Butler Parker 175 – Kriminalroman. Günter Dönges

Butler Parker 175 – Kriminalroman - Günter Dönges


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      Leseprobe:

      Ball der glücklichen Herzen

      »Ich glaube, Mr. Parker, daß ich zutiefst empört bin«, stellte Lady Agatha Simpson mit grollender Stimme fest und bremste jäh ihre majestätische Fülle, »in welcher Zeit leben wir eigentlich?«

      »Bestehen Mylady auf einer präzisen Antwort, was das genaue Datum betrifft?« erkundigte sich Josuah Parker in gewohnt höflicher Weise.

      Er war ein etwas über mittelgroßer Mann undefinierbaren Alters, der in Sprache und Aussehen den Prototyp eines englischen hochherrschaftlichen Butlers darstellte.

      Er und die Lady hatten gerade ein Geschäft für feine Porzellanwaren verlassen und strebten einem nahen Parkplatz zu. Agatha Simpson ging auf die Frage ihres Butlers nicht ein und musterte einige Mädchen und Jungen, die freigebig ihr mit Sicherheit nicht geringes Taschengeld unter das Volk streuten.

      Es handelte sich um Pfundnoten, deren Wert sie nicht recht einzuschätzen wußten. Die minderjährigen Kinder benutzten die Pfundnoten als Baumaterial für ihre Papierschiffchen, die sie im Rinnstein fahren ließen.

      »Zu meiner Zeit haben wir von solchem Taschengeld nur geträumt«, stellte Lady Agatha fest. Sie war eine hochgewachsene, füllige und majestätisch aussehende Dame, die das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit überschritten hatte. Dennoch machte sie einen sehr dynamischen Eindruck, dem man sich nicht entziehen konnte.

      Sie blickte konsterniert auf die wertvollen Papierschiffchen, die im angeschwollenen Wasser des Rinnsteins lustig davontrieben. Die Mädchen und Jungen, die im Schnitt vielleicht sechs Jahre alt waren, amüsierten sich und machten eifrig Gebrauch von dem bedruckten Papier, das sie bündelweise in ihren Händen hielten.

      »Was für eine Verschwendung«, seufzte die ältere Dame, die für ihre ausgeprägte Sparsamkeit berüchtigt war. Sie hatte längst mitbekommen, daß einige Passanten sich für die kleinen Papierschiffchen lebhaft interessierten, sich bückten und sie aus dem schmutzigen Wasser nahmen. Lady Agatha kämpfte einen wilden, entschlossenen Kampf mit sich und siegte souverän. Sie hatte plötzlich Ärger mit ihrem rechten Schuhband und bückte sich unvermittelt. Sie nestelte daran herum und wartete darauf, daß die nächsten Papierschiffchen ihr entgegentrieben. Als das der Fall war, langte die sparsame Dame blitzschnell zu und barg drei Banknotenschiffchen im Wert zwischen fünf und zwanzig Pfund.

      Worauf Butler Parker sich diskret räusperte.

      »Legen Mylady Wert darauf, daß meine Wenigkeit sich den Rettungsmaßnahmen anschließt?« erkundigte er sich, als seine Herrin sich aufrichtete und die Banknoten glättete.

      »Selbstverständlich habe ich vor, sie den lieben Kleinen zurückzugeben«, raunzte sie dann, »hatten Sie etwas anderes erwartet?«

      »Mylady dürften die Aufmerksamkeit der kleinen Schiffbauer erregt haben«, erwiderte Josuah Parker gemessen und deutete mit der Spitze seines Universal-Regenschirms auf einen Jungen und ein Mädchen, die auf Lady Simpson zuliefen.

      »Man sollte diese Strauchdiebe ohrfeigen«, erklärte die resolute Dame und meinte keineswegs die Kinder, sondern einige Passanten, die den Rinnstein geplündert hatten und mit ihren gekaperten Schiffen schleunigst davonschritten. Dann aber wurde die Lady nachdrücklich abgelenkt. Der Junge und das Mädchen hatten Agatha Simpson inzwischen erreicht und wollten sie beschenken.

      Sie drückten ihr ganze Bündel von Banknoten in die ausgestreckte Hand und freuten sich. Sie forderten Lady Agatha auf, sich Fisch und Kartoffelchips zu kaufen. Sie hatten auch, wie sie deutlich sagten, nichts dagegen, daß Mylady Cola trank.

      »Ihr lieben Kleinen«, meinte Agatha Simpson entzückt und schnürte ihren Pompadour auf, um die Banknoten darin verschwinden zu lassen, »ihr seid ja richtig lieb zu einer armen Tante.«

      Parker räusperte sich erneut diskret.

