MAUSOLEUM 2069. Rick Jones

MAUSOLEUM 2069 - Rick Jones


Скачать книгу
Feier würde ganz und gar nicht fabelhaft werden.

      Denkwürdig aber auf jeden Fall.

      Kapitel 10

      Nach einer Totenwache vor dem geschlossenen Sarg wurden Vorbereitungen getroffen, um Gouverneurin Andersons Leichnam an Bord der Air Force Six zu verladen, die dann in New Miami starten und nach Norden zu Mausoleum 2069 fliegen sollte.

      Kaum, dass sich Präsident Michelin blicken gelassen und seine gewohnheitsmäßigen Beileidsbekundungen aufgesagt hatte, verließ er den Saal wieder unter dem Vorwand, sich dringenden Sachfragen widmen zu müssen, was offenkundig gelogen war, aber schon seit jeher funktionierte.

      Als er in seine Hotelsuite zurückkehrte, legte er das Oberteil seines Hausanzugs ab, hängte es über eine Stuhllehne und setzte sich dann auf die Couch. Dort streckte er seine Füße auf dem Beistelltisch aus wie auf einem Sitzsack.

      Dann neigte er den Kopf nach hinten, bis dieser an der Oberkante des Rückenpolsters ruhte. »Wäre dieser Wahnsinn bloß schon vorbei«, klagte er. »Diese Schlampe macht mich sogar noch als Tote verrückt.«

      John Eldridge trat einen Schritt vor. »Das mag sein, doch Sie müssen zugeben, das alles ist ganz schön ironisch, finden Sie nicht?«

      Michelin grinste. »Da haben Sie recht«, pflichtete er ihm bei. »So sehr sie mich und meine Strategien auch hasste, jetzt wird sie mich geradewegs an die Spitze katapultieren. Ich muss nichts weiter tun, als den Gönner zu spielen; der Rest wird sich von selbst ergeben.« Er hob den Kopf. »Wann brechen wir auf?«

      »Übermorgen«, antwortete der Berater.

      »Das weiß ich, ich meinte die genaue Uhrzeit.«

      »Oh, Verzeihung. Wir fliegen um neun Uhr in New Miami los und docken ungefähr eine halbe Stunde später am Mausoleum 2069 an. Die Zeremonie findet nicht später als 10:30 Uhr statt, Sie halten Ihre kurze Grabrede … vielleicht zehn Minuten? Der Priester wird seinen Senf dazugeben, was wohl noch mal eine Viertelstunde dauern wird, also werden wir plus-minus zehn bis fünfzehn Minuten ungefähr gegen elf Uhr wieder verschwunden sein. Folglich treffen wir zur Mittagszeit wieder in New Miami ein.«

      »Gut. Suchen Sie schon mal ein anständiges Restaurant aus. Ich möchte diesen Moment nämlich auf feierliche Weise begehen.«

      »Jawohl, Mr. President. Was halten Sie von Rind?«

      Das hörte Michelin gern; seine Augen strahlten. »Steak?«

      »Kann ich aus New Las Vegas einfliegen lassen. Acht Unzen erstklassiges Fleisch, wenn Sie wünschen.«

      »Fleisch habe ich zuletzt bei meiner Amtseinführung gegessen.«

      »Wenn ich mich recht entsinne, konnte dabei aber kaum die Rede von einem Steak sein. Es war keine sehr große Portion.«

      »Nein, wirklich nicht, vielleicht drei Unzen, aber geschmeckt hat es trotzdem.« Nach einer Pause hakte er nach. »Glauben Sie, das lässt sich mit Ihren Beziehungen organisieren?«

      »Selbstverständlich.« Eldridge trat vor den Beistelltisch, nahm sein Tablet zur Hand und rief ein Foto des besagten Steaks auf. Während es lud, drehte er das Gerät herum, damit der Präsident das Fleisch sehen konnte. Der Bildschirm zeigte nun ein Steak von acht Unzen, das an einem Haken in einem ansonsten leeren Kühlschrank hing. »Schauen Sie sich das mal an, Mr. President. Rindfleisch, wie Sie es noch nie zuvor gesehen haben.«

      Michelin starrte auf das Tablet. Das Fleisch war rot und schmackhaft marmoriert, ein wirklich erlesenes Stück.

