Butler Parker Paket 2 – Kriminalroman. Günter Dönges
nach einem der vielen Kugelschreiber, die in den oberen Taschen seiner gestreiften Weste staken, zerbrach ihn und warf ihn einen Meter vor sich ins Gras.
Es war erstaunlich, mit welcher Schnelligkeit sich eine dichte Nebelwand ausbreitete. Dort, wo Parker eben noch gewesen war, stiegen dunkelgraue Wolken hoch, die jede Sicht nahmen. Im Schutz dieser Nebelwand setzte Josuah Parker sich diskret ab. An weiteren schallgedämpften Schüssen bestand bei ihm kein Interesse.
Wie richtig er gehandelt hatte, zeigte sich.
Der Schütze im Hinterhalt feuerte wütend noch einige Schüsse in diese dichte Nebelwand und hoffte wohl auf einen Glückstreffer. Parker nahm hinter einem Palmenstamm Deckung und wartete einige Minuten, bevor er zurück zum Lager ging.
In der Nähe dieses Lagers beobachtete er eine eigenartige Szene. Das Ehepaar Forest stand neben einem blühenden Strauch und betätigte sich als Erdarbeiter.
John Forest hatte ein dünnes, zersplittertes Brett in der Hand und hob eine flache Grube aus. Seine Frau Ethel schaute ihm dabei zu, schaute aber immer wieder um sich, als fürchte sie überrascht zu werden.
Parker hielt sich im Hintergrund und beobachtete die Forests, die jetzt wohl mit der Tiefe der Grube zufrieden waren. Mrs. Forest hob ihren knielangen Rock und … hatte plötzlich eine Schußwaffe in der Hand. Es handelte sich offensichtlich um einen Revolver. Nach einem weiteren Rundblick warf sie die Waffe in die Grube, die von Ehemann John dann schleunigst wieder zugeschaufelt wurde. Anschließend trampelte er die Erde fest und tarnte das frische Erdreich mit Gräsern und kleinen Ästen.
Einträchtig, als befänden sie sich auf einem Spaziergang, lustwandelte das Ehepaar anschließend von der Szene.
Parker dachte nach. Verständlicherweise. Er fragte sich, woher die Forests wohl die Handfeuerwaffe haben mochten? Warum verbargen sie die Waffe? Warum befürchteten sie beobachtet zu werden? Fragen dieser Art mußten früher oder später gestellt werden.
Parker wollte sich gerade an die zugestampfte kleine Grube heranpirschen, als er erneut gestört wurde.
Diesmal erschien Kapitän Curson auf der Bildfläche. Er mußte das Ehepaar ebenfalls heimlich beobachtet haben. Er suchte und fand das weggeworfene, zerschlissene Brett, kniete nieder und schaufelte die Grube wieder auf. Er arbeitete schnell und geschickt, doch er achtete nicht auf seine nähere Umgebung.
Parker, nach wie vor in guter Deckung, registrierte einen weiteren Besuch. Fast amüsiert nahm er zur Kenntnis, daß jetzt die Hostess Judy Harless aktiv wurde.
Auf nackten Füßen, bekleidet mit Shorts und einem viel zu langen Pullover, huschte sie hinter den ahnungslosen Curson und legte ihm einen dicken Ast quer über den Kopf.
Curson rutschte sofort in sich zusammen und war ohnmächtig. Judy Harless grapschte nach dem Revolver, ließ ihn unter ihrem Pullover verschwinden und verdrückte sich hinter dem blühenden Busch.
Parker, um einige Erkenntnisse reicher, verließ diesen turbulenten Ort und begab sich zum Strand hinunter. Er hatte seinem jungen Herrn einiges mitzuteilen …
*
„Verwirrender geht’s nimmer“, meinte Anwalt Rander, nachdem Josuah Parker ihm Bericht erstattet hatte, „schauen Sie da überhaupt noch durch?“
„Wenn ich mir einen kleinen Scherz erlauben dürfte Sir, so sollte man sich eine Strichliste anlegen, auf der verzeichnet ist, wer zu welcher Zeit im Besitz besagter Schußwaffe ist.“
„Wobei wir noch nicht einmal wissen, ob es die bewußte Waffe ist, mit der man auf Sie und auf mich geschossen hat.“
„Ich pflichte Ihnen bei, Sir …“
„Wer will wen umbringen, das ist hier die Frage. Und warum …!? Die Geschichte, die Broken mir erzählt hat, kommt mir ziemlich windig vor!“
„Ich pflichte Ihnen nochmals bei, Sir.“
„Wie schön von Ihnen, Parker! Wie vermeiden wir es, daß wir in der kommenden Nacht umgebracht werden?“
„Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich mir etwas einfallen lassen.“
„Darauf bestehe ich sogar … Ich möchte hier auf der Insel nicht begraben werden wie Edwards!“
Der Hinweis auf dieses Begräbnis stimmte übrigens. Edwards, der Haupt- oder Chefbuchhalter Keswicks, war zu Grabe getragen worden. Und es war allgemein bekannt, daß er sich wohl nicht zufällig und unglücklicherweise das Genick gebrochen hatte. Die Stimmung unter den Schiffbrüchigen war dementsprechend. Man sah sich gegenseitig mißtrauisch und schief an und fürchtete wechselseitig um sein Leben.
