Der neue Sonnenwinkel Box 6 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Box 6 – Familienroman - Michaela Dornberg


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Weile war es still zwischen ihnen. Sie hingen ­ihren Gedanken nach, doch es war kein unangenehmes Schweigen.

      Mathias von Hilgenberg war es, der als Erster anfing zu sprechen: »Nicki, es ist schade, dass du uns keine Chance gegeben hast, uns kennenzulernen. Ich denke, es hätte etwas mit uns werden können.«

      Nein!

      Er sollte nicht so reden, das war wie süßes Gift. Er hätte nicht kommen dürfen. Es war beinahe so, wie bei ihrer ersten zufälligen Begegnung, wo sie zwei Fremde gewesen waren, die nichts voneinander wussten und sich doch so angezogen fühlten. Nicki verspürte eine leichte Aufgeregtheit, eine Stimme in ihr sagte, dass sie jetzt nichts tun durfte, was sie hinterher bereuen würde.

      Mathias Graf von Hilgenberg und Nikola Beck, die selbst kaum noch wusste, dass sie so hieß, weil jeder sie nur Nicki nannte. Nein, nochmals nein!

      Es ging nicht, es wäre nicht gegangen …

      »Mathias, das glaube ich nicht«, sagte sie rasch. »Ich habe es einfach nicht mit dem Adel. Ich wäre nicht die richtige Frau für dich. Glaub mir das bitte. Du hast jemanden verdient, dem es Spaß macht, sich an deiner Seite zu präsentieren, zu repräsentieren.«

      Mathias lachte.

      »Nicki, woher hast du diese Weisheiten? Aus Glanzzeitschriften? Nein, das glaube ich nicht, dass du so etwas liest, wo den Lesern eine Welt vorgegaukelt wird, die fernab ist jeglicher Realität. Die Wirklichkeit sieht so ganz anders aus. Um alles erhalten zu können, müssen wir hart arbeiten, das Geld zusammenhalten. Wir leben wie Hinz und Kunz, nur in größeren Häusern. Und das tun noch nicht einmal alle Adeligen, nicht jeder hat ein Schloss oder ein repräsentatives Anwesen, sondern lebt auf einer Etage, manchmal sogar nur zur Miete. Aber darüber will ich jetzt auch nicht länger reden, und ich will dich nicht aufhalten. Nicki, ich kenne deine Einstellung, und ich respektiere sie. Es war mir einfach wichtig, dir zu sagen, dass die Begegnung mit dir mir unvergesslich bleiben wird. Du bist ein besonderer Mensch, und der Mann, der dich gewinnen kann, ist zu beneiden.«

      Jetzt war der Moment, etwas zu sagen, sie holte tief Luft, doch er ließ es nicht dazu kommen.

      »Nicki, sag jetzt nichts. Darf ich dich zum Abschied in meine Arme nehmen?«

      Sie nickte.

      Abschied …

      Seine Arme umschlossen sie sanft, und sie kam sich vor wie auf einem sicheren Floß, das er unbeschadet durch gefährliche Gewässer führte.

      Das alles hätte sie haben können …

      Sie gab sich dem Gefühl hin, genoss seine Nähe, und dann war es vorbei. Er ließ sie los, lächelte, strich ihr sanft über die Wange, etwas, was sich anfühlte wie ein Flügelschlag, dann sagte er: »Lebwohl, und pass auf dich auf.«

      Nach einem letzten Blick wandte er sich ab, verließ sehr rasch ihre Wohnung. Sie zuckte zusammen, als die Tür zuschlug.

      Sie war allein.

      Allein mit einem wunderschönen Blumenstrauß und einem Duft nach Sandelholz und Citrusfrüchten, der noch im Raum ging, sich aber allmählich verflüchtigte.

      Gäbe es die Blumen nicht, würde sie jetzt glauben, geträumt zu haben.

      Es war kein Traum, Mathias war hier gewesen, und er hatte wunderbare Worte gebraucht, die in ihr nachklangen, »Magic Moment«, magischer Moment. Er hatte es ebenfalls so empfunden. Sie hätten an ihrer ersten wunderbaren Begegnung anknüpfen können, sie hatte sich gewehrt, weil sie mit einem Grafen nichts zu tun haben wollte. Dabei waren Grafen auch nur Menschen, und sie hätte sich auf eine vorsichtige Annäherung einlassen sollen.

