Butler Parker Paket 2 – Kriminalroman. Günter Dönges
Sie immer noch sicher, die Telefonnummer richtig mitbekommen zu haben?“ fragte Rander, als er zusammen mit Parker ausstieg.
Beide sahen sich verwundert um. „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“, antwortete Parker erneut, „ich möchte allerdings einräumen, daß ich das bin, was man gemeinhin verblüfft nennt. Hier scheint es sich um ein gepflegtes Altersheim zu handeln.“
„Das scheint nicht nur so, es ist ein Altersheim.“ Rander deutete auf eine Bronzetafel neben dem Eingang, „das Heim nennt sich ‚Abendfriede‘. Ich glaube, hier kann man sich wohl fühlen. Hören Sie, Parker, ich schlage Arbeitsteilung vor. Ich werde mich in der Nachbarschaft nach diesem Heim erkundigen, Sie können sich den Laden von innen ansehen.“
Parker war sofort einverstanden. Er lüftete grüßend seine schwarze Melone, als er sich von seinem jungen Herrn trennte. Dann schritt er über den mit Bruchsteinplatten ausgelegten Weg hinüber zum Eingang, der fast ausschließlich aus Glas bestand.
Die Tür war geschlossen.
Auf sein Läuten hin – in der Halle ertönte ein melodisches Glockenspiel – erschien in der sonst menschenleeren Halle eine Dame von schätzungsweise sechzig Jahren. Sie trug ein dunkles Kleid mit weißem Spitzenbesatz.
„Sir?“ fragte sie, nachdem sie geöffnet hatte.
„Mein Name ist Parker, Josuah Parker“, stellte der Butler sich vor, „ich komme mit einem Anliegen zu Ihnen, das sich mit wenigen Worten kaum umreißen lassen wird.“
„Versuchen Sie’s!“ gab die weißhaarige Dame lächelnd zurück. „Aber bitte, treten Sie doch näher.“
Parker betrat die Halle und behielt seine Melone in der Hand. Mit einem schnellen Blick informierte er sich. Peinlichste Sauberkeit herrschte hier, die wenigen Sitzgruppen verrieten Geschmack, selbst die Bilder an der Wand hoben sich über das normale Niveau, das in solchen Häusern sonst anzutreffen war, weit hinaus.
„Wir sind ein privates Altersheim“, sagte die weißhaarige Dame, die diesen schnellen, prüfenden Blick bemerkt hatte, „wir sind eine Art Aktiengesellschaft, wenn ich es so ausdrücken soll. Mit den Geldeinlagen unserer Mitbewohner finanzieren wir das Haus.“
„Das von Ihnen geleitet wird, Madam, wenn ich diese Frage an Sie richten darf?“
„Ich habe heute nur den Besucherdienst übernommen“, erklärte die weißhaarige Dame weiter, „wir erledigen das reihum. So bleiben wir im Kontakt mit der Außenwelt.“
„Vielleicht können Sie mir jetzt und hier bereits helfen“, sagte Parker höflich und gemessen. Im Grunde zweifelte er bereits, daß er die Telefonnummer richtig herausgehört hatte. „Ich würde zu gern eine gewisse Tante Ethel sprechen.“
„Ethel Flanders?“
„Dies wird die bewußte Dame sein, zu der mein Herr mich geschickt hat. Wo könnte ich besagte Mrs. Flanders erreichen?“
„Warten Sie! Ich lasse sie informieren. Wenn Sie sich einen Moment gedulden wollen!“
Die weißhaarige Dame verschwand in einer Art Pförtnerloge und telefonierte über einen Hausapparat. Dabei lächelte sie Parker durch die Glaswand distanziert zu.
Parker war gespannt, wie Mrs. Ethel Flanders wohl aussehen würde …
Sie war fast siebzig Jahre alt, ein wenig schwerhörig und offensichtlich irritiert, daß man sie besuchen wollte. Schon auf den ersten Blick stellte Parker fest, daß diese alte Dame unmöglich mit jener Tante Ethel identisch sein konnte, die auf ihn geschossen hatte.
Die Verständigung zwischen Ethel Flanders und Parker war laut und brachte nichts ein. Sie saßen sich in einem sehr komfortabel eingerichteten Besuchszimmer gegenüber und redeten aneinander vorbei. Parker entschuldigte sich damit, man habe ihm wahrscheinlich eine falsche Adresse und einen falschen Namen genannt. Er wollte die Unterhaltung so schnell wie möglich abbrechen und das Altersheim wieder verlassen.
