte, dann würde sie jetzt vermutlich dasitzen und weinen.
Graf Hilgenberg von Schloss Hilgenberg, das war eine andere Welt, in die sie nicht hineinpasste.
»Nicki, ich bin gekommen, weil es mir wirklich wichtig ist, mich von dir zu verabschieden. Die Begegnung mit dir, das war etwas Besonderes, das war ein ›Magic Moment‹, den ich niemals vergessen werde. Für einen Moment vergaß ich, wer ich wirklich bin, mit dir war alles so leicht, so unkompliziert.«
»Deswegen hat es dir auch nichts ausgemacht, mich glauben zu lassen, dass du nicht einmal das Geld für eine Currywurst hast.«
Die Currywurst, die würde sie immer erwähnen!
»Darüber haben wir mehr als nur einmal gesprochen, du wolltest es so sehen, hast meine Bemerkung, dass ich schon lange keine Currywurst mehr gegessen hatte, falsch interpretiert. Nicki, das muss jetzt wirklich nicht wieder aufgewärmt werden. Ich möchte mich bei dir bedanken, für unvergleichliche Stunden, die ich so noch nie zuvor erlebt habe, vermutlich auch nicht mehr erleben werde.«
»Jetzt musst du dein Schloss verwalten, dir eine Frau suchen, natürlich aus den richtigen Kreisen, dann musst du unbedingt Kinder haben, damit der Fortbestand der Hilgenbergs gesichert ist.«
Warum hatte sie das jetzt gesagt?
Das war so unnötig gewesen wie ein Kropf.
»Bitte entschuldige, Mathias, das war jetzt dumm von mir.« Er blickte sie ernst an.
»Nicki, das meiste stimmt von dem, das du da gerade gesagt hast. Aber ich muss keine Frau aus den richtigen Kreisen heiraten, sondern eine, für die ich etwas empfinde, die ich liebe. In den regierenden Königshäusern wird bürgerlich geheiratet, warum sollte das nicht für die Hilgenbergs gelten?«