      Hätte … hätte …

      Sie hatte nicht, und sie wusste noch, wie aufgebracht sie deswegen gewesen war und ihm vorgeworfen hatte, er erwarte von ihr wie in der Schule gute Noten. Was für ein Unsinn! Mathias war ein ernsthafter Mensch, der sich nicht auf eine unverbindliche Liebelei einließ. Und sie war eine dumme Gans, anders konnte sie sich nicht bezeichnen, die immer wieder ihr Glück mit Füßen trat.

      Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen.

      Was wollte sie eigentlich vom Leben?

      Der Prinz auf dem weißen Pferd würde nicht kommen, so etwas gab es nicht im wahren Leben.

      Und wenn da mal ein wirklich guter Mensch da war, dann vermasselte sie es sich selbst.

      Roberto Andoni …

      Sie hatte ihn geliebt, er war von ihr beinahe besessen gewesen, wollte alles für sie tun.

      Und sie?

      Sie hatte sich von ihm getrennt, weil es ihr nicht passte, dass sie wegen seiner Arbeitszeiten nur selten mit ihr gemeinsam frühstücken konnte. Wie absurd war das denn, alles von einem Frühstück abhängig zu machen. Ihre Nachfolgerin war schlauer gewesen, sie hatte sich auf ihn eingelassen, und sie war belohnt worden. Sie lebte jetzt mit Roberto in der wunderschönen Toscana auf einem herrlichen Landsitz zwischen Weinbergen und uralten Olivenbäumen, und sie hatten zwei gemeinsame Kinder.

      Das alles hätte sie haben können …

      Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

      Und wenn man Mathias nahm.

      Wie besessen war sie ihm nachgejagt, hatte versucht, ihn zu finden, war zu Kartenlegern, Wahrsagern, Kaffeesatzlesern gegangen, hatte sich aus der Kristallkugel lesen lassen. Sie hatte sich und ihre Umwelt verrückt gemacht.

      Und dann …

      Dann hatte sie Mathias zufällig getroffen, auf seinem Landsitz unterhalb der Felsenburg, als den Besitzer, als den Grafen von Hilgenberg.

      Da hatte sich bei ihr ein Schalter umgelegt, sie war geradezu geflohen, und sie war stur geblieben, selbst als er sie aufgesucht hatte, um ihr alles zu erklären, um eine Chance zu bitten.

      Er hatte alles getan, sie war stur geblieben.

      Roberto …

      Mathias …

      Zwei wahre Lieben, denen sie sich verweigert hatte, aber einem Malcolm Hendersen, der verheiratet war, und wie sie alle sonst noch hießen, hatte sie jede Chance gegeben, hatte sich vor ihnen beinahe erniedrigt.

      Mit ihr stimmte etwas nicht!

      Sie hatte Angst vor einer ernsthaften Beziehung!

      Sie sollte mal zu einem Psychiater gehen und das untersuchen lassen.

      Sie weinte still vor sich hin, um sich, um ihre verlorenen Lieben …

      Aber da gab es doch noch Peter Bredenbrock!

      Sie war sich so sicher gewesen, ihn zu lieben.

      War das nur ein Strohfeuer gewesen? War er interessant, weil er nur mit seinen beiden Kindern im Gepäck zu bekommen war?

      Nicki verstrickte sich in Gedanken, die sich im Nichts verloren, weil sie sich da etwas zusammenkonstruierte, was in der Realität keinen Bestand hatte.

      Sie versuchte, Peter und die Kinder separat zu sehen.

      Sie versuchte, ihn mit Roberto und Mathias zu vergleichen. Das ging überhaupt nicht. Doch es machte ihr etwas klar. Sie mochte Peters besonnene Art, sie hatte auch ein wenig Mitleid mit ihm, weil er von seiner Ehefrau verlassen worden war, sie hatte ihn mit den Kindern sitzen gelassen.

      Konnte und wollte sie in deren Rolle schlüpfen?

      Die Kinder taten ihr leid …

      Doch Mitleid war kein guter Begleiter, denn es brauchte sich irgendwann auf. Und was blieb dann?

      Nicki bekam vor lauter Aufregung feuchte Hände.

      Was immer es auch gewesen war, wie sie zu Peter Bredenbrock hingezogen hatte, Liebe war es nicht. Zumindest nicht das, was sie sich unter Liebe vorstellte.

      Vielleicht verlangte sie ja wirklich nach etwas, was es im wahren Leben nicht gab. Sie war noch jung genug, weiterhin zu suchen, zu warten.

      Und


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