Es wurde sehr schnell dunkel.
Kapitän Curson, der das Lager organisierte und kein Wort von seinem geheimnisvollen Niederschlag hatte, verlauten lassen, verfügte über einen größeren Vorrat an Brennholz und richtete für die Damen leichte Lager her.
Die Hostessen Pamela und Kathy sowie May Owen, Judy Harless und Hazel Belmont hatten sich etwas abgesondert und lagen unter einem Strauch, der fast wie ein Dach wirkte.
Das Ehepaar Forest hatte es sich unter einer sehr windschiefen Palme bequem gemacht.
Broken und sein „Haushund“ Deering befanden sich im Windschutz einer leichten Sanddüne, Keswick und Curson hielten sich in der Nähe des Feuers auf.
Parker bereitete seinem jungen Herrn das Lager vor. Es befand sich ebenfalls vor und halb unter einem dichten Strauch. Während Mike Rander für Sichtdeckung sorgte und dazu seinen Rücken einsetzte, schnitt Parker mit der rasiermesserscharfen Degenklinge seines Universal-Regenschirms eine Art Tunnel in das dichte Strauchwerk.
„Ich würde vorschlagen, Sir, sich jetzt zur Ruhe zu begeben“, meinte Parker nach getaner Arbeit. „Sobald es vollkommen dunkel ist, könnte man diese Lagerstatt hier verlassen und einen sicheren Ort auf suchen.“
„Vorschlag angenommen“, sagte Rander, „ich wette, wir werden eine ziemlich unruhige Nacht erleben … Wundert mich, daß niemand bisher von einer Art Feuer- oder Lagerwache gesprochen hat. Es ist doch bekannt, was mit Edwards passiert ist.“
„Man dürfte selbst einer Wache nicht trauen, Sir.“
„Richtig … Gerade irgendeine Wache könnte identisch mit dem Mörder sein!“ Rander streckte sich in der relativ tiefen Sandmulde unter dem Strauch aus. Josuah Parker blieb aufrecht sitzen, bis sein junger Herr durch den geschnittenen Tunnel nach hinten verschwunden war. Als Parker sich dann niederlegte, befand sich neben ihm eine imaginäre Gestalt. Sie bestand aus einer dünnen Gummihaut, die die Konturen eines menschlichen Körpers aufwies. Die Bemalung darauf vervollständigte restlos die Illusion, denn sie entsprach grob irgendeiner Kleidung.
Parker blies die zweite Gummihaut auf und empfahl sich dann ebenfalls. Er wurde hinter dem Strauch von seinem jungen Herrn erwartet.
„Sie sollten sich Ihren Koffer patentieren lassen“, sagte Rander leise und anerkennend, „vor allen Dingen im Hinblick auf den Inhalt. In Verlegenheit sind Sie wohl nie zu bringen, wie?“
„Sie schmeicheln einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann, Sir“, gab Parker würdevoll zurück, „ich hoffe, daß der Inhalt tatsächlich ausreichen wird. Darf ich vorschlagen, daß ich die erste Wache übernehme?“
„Okay, aber Sie wecken mich in zwei Stunden, Parker!“
„Sie können sich fest auf meine bescheidene Wenigkeit verlassen.“
„Und keine Extratouren, Parker!“
„Ich werde mich bemühen, Sir.“
„Dann will ich mich mal verziehen.“ Mike Rander nickte seinem Butler zu und schob sich unter einen zweiten Strauch. Josuah Parker wartete, bis sein junger Herr nicht mehr zu sehen war, dann machte er sich daran, einige zusätzliche Sicherungen zu installieren. Er wollte vor Überraschungen aller Art sicher sein.
Anschließend bestieg er einen schräg geneigten Palmenstamm und bezog im ersten unteren Drittel