Nachdem er sich von Ethel Flanders verabschiedet hatte, ging er zurück in die Empfangshalle, wo die weißhaarige Dame auf ihn wartete. Täuschte er sich, als er auf ihrem Gesicht den Anflug eines feinen, amüsierten Lächelns festzustellen glaubte?
„Sie haben die Unterredung schon beendet?“ fragte sie dann. „Wie schade … Ethel wird sehr enttäuscht sein. Wissen Sie, sie bekommt eigentlich niemals Besuch.“
„Ich muß bedauerlicherweise falsch informiert worden sein“, gab Parker höflich zurück, „Mrs. Flanders ist auf keinen Fall jene Dame, mit der ich wegen gewisser Memorien verhandeln sollte und wollte.“
„Unsere liebe, gute Ethel will ihre Memorien herausgeben?“ Die weißhaarige Dame sah ihn erstaunt an.
„Nicht direkt“, wich Parker aus, „selbst dann nicht, wenn sie es gewesen wäre, die anzutreffen ich annehmen mußte. Nun, ich bitte, die Belästigung und Störung entschuldigen zu wollen!“
„Sie können jederzeit wiederkommen“, sagte die Weißhaarige, „wir hier freuen uns über jeden Besuch.“
„Sprechen Sie im Namen der Leiterin dieses Unternehmens?“
„Wir verwalten uns selbst“, lautete die Auskunft, „wir haben einen Verwaltungsrat gebildet und bestimmen jeweils für ein Vierteljahr, wer die Geschäfte führt. Sehen Sie, man muß sich schon etwas einfallen lassen, wenn man den Schwung nicht verlieren will.“
„Äußerst lobenswert“, fand Josuah Parker, „falls ich noch eine abschließende Frage an Sie richten darf. Außer Mrs. Ethel Flanders gibt es keine andere Dame, die den Vornamen Ethel trägt?“
„Meines Wissens nicht. Aber ich kann das schnell feststellen Wir besitzen selbstverständlich eine genaue Anwesenheitskartei. Darf ich den Nachnamen erfahren?“
„Eben dies ist die Schwierigkeit“, entschuldigte Parker sich, „mein Herr ist Anwalt. Auf Wegen, die zu beschreiben wegen der Kompliziertheit sinnlos wäre, geriet Mr. Rander in den Besitz erstaunlicher Memorien, zu deren Veröffentlichung er die Erlaubnis besagter Mrs. Ethel braucht.“
„Das hört sich wirklich sehr kompliziert an. Der Nachname ist wirklich nicht bekannt?“
„Meinem jungen Herrn wurde nur mitgeteilt, daß besagte Mrs. Ethel sich hier in diesem Heim befinden soll.“
„Dann sollte Ihr junger Herr doch besser noch einmal nachfragen. Hier muß offensichtlich eine Verwechslung vorliegen.“
„Für die ich mich nochmals sehr herzlich entschuldigen möchte, Madam!“
Parker lüftete seine bereits aufgesetzte Melone noch mal, deutete eine Verbeugung an und verließ die Empfangshalle. Er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß er gegen eine Art imaginäre Gummiwand gelaufen war.
„Wieso denn, Parker?“ fragte Mike Rander kurz danach, als sie wieder zusammen im Wagen saßen, „können Sie Gründe dafür anführen?“
„Leider nicht, Sir. Ich urteile rein gefühlsmäßig. Jene weißhaarige Dame wußte wahrscheinlich genau, wer ich war und weswegen ich das Heim aufsuchte. Haben Sie Ermittlungen erfreulicher Art tätigen können?“
„Das Altersheim ist sehr gut angeschrieben in der näheren Umgebung“, berichtete Mike Rander, „die Damen und Herren darin stammen aus gutsituierten Kreisen und verfügen alle über ein kleines Vermögen. Im Heim leben schätzungsweise 80 Personen, je zur Hälfte Damen und Herren, alle so zwischen 60 und 80 Jahre alt.“
„Ich möchte mir von der Vernunft her gesehen natürlich einreden, Sir, die bewußte Telefonnummer nicht richtig identifiziert zu haben. Auf der anderen Seite bin ich nach wie vor mit an Sicherheit grenzender …“
„… Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, sie richtig mitbekommen zu haben. Das wollten Sie doch sagen, oder?“
„Sehr wohl, Sir!“
„Sie haben sich mit Sicherheit getäuscht“, sagte Rander und grinste,