      »Sie sollten etwas gegen Ihren Husten unternehmen«, grollte die Lady ihren Butler an, »selbstverständlich werde ich das Geld nur in Verwahrung nehmen.«

      »Meine bescheidene Wenigkeit dachte noch nicht mal andeutungsweise an ein anderes Motiv«, gab Josuah Parker steif und würdevoll zurück, um sich dann an die beiden Kinder zu wenden. Er fragte nach der Herkunft des Geldes und erhielt prompt eine genaue Antwort. Die beiden kleinen Verschwender deuteten auf einen nahen Bauzaun und sprachen von einem riesigen Sack, der mit diesem komischen Papier vollgestopft wäre.

      »Mr. Parker, folgen Sie mir!« Lady Agatha setzte sich sofort in Bewegung und wäre nicht mehr aufzuhalten gewesen. Zielstrebig und äußerst energisch marschierte sie zu dem nahen Bretterzaun und riß beherzt einige Holzlatten aus einer schmalen Lücke. Dann zwängte sie sich durch die passende Öffnung und betrat den Bauplatz, der einer Müllkippe glich. Die Bewohner der benachbarten Reihenhäuser schienen hier ihren Wohlstandsmüll großzügig gelagert zu haben. Lady Agatha wartete, bis Josuah Parker neben ihr erschien.

      »Sie wissen hoffentlich, was ich denke, Mr. Parker«, sagte sie.

      »Mylady dürften sich bereits mit dem Gedanken vertraut gemacht haben, einem Raubüberfall auf der Spur zu sein«, lautete Parkers höfliche, aber zurückhaltende Antwort.

      »Sehr richtig«, entgegnete sie wohlwollend. »Oder sind Sie etwa anderer Meinung?«

      »Nur andeutungsweise und in einem Punkt, Mylady«, erwiderte Josuah Parker und präsentierte eine Banknote im Wert von zwanzig Pfund, »es dürfte sich eindeutig um Falschgeld handeln, falls meine Augen meine bescheidene Wenigkeit nicht Lügen strafen.«

      *

      »Tatsächlich Falschgeld«, stellte Mike Rander fest und hielt eine der Banknoten noch mal gegen das Licht, »sieht nach einer erstklassigen Arbeit aus.«

      »Die Herren Fälscher haben sich in der Tat alle erdenkliche Mühe gegeben«, antwortete Josuah Parker.

      »Ich wußte sofort, daß es sich um Blüten handelt«, erklärte Lady Agatha mit Nachdruck. Sie glaubte wieder mal das, was sie sagte.

      »Haben Sie bereits die Polizei verständigt, Mylady?« fragte Kathy Porter, ihre Sekretärin und Gesellschafterin. Kathy Porter war etwa dreißig Jahre alt und eine bemerkenswert junge Frau, groß, schlank und attraktiv. Mail sah es ihr nicht an, daß sie in den Künsten fernöstlicher Selbstverteidigung beschlagen war. Mochte sie auf den ersten Blick auch zurückhaltend wirken, konnte sie sich doch in Sekundenschnelle in eine zuschlagende Pantherkatze verwandeln, wenn sie angegriffen wurde. Das braune Haar mit dem leichten Rotstich umrahmte ein pikant geschnittenes Gesicht mit hohen Wangenknochen. Beherrschend in ihm waren die dunklen, eindrucksvollen Augen.

      Kathy Porter war mehr als nur eine vertraute Angestellte der älteren Dame. Lady Agatha sah in ihr so etwas wie eine Tochter und war hartnäckig bestrebt, sie möglichst bald zu verheiraten. Ihr Auserwählter für Kathy war Mike Rander, den sie nicht nur als Anwalt schätzte.

      Mike Rander erinnerte, was sein Aussehen betraf, an einen bekannten James-Bond-Darsteller und war vielleicht noch lässiger als dieser Schauspieler. Vor Jahren hatte er zusammen mit dem Butler in den USA viele Abenteuer überstanden, sich dann aber zurückgezogen, um nur noch als Anwalt zu arbeiten. Nach seiner Rückkehr aus den Staaten war er von Lady Agatha Simpson wie selbstverständlich vereinnahmt worden und verwaltete nun das immense Vermögen der älteren Dame. Darüber hinaus hatte er eine Anwaltskanzlei in der nahen Curzon Street, nicht weit entfernt von Shepherd’s Market, wo sich Lady Simpsons Haus befand.

      In diesem altehrwürdigen Fachwerkhaus hatte man sich zusammengefunden und hielt sich in der großen Wohnhalle auf. Butler Parker hatte Sherry serviert und einen kleinen Imbiß zur fälligen Mittagstunde angekündigt, doch Lady Agatha schien das für sie doch wichtige Stichwort gar nicht gehört zu haben. Sie blickte auf den Ledersack, der das Falschgeld enthielt.

      Es handelte sich dabei um eine Art Seemannsutensil, aber eben aus Leder. Parker hatte die noch vorhandenen Banknoten gezählt und war auf eine Summe von fast hunderttausend Pfund gekommen.

      »Mylady hat bisher davon Abstand genommen, die zuständigen Behörden zu informieren«, behauptete Josuah Parker Kathy Porters


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