      »Es handelt sich dabei auch wirklich um echtes Rind?«

      »Ja, gesichert.«

      »Dann sehen Sie zu, dass es bald auf meinen Tisch kommt.«

      Kapitel 11

      Die Wolke wälzte sich ihren Weg durch das All, wobei ihre rauchigen Ausläufer stetig nach vorn strebten, als ob sie sich neuen Raum erschließen wollte. In der Ferne tat sich riesenhaft der Planet auf, der der Sonne am drittnächsten war. Auf seiner Oberfläche überwogen Grau- und Schwarztöne, hässliche Farben wie von Krebs oder Tod. Außerdem hatte er keine saubere Atmosphäre mehr, denn abgeworfene Teile aus verbogenem Metall, ob kaputt oder aus anderen Gründen unbrauchbar, umkreisten ihn.

      Doch die kosmische Wolke hegte keine Bedenken oder Vorbehalte in Hinblick auf das, was sie in sich aufnahm, überzog oder streifte.

      Sie existierte einfach nur.

      Beim Durchqueren des Raumes war sie genau auf diesen Planeten ausgerichtet. Im Laufe des nächsten Tages würde sie die Oberfläche des Mondes berühren und die Erde einige Stunden später wie eine Decke umhüllen. Dabei sollte sie unschwer in die atmosphärische Hülle eindringen. Kein Feuer konnte den Staub verzehren, kein Hindernis ihn aufhalten. Er würde das Gestirn einfach durchdringen, als sei es permeabel, und kein Elektron, kein Proton und kein Atom aussparen. Dadurch würde sie eine im Verfall begriffene Welt reanimieren – dem Leben wieder auf die Sprünge helfen, während nichts sicher war, als die Verheißung des Todes.

      Dies war die Apokalypse.

      Und sie würde fürwahr die Hölle auf Erden werden.

      Kapitel 12

       An Bord der Air Force Six

       Abflugtag

      Nach der Gedenkfeier auf der Erde wurde der Sarg der Gouverneurin in den unteren Frachtraum der Air Force Six geladen. Die Fähre war in der Lage, mit einer einzigen aufgeladenen Treibstoffzelle Ziele auf der ganzen Welt anzusteuern und Kurzstrecken ins All zurückzulegen. Für Missionen in der Tiefe des Raumes eignete sie sich jedoch nicht.

      Sie verfügte über alle Ausstattungsmerkmale und Annehmlichkeiten, die der Beförderung eines Präsidenten geziemten. Im Inneren war der ganze Boden mit Seidenteppichen ausgelegt und sowohl ein Fitness- als auch ein Konferenzraum waren darin untergebracht. Letzterer mit einem Tisch aus brasilianischem Palisander nachempfundenem Kunstholz sowie passenden Stühlen, die man mit feinstem italienischem Leder bezogen hatte, obwohl es dieses Land schon seit über sechzig Jahren nicht mehr gab. Auf backbord befand sich ein Erfrischungsbereich mit edelsten Spirituosen, importiert aus exotischsten Regionen wie New Brasil und New Belize, deren Bestand allein bereits das Gehalt eines hochrangigen Angestellten der Föderation in New DC wert war.

      Die heutige Reise sollte mit einem Senkrechtstart in die Exosphäre beginnen, bevor die Air Force Six abdrehen und auf direktem Weg zu Mausoleum 2069 fliegen sollte. Dafür veranschlagte man eine halbe Stunde einschließlich der Zeit, die beim Andocken vergehen würde.

      An Bord der Fähre hatten sich wie geplant zehn Personen eingefunden. Dies waren neben Michelin und John Eldridge zwei elysische Senatoren aus New Miami namens Andrea Hines und Shawn Newel, außerdem Lisa-Marie Millette, die Tochter der Gouverneurin, vier bewaffnete Wächter aus dem Aufgebot des Präsidenten sowie Vater Celestino Gardenzia, ein katholischer Geistlicher.

      Da man nahezu unmittelbar in die Niederungen des Alls geschossen wurde, musste sich jeder für die Dauer der Reise anschnallen. Der Präsident und sein Berater baten jedoch darum, unter vier Augen bleiben zu dürfen, wobei sie eine Diskussion vertraulicher Regierungsangelegenheiten als Grund angaben.

      Als die Maschine abhob und ihren Aufstieg begann, eruierten die beiden tatsächlich gewisse Angelegenheiten; die meisten betrafen allerdings seinen bevorstehenden Machtgewinn.

      »Sie wissen ja, dass die Felder von Elysium vor Problemen stehen, oder?«, fragte er seinen Hauptberater rhetorisch. »Trotz der Zwangssterilisierung schwinden die Nahrungsmittelbestände immer weiter. Wir werden mit unseren Quellen haushalten müssen, bis wir wieder einen vernünftigen Vorrat haben.«

      »Sollte das Volk erfahren, dass ein Mangel herrscht, könnte Panik ausbrechen, Mr. President. Ich würde vorschlagen,


Скачать книгу